1. Wer das letzte Jahr popkulturell verschlafen hat: Die Libertines sind nach 11 Jahren mit einem neuen Album zurück. Mit einem Album namens „Anthems for Doomed Youth“, auf Deutsch etwa: „Hymnen für die todgeweihte Jugend“.

2. Die Berufsjugendlichen Doherty, Barât, Hassall und Powell bleiben aber auch nicht forever young: Der Altersdurchschnitt der Libertines beträgt stolze 38 Jahre. Statt einer Midlife-Crisis unterzog sich Doherty nach den Deutschland-Konzerten im letzten Jahr erst mal einem Drogenentzug in Thailand.

3. Statt in ihrer Homebase Albion (im 21. Jahrhundert auch als England bekannt) wurde das Album „Anthems for Doomed Youth“ auch gleich in Asien aufgenommen.

4. Trotzdem bleiben die Briten heimatverbunden. Auf dem Titeltrack „Anthem for Doomed Youth“ (der übrigens gewaltig an „Music When The Lights Go Out“ erinnert) fallen Namen wie George Orwell oder Oliver Cromwell. Einzig der Song „Fury Of Chonburi“ erinnert an das thailändische Exil der Band.

5. Wo es vor 11 Jahren noch wilde Wohnzimmerkonzerte und Drogenexzesse gab, gibt es nun ein „Factsheet“ für Journalisten, in dem die letzten 10 Jahre des Brit-Pop kompakt zusammen gefasst wurden. Mein Favorit: „ Fun Fact: Vor Hassall hatte der spätere Razorlight-Frontmann Johnny Borrell die Rolle des Bassisten.“ (sic)  Was aus Borrells Solo-Karriere geworden ist, ist nun wieder eine andere Geschichte.

6. Das Video zur Single „Gunga Din“ (Ganja? Gin?) wurde laut dem besagten „Factsheet“ auf der „Walking Street in Pattaya, der Sex-Hauptstadt Thailands gedreht“. Aha. Mich interessiert eher, wie sie in ihren Dandy-Outfits einen Videodreh in der tropischen Hitze überlebt haben. Aber seht selbst:

7. Spätestens wenn Pete- äh Peter- „You’re My Waterloo“ so vor sich hin schmachtet, darf man sich aber gleich wieder ins Jahr 2002 versetzt fühlen.

8. Im Gegensatz zu den Vorgängeralben „Up The Bracket“ und „The Libertines“ bekommt man den Eindruck dass nicht jeder zweite Song unter Einfluss von Substanzen aufgenommen wurde. Das liegt  vielleicht aber auch nur an der bewusst „cleaneren“ Produktion von Jake Gosling, der unter anderem auch schon mit Ed Sheeran oder One Direction gearbeitet hat.

9. Promo auf Libertinisch: Wenn man gute analoge Verkaufszahlen haben will, sollte man den Vorbestellern exklusiven Zugang zu Konzerten gewähren. So sorgt man auch dafür, dass die Hersteller den Vorverkaufszahlen nicht mehr hinter her kommen und die Fans sich eine Woche länger auf die Erscheinung gedulden müssen.

10. Die Libertines revolutionieren zwar nicht mehr wie einst den britischen Garage-Rock, dafür haben sie sich auf „Anthem For Doomed Youth“ (halbwegs) nüchtern selbstgefunden. Auf den 11 Tracks des Albums gibt es sowohl herzzerreißende Balladen wie „You’re My Waterloo“ und „Dead For Love“, als auch zukünftige Moshpit-Hits wie „Glasgow Coma Scale Blues“ oder „Fame and Fortune“.

11. Wer erinnert sich noch an Carl Barâts Castingband „The Jackals“? (http://motor.de/carl-barat-im-interview-ueber-normalsein-und-trashfernsehen/). Ein bisschen Mitleid muss man mit den Jungs schon haben. Kaum kam Doherty wieder daher, wurden sie von ihrem Frontmann vernachlässigt. Kleines Trostpflaster: Spätestens bei der nächsten Band-Trennung dürfen sie wieder für ein neues Album herhalten.

P.S.: Wer sich jetzt ein eigenes Bild von den Libertines anno 2015 machen will, kann das am Samstag auf dem ersten europäischen Lollapalooza Festival in Berlin.

Titelbild: (c) Universal Music