Gerade noch rechtzeitig, um den Soundtrack zum Spätsommer zu liefern, legen 2Raumwohnung mit “Lasso” ihr fünftes Studioalbum vor.
Wieder einmal widmen sich Inga Humpe und Tommi Eckhardt leichtfüßigem Elektropop mit bittersüßen Texten, der mal melancholisch zum Träumen, dann wieder zum Schwitzen in der Open Air-Disco einlädt. Wir trafen die beiden in ihrer Wahlheimat Berlin zu einem kurzen Interview.
motor.de: Inga und Tommi, auf “Lasso” bleibt Ihr zwar im Großen und Ganzen Eurem Sound treu, spielt aber mit allerlei neuen klanglichen Elementen. Auf dem Infozettel Eurer Plattenfirma nennt Ihr die Platte “70s futuristisch” – was meint Ihr damit?
Tommi: Es ging uns darum, was Futurismus in den Siebziger Jahren war. Damals blickte man so positiv in die Zukunft, dachte an Wohnen auf dem Mond und Swimmingpools auf der Sonne. Alles schien offen, erlebens- und erstrebenswert. Innovation war noch reizvoll und schick, nicht bedrohlich.
Inga: Heute ist es fast ein wenig vergleichbar mit der Zeit damals. Bestimmte Regeln funktionieren nicht mehr, um uns bricht gerade alles wieder zusammen und überall herrscht ein Gefühl von Aufruhr, Rebellion und Dagegenhalten. Das sind absolut gute Zeiten für einen neuen Blick in die Zukunft. Bei diesem ganzen Gelaber über die Krise kann ich immer nur sagen: Genießt die Krise! Es ist doch gut, dass bestimmte Dinge, denen man eh nicht getraut hat, mal einbrechen.
motor.de: Ursprünglich war 2Raumwohnung nur als Projekt gedacht, mit dem Ihr den Song zu einem Werbespot produziert habt. Fast zehn Jahre später gibt es Euch immer noch. Was lässt Euch weitermachen?
Inga: Natürlich stellen wir uns auch ganz essentielle Fragen. Was bleibt übrig von dem, was wir schaffen? Warum machen wir überhaupt Musik? Wahrscheinlich ist doch der einzige Sinn, den Musik hat, Freude zu bereiten und ein Gefühl von Einheit oder Zusammengehörigkeit spüren zu lassen. Man findet sich auf einmal wieder in einem Klang – und das ist das Schönste, was ich mir vorstellen kann. Musik herzustellen ist noch mal etwas ganz anderes als bei jedem anderen Medium, weil sie im Raum bleibt und jeder dazu einen Zugang findet. Das hat etwas ganz Reales. Trotzdem ist Musik aber auch ein Wunder, magisch, unerklärlich, mitreißend. Diese Vielfalt der intensiven Gefühlserlebnisse macht einen abhängig davon; man möchte das tolle Gefühl immer wieder haben. Wir sind also Junkies!
2Raumwohnung – Ranking
motor.de: Gibt es denn trotzdem auch mal Momente, wo Ihr die Schnauze voll habt von der Musik und von 2Raumwohnung?
Inga: Selbstverständlich, eigentlich jeden Tag. Aber meistens hält das dann nur eine Minute an, manchmal vielleicht auch eine Stunde.
Tommi: Es gibt einfach Momente, etwa wenn man von einer Tour zurückkommt, wo man nur leer ist. Ich glaube, das nennt man Muckerstarre! Bis eben war man noch voller Begeisterung und Adrenalin, aber dann kommt die Entspannung – und die Entlastungsdepression.
Inga: Das ist natürlich meistens vor allem Erschöpfung. Aber man muss generell aufpassen, dass man sich mit einer Sache wie 2Raumwohnung nicht sein eigenes Gefängnis baut. Wenn man das zu ernst nimmt, bewegt man sich nur noch in diesem Image. Und ein Image ist ohnehin ein echter Killer, das Schlimmste, was man mit sich selber machen kann. Trotzdem ist man da ganz schnell wieder drin, deswegen sind wir immer auch dabei, das Image wieder zu zerstören.
2Raumwohnung – Wir Werden Sehen
motor.de: Einen radikalen Schritt wie von Deiner Schwester, die sich bei Ich+Ich mehr oder weniger komplett aus dem Rampenlicht zurückgezogen hat, müssen wir bei Euch aber nicht erwarten, oder?
Inga: Passieren kann alles. Wenn man das wirklich nicht will, dann muss man es auch nicht machen. Aber ich bin zum Beispiel gerne auf der Bühne, denn das ist für mich überhaupt erst der Kick, mit dem Publikum in einem Raum zu sein und zusammen mit der Band einen einzigartigen Moment herzustellen.
motor.de: Wirklich Zeit, mal auszubrechen aus der 2Raumwohnung und etwas anderes zu machen, bleibt aber vermutlich nicht, oder?
Inga: Wir haben früher natürlich auch andere Sachen gemacht, aber in den letzten Jahren war das wirklich nicht mehr möglich. Allerdings überlegen wir gerade, ob wir nach diesem Album nicht mal etwas ganz anderes machen wollen. Vielleicht etwas ganz Ruhiges! Der Wunsch danach besteht seit unserem ersten Album, aber das geht mit 2Raumwohnung einfach nicht, weil das viel zu energetisch ist. Mal gucken, bis jetzt ist das nur so ein erster Gedanke…
Tommi: Lust auf Abwechslung haben wir jedenfalls schon öfter gehabt, aber man merkt dann doch immer wieder, wie solche Sachen aus Zeitnot letztlich nur leiden. Und man will schließlich keine 100-Stunden-Woche haben und durch alle Sachen nur noch durchrasen.
Inga: Die 2Raumwohnung ist nun einmal gerade so lebendig und fordert so viel Aufmerksamkeit. Aber die soll sie natürlich auch kriegen!
Interview: Patrick Heidmann
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