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65daysofstatic verstehen es, sich auch ohne Worte mitzuteilen und das schon fast zehn Jahre lang. Im motor.de-Interview haben sich die Post-Rocker trotzdem der verbalen Ausdrucksform bedient.
Die nickenden Köpfe der Besucher kennen ihre Einsätze: Bei 65daysofstatic-Konzerten gehen die Arme synchron nach oben, die Nackenmuskeln im Publikum werden gleichzeitig angespannt und wieder entspannt zu Gitarrenwänden, die sich mit Schlagwerkkunst und Elektronik paaren. Wer bis dahin glaubte, Konzertdynamik könne nur durch mitgegröhlte Refrains entstehen, ändert spätestens hier seinen Standpunkt. Die Sheffielder Band schafft es, aus einer eher unzugänglichen Alternative-Position heraus zugängliche Musik zu erschaffen. motor.de verrieten Joe Shrewsbury und Paul Wolinski, Gitarrist und Keyboarder von 65daysofstatic, was von der Band in Zukunft zu erwarten ist.
motor.de: Ihr spielt instrumentalen Post-Rock – sind Worte für euch nur Schall und Rauch?
Paul: Joe hatte entschieden, dass wir Postrock machen sollten. Ich denke aber wir sollten etwas wilder sein. Ernsthaft: Manchmal gibt es einfach keine Worte dafür, was du eigentlich sagen willst.
Joe: Das, was die anderen aus der Band zu sagen haben, wollen wir einfach nicht hören. Das ist ein konstanter Krieg zwischen unseren nicht gerade kleinen Egos. Auch wenn wir viel Zeit dafür aufwenden, furchtbar zu Simon und Rob zu sein, können wir trotzdem mit den anderen im gleichen Raum stehen. (beide lachen)
Paul: Das ist immer eine Mischung aus Aggressionen und Wut. Man kann also tatsächlich sagen, dass wir leeren Schall und Zorn verkaufen.
motor.de: Eure neue Platte schlägt ziemlich aus der Reihe. Sie hat Dancefloor-Qualitäten.
Paul: Wir hatten schon immer starke elektronische Einflüsse. Das neue Album hat aber emorm viele Reaktionen hervorgebracht. Wir sind so oft auf Tour, dass es Notwendigkeit war, dass wir eine Platte machen, die wir von Anfang bis Ende durchspielen können und das auch genießen. Anstatt wie bei “The Destruction of Small Ideas” alle möglichen Instrumente zu nutzen, haben wir dieses Mal nur die verwendet, die wir einfach in den Tourbus stecken können. Unser Sound wurde dadurch viel mehr auf die elektronische Schiene herunter gebrochen, als es die meisten gewohnt waren. Das ist jetzt eben tanzbare Musik.
Joe: Ich finde die “Heavy Sky” EP klingt wie wir zu der Zeit, als wir anfingen Musik zu machen. Uglyfloorsound. (Gelächter) Du findest aber nicht mehr Elektro darauf, als es früher der Fall war. Die neuen Sachen lassen mehr Platz zum Atmen.
65daysofstatic – “Hole”
motor.de: War es euer Ziel ein neues Level zu erreichen?
Joe: (zögert lange) Wir wollten nicht nochmal ein gleiches Album machen oder uns wiederholen, sondern weiter gehen. Es gibt verschiedene Arten von Zielen: erreichbare, lächerliche, schwere, leichte. Es ist immer gut, dir als Band Ziele zu setzen. Das sind Wegweiser dahin, wo du irgendwann stehen willst.
Unser kurzfristiges Ziel ist es, weiter Musik zu schreiben und live zu spielen. Und unser langfristiges Ziel ist es, weiter Musik zu schreiben und live zu spielen. (lacht)
motor.de: Eure Konzerte sind sehr energiegeladen. Wo tankt ihr persönlich wieder auf?
Joe: Ehrlich? Ich habe absolut keine Ahnung! Die Show findet heute Abend nicht statt, ich geh schlafen. (lacht) Naja, viel Kaffee, viel Obst essen. Das hilft.
