Damals, als das fliegende Spaghettimonster unsere Rubrik "11 Fakten zu…" erschuf, hat es an vieles gedacht, nicht aber an Künstler wie Chad Matheny. Als Emperor X arbeitet der ehemalige Lehrer der Naturwissenschaften heute im Bereich Lo-Fi-Tech-Folk-Rock-NovaBossaNova und beglückt die Erdbevölkerung mit seinen schrulligen, dabei komplexen und hochgradig selbst gemachten Song-Juwelen. Emperor X baut sich seine eigene kleine Welt, achtet dabei nicht auf die Gesetze köstlicher Gottheiten und klebt dafür pink bemaltes Obst an alte Smartphones. In diesem Sinne sollte auch klar sein, dass 11 Fakten im Sinne des Amerikaners etwas anders ausfallen als üblich. Begeben wir uns also in das Gehirn von Emperor X, wo sich Franz Kafka, T-Rex und geruchsneutrale Katzen gute Nacht sagen:

1. Als ich noch Naturwissenschafts-Lehrer war und meine Schüler einfach nicht das machen wollten, was sie sollten, dann habe ich …

… extrem laut „HEY“ gesagt. Das hat oft gut funktioniert – der Schock, und dass man es einfach nicht ignorieren kann, wenn jemand die richtige Autorität in seiner Stimme hat. Aber das war auch nicht narrensicher. Wenn also Schreien auch nach zwei Versuchen nicht funktioniert hat, dann habe ich mir den Schüler gesucht, der die meiste Unruhe gestiftet hat, bin langsam auf ihn zu gegangen und habe mich direkt neben ihn gesetzt. Ich habe die Aufmerksamkeit der Klasse auf ihn gelenkt, indem ich ihm dann Fragen gestellt habe … Keine Ahnung, zum Beispiel, wie viele äußere Elektronen dieses und jenes Atom hat, oder wie ein p-Orbital geformt ist (zwei verdrehte Ballons, falls ihr das gerade nicht parat haben solltet…). Also generelle Dinge, die Schüler gerne mal vergessen. Dann habe ich oft irgendeinen absurden Witz gemacht, auf Kosten der Schüler, aber niemals bösartig – und schon war die Klasse wieder auf meiner Seite.

2. Am Canada Day…

… grübele ich über die Bedeutung von Canadian-ness. Für viele Amerikaner ist Kanada ein nutzloses Etwas, das an Minnesota hängt, was wirklich eine Schande ist. Tatsächlich ist Kanada eher unser erwachsener, cooler älterer Bruder, der gerade zu alt und cool für dumme Spielereien wie „Drohnenangriff“ oder „Petro-Imperialismus“ geworden ist. Kanada ist aber auch nicht perfekt, also denke ich auch darüber nach: Inwiefern kann ich zu Kanada aufblicken – und wie sehr sollte ich auch darüber besorgt sein, dass auch sie dem Weg des späten kapitalistischen Nihilismus folgen?

3. Wenn ich in der Welt einer meiner Songs leben könnte, dann wäre das …

Oh, das gefällt mir. Hmm, lass mich nachdenken. Es gibt da einen älteren Song namens Intracellular in dem ich sehr gerne leben würde: Kein Text, einfach ein Haufen Keyboards mit Echo, eine Basslinie und ein Techno-Beat, gespielt von meinen Händen auf dem Fußboden. Wenn das eine Welt wäre, dann wäre sie sehr schön und entspannt und überall wären Wasserrutschen – das klingt nach Spaß. Oder Ring 3D: Kafka Goes to Primark, weil ich sehr gerne mal mit Franz im kapitalistischen Einzelhandel abhängen würde. Er würde wahrscheinlich durchdrehen.

4. Wenn mein neues Album – The Orlando Sentinel – ein Tier wäre, dann wäre es …

Wenn ich mit meinen Intentionen erfolgreich war, dann wäre es mit 100%iger absoluter Sicherheit ein Cartoon-Vogelstrauß. Der Grund dafür ist äußerst persönlich und kompliziert. Belassen wir es dabei, dass Cartoon-Vogelstrauße einfach wunderschön, merkwürdig und kompliziert sind, und fast immer falsch verstandene Wesen mit großen, wachen Augen sind, die ab und an ein wenig am Rad drehen, und sich damit allen möglichen liebenswerten aber auch sehr ernsten Ärger einhandeln.

