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Ich seid auch schon vor der Veröffentlichung eures Debüt-Albums „Open Jail“ getourt. Was hat sich jetzt verändert?
Etienne: „Langsam kennt man uns. Beispielsweise in Glasgow war es lustig, weil wir nicht damit gerechnet haben. Wir begannen unsere vorab veröffentlichte Single „Cache Cache“ zu spielen und die Leute fingen an zu schreien und mitzusingen. Das war sehr cool.“
Bruno: „In Deutschland haben wir auch schon einige Gigs gespielt. Fans, die uns in Hamburg gesehen haben, kamen nach Berlin hinterher. Viele waren sogar überrascht, dass wir “nur” die Support-Band sind. Einmal kam jemand zum Merch-Stand und sagte zu mir: ‘Es ist verblüffend, sonst kümmern sich die Leute nicht um die Vorband – bei euch ist das ganz anders.’“
Sänger Etienne Nicolini
Wie ist es in Deutschland und England zu touren? Gibt es einen Unterschied zu Frankreich?
Etienne: Außerhalb Frankreichs ist es eine große Party und das Publikum will auch die erste Band sehen. Das ist cool, denn in Frankreich gibt es das nicht.
Bruno: Speziell das deutsche und englische Publikum achtet mehr auf die Musik als auf die Texte. In Frankreich wird Musik mehr intellektuell gehört. Zuerst hören sie auf die Texte und dann vielleicht auf die Musik.
Also geht das Publikum auf Konzerten außerhalb Frankreichs bei eurer Musik mehr ab?
Bruno: Ja, viele reisen mit uns wenn wir spielen und viele Leute sagen, dass unsere Musik in bestimmter Weise hypnotisch klingt. In Frankreich wird die Musik nicht so wahrgenommen. Außerhalb Frankreichs ist es lebendiger …“
Etienne: „…und in Deutschland und England sind mehr Rock-People als in Frankreich“.
Aus Frankreich erwartet man ja sonst eher Chanson oder Elektro.
Etienne: „Von uns kennt man hauptsächlich Serge Gainsbourg, Justice und Daft Punk. Die Rock-Szene ist sehr klein, weil die Leute sich nicht trauen in Englisch zu singen….naja, es ist einfach so, dass das französische Publikum die Texte verstehen will.“
Du sprichst euren Inhalt an. Euer Bandname stammt von dem Roman „1984“ von Orwell . Dort geht es um ein totalitäres System. Seid ihr als Band politisch?
Etienne: „Das ist einfach eine Reflektion über die Gesellschaft. Nicht politisch. Wir wollen nicht behaupten, dass wir hier in einem totalitärem System oder einer Diktatur leben. Wir haben einfach eine Auffassung von dem was wir sehen und vergleichen das mit dem, was in dem Buch steht. Und da gibt es einige Verbindungen.“
Bruno: „Aber wir reden von zwei völlig verschiedenen Systemen. Im Buch geht es um einen totalitäres System und jetzt wähnen wir uns in einem total freien, der Demokratie. Aber wir können auch hier die selbe Einsamkeit wie die der Charaktere im Buch bei Menschen in unserer Umgebung erleben. Es ist ,als wären sie eingefroren, weil…“
Etienne: „…ihnen der Weitblick und das Bewusstsein fehlt.“
Schlagzeuger Thomas Figenwald
Also wollt ihr die Menschen darauf aufmerksam machen?
Etienne: „Ja.“
Bruno: „Aber das ist nicht der einzige Grund, warum wir diesen Namen gewählt haben. 1984 ist auch unsere Generation und wir sind deren Zeugen. Zeugen der Stimmung dieser Generation und wir wollen das in unseren Sound übertragen.“
Etienne: „Musik ist ein Mittel, um die Zeit, in der du lebst, zu beschreiben. Daher ist es ein guter Name für uns.“
Bruno: „Unser Name ist jedenfalls kein Tribut an Orwell.“
Eure Musik wird nicht zu unrecht oft mit Joy Division verglichen. War das geplant oder doch eher Zufall?
Etienne: „Im Ernst – wir kannten die Band gar nicht richtig, bevor wir das Album aufnahmen. Als die Leute unsere Musik hörten, sagten sie ‘Oh, das klingt wie Joy Division’, aber wir lernten sie erst nach den Aufnahmen kennen.“
Bruno: „Wir machen unsere Musik wie sie kommt. Mit einem Riff, Texten, dann kommt der Bass hinzu und Thomas, unser Schlagzeuger, findet schnell eine Drumline. Die Art, wie wir Musik machen, klingt sehr frisch und da sollte man nicht nach Referenzen suchen, denn viel funktioniert bei uns einfach automatisch, denke ich.
Etienne: Ja, wir denken nicht darüber nach, ob wir wie jemand anderes klingen oder nicht. Natürlich haben wir Einflüsse, aber es ist einfach so, dass wir das spielen, was kommt und dann sehen, wie es ist.
Bassist Bruno Pelagatti
Euer Album habt ihr „Open Jail“ genannt und auf eurer Web-Site steht blumig, dass ihr „bestimmt seid, die Fesseln zu durchbrechen und das Gefängnis des aktuellen Rock-Konformismus zu verlassen“. Was gilt es konkret zu durchbrechen?
Etienne: Es gibt auf jeden Fall verschiedene Schulen in der britischen Rockmusik. Aber was wir aber eigentlich damit sagen wollen ist, dass wir keine Kultur (lacht) in diesem Sinn haben. Wir machen einfach das, was wir können und wollen. Und wenn wir etwas härteres oder tanzbares wollen, dann machen wir das, denn es gibt keine Kategorie, die wir bedienen müssen.
Bruno: Es gibt einen Rock’n’Roll-Konformismus. Viele große Bands sind gänzlich konform produziert mit dem Zweck, möglichst vielen Leuten zu gefallen und Geld zu verdienen. Das sind wir auf jeden Fall nicht.
Etienne (lacht): Doch, genau so will ich werden.
Bruno: Das wäre schön, wenn wir auch so verdienen würden, aber wir gehen doch lieber weiter unseren Weg.
Text und Fotos: Stephan Klingebiel
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