Paul: Viele Liveshows spielen tankt auf! Das macht Spaß und ist der beste Job der Welt.
motor.de: Woher nehmt ihr eure Inspiration? Gibt es da eine bestimmte Richtung?
Joe: Nein, die gibt es eigentlich nicht. Das kommt von überall her. Meist sind das Sachen, die absolut nichts mit Musik zu tun haben. Das ist eine schwierige Frage. Obwohl das so oft gefragt wird, ist es immer schwieriger zu beantworten. Warum machst du denn bestimmte Dinge und aus welchen Gründen? Das sind viele Sachen, die meist nichts mit Musik zu tun haben. Das kannst du auch deinen Arzt fragen, woher er seine Inspiration nimmt, Menschen zu behandeln. Nur macht das keiner.
Paul: Das ist eine typische Musikerfrage. Zu Touren ist eine große Inspiration. Gigs, gute Gespräche, viele Leute zu treffen, die sich für unsere Band interessieren.
65daysofstatic – “Retreat! Retreat!”
motor.de: Ihr habt mal erwähnt, dass ihr gern eine Kooperation mit Christina Aguilera machen würdet – ist da wirklich was dran?
Paul: Also ich würde nicht nein sagen.
Joe: Naja, sie ist nicht mehr so gut wie früher. (Gelächter)
Paul: Ich glaube, sie würde eine Zusammenarbeit mal brauchen.
Joe: Sie kann ja mal anfragen. Wer war nochmal auf ihrer Platte, die niemand gekauft hat?
Paul: M.I.A. und Le Tigre sind da drauf. Was wir damals damit sagen wollten: Wir machen nicht mit Absicht düstere Musik und würden auch mal so wie sie Songs schreiben, die in diese kommerzielle Popwelt passen. Popmusik war vor fünf Jahren jedoch viel interessanter als sie es mittlerweile ist.
motor.de: Ihr werdet demnächst die Filmmusik zu „Silent Running” neu interpretieren. Wie kam denn das zustande?
Paul: Ja, das ist für ein Filmfestival in Glasgow. Wir werden nächstes Jahr nicht so viel Touren und wollten mal was anderes machen. Das ist eine gute Gelegenheit, dafür die Musik zu schreiben. Sci Fi-Musik passt zu uns.
Joe: Joan Baez hatte einen verrückten Soundtrack für die Originalversion gemacht. Ihre Folk-Musik steht da konträr zum Sci-Fi-Film, das ich mag sehr. Wir sind dagegen nicht gerade eine leise Band. Dass wir dann live zur Filmvorführung unsere speziell dafür geschriebenen Songs spielen, wird sicher gut.
motor.de: Fühlt ihr euch erfolgreich nach fünf Alben, vier EPs, mit einer großen Fanbase im Rücken und der Platzierung von „We Are Exploting Anyway“ in den britischen Charts?
Joe: Platz 99 in den UK-Charts, bedeutet das denn noch irgendetwas? Ich habe keine Ahnung.
Paul: Alles ist relativ. Wir haben viele Leute, die kommen um uns zu sehen, und viele Bands, die wir getroffen haben, bewundern das, was wir erreicht haben. Wir haben auch sehr hart dafür gearbeitet. Wir haben viele junge Bands getroffen, die es wesentlich kürzer gibt als uns und die sich aufgeläst haben. Uns gibt es noch. Relativ gesehen ist es also eine großartige Sache, Teil der Musik zu sein, Konzerte zu geben, Platten aufzunehmen und, dass Leute das auch schätzen. Es ist es immer noch ein anhaltender Kampf, die Band am Leben zu halten, weil wir eben nicht genug Platten verkaufen. Die nächsten Jahre wird das schwerer – die Leute kaufen keine CDs mehr, die Wirtschaft hat Probleme…das ist definitiv hart für alle und fair ist was anderes…aber scheißegal, wir haben den besten Job der Welt
Joe: Vielleicht sollten wir uns richtige Jobs suchen. (Gelächter)
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