Habt ihr jemals etwas zu nah an den Schnabel eines Vogelstraußes gehalten? Tut das nicht, die beißen!

5. Der schlechteste Song, den ich je geschrieben habe, ist…

Mein erster Song war ziemlich schlecht. Er hieß Cars and Trucks. Ich war drei Jahre alt. Ich glaube, meine Mutter hat geholfen, ihn zu schreiben, also steht ihr zumindest ein Teil des Credits zu. Aber jetzt, wo ich darüber nachdenke, hat sie ihn wahrscheinlich größtenteils selbst geschrieben. Naja, er ging so:

„cars and trucks / cars and trucks / I like cars and trucks / I like yellow ones / I like red ones / I like green ones / I like cars and trucks (das dann 1000 Mal wiederholen)“.

6. Der beste Song, den ich je geschrieben habe, ist…

Cars and Trucks, siehe oben.

7. Niedliche Kätzchen riechen nach…

WAS? Das hängt davon ab, wie man sie behandelt. Der Geruch einer Katze hängt absolut von ihrem Umfeld ab. Ich denke, eine perfekte Katze ist absolut geruchsneutral, das würde nämlich bedeuten, dass sie genug Platz zum Herumrennen hat und überall Duftmarken setzen kann, und daher keine überschüssige Drüsenflüssigkeit hat.

8. Wenn ich mir die ersten Songs, die ich je geschrieben habe, anhöre, dann fühle ich mich…

… nostalgisch und bewundere meine Mutter. Siehe Cars and Trucks.

9. Im Falle einer Zombie-Apokalypse würde ich…

Also, ich habe lange darüber nachgedacht. Nicht über den Fall einer Zombie-Apokalypse – was ja doch eher Fantasie ist – aber jede Art von gesellschaftlichem Zusammenbruch. Wahrscheinlich ist das wenig überraschend, vielleicht aber auch nicht: Zuerst sollte man zu einer Tierklinik gehen und die Medikamente plündern. Hauptsächlich Antibiotika, vielleicht auch Schmerzmittel, aber hauptsächlich Antibiotika und alles, was man schwer auftreiben kann. Der einzige Grund, warum wir heutzutage ein so hohes Alter erreichen, ist, dass wir abgefahrene Medikamente haben, die verhindern, das wir an Wundbrand sterben, sobald wir auf einen Nagel treten. Waffen und Munition zu suchen wäre sinnlos, wenn man damit nicht wirklich umgehen kann. Die beste Überlebenstaktik wäre: Ressourcen zu horten, nicht aufzufallen, gut zu essen, sich fit zu halten und dann zu warten, bis der Fallout sich gelegt hat um dann etwas anzubauen.

10. Wenn einer meiner Songs gegen einen Dinosaurier kämpfen müsste, würde ich … wählen.

Fierce Resource Allocation, weil in diesem ungefähr 32 Mal „DIE DIE DIE DIE“ vorkommt und man wirkliche Willensstärke braucht, um gegen einen Dinosaurier zu kämpfen. Aber es ist doch auch wichtig zu wissen, gegen welchen Dinosaurier man kämpft, oder? Ich gehe hier von einem T-Rex aus. Wenn es strategisch eine kompliziertere Situation wäre, wie beispielsweise bei einem aufgebrachten Triceratops, würde ich etwas wählen, das mehr nach starker Panzerung klingt, wie der Song Riot for Descendant Command. Den konnte man nur live hören, wenn ich die Leute dazu angestiftet habe, Polizeiautos anzuzünden. Es hängt also, um mich kurz zu halten, von den Details ab, aber ich bin sicher, dass wir da etwas finden könnten.

11. Zehn Songs, die bei mir gerade rauf und runter laufen, sind:

Ich gebe euch elf, okay? Auf meinem Desktop gibt es einen Ordner namens „01_mp3s_of_recent_interest“, also lasst mich den mal öffnen und schauen, was da so drin ist … Okay, hier ist ein kurzer repräsentativer Auszug:

1) Explorer — "Yellow Power" (Das habe ich von einer deutschen Synth / New Wave-Compilation namens Teutonic Disaster, die großartig ist.)

2) Dat Politics — "Re-Folk" (Ich weiß nicht mehr, wann ich angefangen habe dieses Projekt zu hören, aber sie treffen absolut den Hardcore / Sampler-basierten digitalen "grot urge", den ich jeden Tag gegen neun Uhr morgens verspüre.)

3) BBB — "Tag (Munk Edit)" (Von der gleichen Teutonic Disaster Compilation. Im Prinzip ein Disco-Beat, zu dem ein Typ die Wochentage auf Deutsch spricht. Ich lerne gerade Deutsch, und obwohl ich darüber hinaus bin, diesen Track aus Gründen des Vokabulars hilfreich zu finden, nutze ich ihn als Aussprache-Übung, besonders da der Sänger so ausgelaugt / fertig mit dem Leben / too-cool-for-school wirkt. Wenn mein Deutsch flüssig ist, will ich auch so eine Note in meiner Stimme haben.)

4) Ata Kak — "Obaa Sima" (Vor ein paar Jahren wurde der Typ vom Blog Awesome Tapes from Africa gebracht, mein Kumpel Omar hat mir dann ein paar mp3s geschickt und ich bin durchgedreht. Die Art, wie diese Aufnahmen klingen – tape-y, gedämpft in Bass ersaufend, verzerrter Gesang, viel Gequietsche und "ooooweee!!!" sounds… Das war ein wichtiger Einfluss für mich als ich The Orlando Sentinel finalisiert habe. Und dieser Song ist besonders herausragend.)

5) Buraka Som Sistema — "Hey" (Das ist ein Diplo-Track, und damit ist genug gesagt. Nebenbei, ein Hobby von mir: Versuchen, Dinge lauter und klarer als Diplo-Tracks klingen zu lassen. Das ist hart.)

6) Logic — "My Chain" (Als wir vor ein paar Wochen herum gefahren sind, habe ich das meinem konservativen Vater im Auto vorgespielt, um ihm die Rechtfertigung von "Bling" zu erklären. Überraschenderweise war er da sehr aufnahmefähig. Logic hat einen schnellen Flow und Selbstsicherheit, die Tage lang reicht. Besonders mag ich wie er das Wort "plummet" ausspricht; so als ob "p" eine Waffe wäre.)

7) Whisper Kitten — "Mud and Grounds" (Der Typ kommt aus Long Beach, CA. "Next-level semi-accidental semi-arhythmic electronic production" von einem wirklich großartigen Percussionisten. "RIYL DJ Yo-Yo Dieting.")

8) Fort Wife — "San Francisco" (Ein tiefer, langsamer Track vom Long Beach-Project, angeführt von Elise Ewoldt, einer der besten Sängerinnen die ich jemals gehört habe. Dabei bin ich schockierender Weise in der merkwürdig-unterstützenden Long Beach-Szenerie schon mal eingeschlafen.) 

9) Stephen Steinbrink — "Now You See Everything" (Ein Track von seinem Album Arranged Waves, das nächsten Monat heraus kommt. Das ist eines der Alben, das dich darüber nachdenken lässt, wie sehr du selbst traditionelle Dinge wie Melodie, Gitarren und üppige Produktion anzweifelst, da er mit all diesen Dingen etwas Neues und Belebendes tut. Der Kerl ist ein Genie – und ich werfe mit diesem Wort nicht um mich.)

10) Japanese Breakfast — "June" (Der Sänger von Little Big League hat letztes Jahr im Juni jeden Tag einen Song aufgenommen. Jeder einzelne ist großartig, im Replacements-Stil, und das sollte einiges aussagen.)

11) 3&0 — "Teeth" (Eine seltsame Sammlung sehr talentierter junger Twentysomethings aus New Hampshire, die experimentellen Adult-Contemporary machen … ähm, die wohl dieses Genre erfinden.)

Übrigens: Wer überprüfen will, ob Emperor X hier auch nicht übertrieben hat, dem seien seine Termine in Deutschland sehr ans Herz gelegt:

Donnerstag, 24. Juli – Hamburg, Kleiner Donner

Samstag, 26. Juli – Hannover, Bei Koc

Montag 28. Juli – Dresden, Ostpol

Dienstag 29. Juli – Offenbach, Hafen 2

Mittwoch 30. Juli – Trier, VillaWuller

(Foto: Joel Shaughnessy / Übersetzung: Carsten Brück)