Wenn Kings Of Convenience zur Primetime zum lauschigen Beisammensein laden, pilgern tausende Menschen gen Hamburg, um dort gemeinsam die Stille des Moments zu genießen. Remmidemmi gibt’s zum Glück woanders.
Es ist ein lauer Sonntagabend im Hamburger Sommer, der Kalender zeigt den 16. Juni an, auf der Uhr steht 19.15 Uhr und 3000 Menschen trudeln nach und nach in den Open Air Bereich des Stadtparks ein. Anders als es bei diesem Indiepublikum zu vermuten wäre, wollen sie nicht unter blauem Himmel gemeinschaftlich Tatort in gigantischer Runde gucken. Nein, den Sendeplatz erhalten an diesem Abend zwei unscheinbare Herren aus Norwegen: Eirik Glambæk Bøe und Erlend Øye spielen als Kings Of Convenience das wahrscheinlich schönste Liedgut, was Skandinavien in den letzten Jahren hervorgebracht hat.
Als Support spielen fünf Anfangzwanziger aus Bergen, Norwegen. Young Dreams nennen sie sich, der eine oder andere durfte die symphonische Truppe bereits im Mai auf dem Immergut Festival kennenlernen. Ganz sympathische, talentierte junge Männer stimmen alle auf einen erstklassigen Tagesabschluss ein. Ihr Sound klingt irgendwie tropisch (Vampire Weekend ick hör dir trapsen), gleichzeitig jedoch auch unverkennbar melancholisch-skandinavisch. Die Besucher danken es ihnen mit einem ausgiebigen Schlussapplaus. Nach einer kurzen Umbauphase betreten die beiden Hauptakteure schließlich die Bühne.
Sie spielen zunächst als Duo, jeder hält seine Gitarre im Arm und abwechselnd wird ins Mikrophon gesungen. Es ist beim ersten Song “My Ship Isn’t Pretty” sogar so still, dass sich vereinzelte Vogelgesänge unter die Gitarrenklänge mischen. Schön ist das, einfach nur bezaubernd schön. Die Besucher genießen die omnipräsente Ruhe, nippen am Getränk und summen leise die bekannte Melodie mit. Nach dem ersten Lied unterbricht Øye kurz und spricht zum Publikum: “Wisst ihr was das Problem bei unserer Musik ist?” Die Zuschauer sind verwundert und ahnen nicht, was nun kommt, als er sich an die Fotografen in der ersten Reihe wendet. “Naja, unsere Lieder sind so leise, dass der Auslöser eurer Kameras zum Rhythmus der Musik wird. – Ein sehr schneller, unschöner Rhythmus…” Da hat er leider Recht. “Deswegen machen wir jetzt etwas Unkonventionelles – ein kleines Fotoshooting für euch. Ihr macht eure Bilder und dann geht ihr bitte.” Alle Anwesenden jubeln und auf die Ankündigung folgen zwei Minuten mit witzigen (stummen) Musikerposen. Nachdem die Fotografen von dannen gezogen sind, führen die Zwei ihr Konzert weiter, als ob nichts passiert sei.
Mit “Cayman Islands”, “Failure” und “Homesick” spielen sie über eine Stunde hinweg die sanftesten Stücke ihrer drei Alben (bzw. vier, wenn man das Remixalbum “Versus” mitrechnet). Die Lieder scheinen wie für solch einen Konzertabend gemacht zu sein. Ein warmer Sound breitet sich im Rondell des Stadtparks aus, der alles irgendwie weich und mild macht.
Doch es hätte etwas gefehlt, wenn das alles gewesen wäre. Das wissen auch Øye und Glambek Boe selbst. Darum holen sie für die schnelleren Lieder wie “Rule My World” und “I’d Rather Dance With You” tatsächlich noch drei weitere Musiker zur Verstärkung auf die Bühne. Mit zusätzlicher E-Gitarre, Schlagzeug sowie Bass im Arrangement schwappt eine zarte Tanzwelle durch die Reihen. Es wird mitgesungen (laut Erlend Øye hört man nun das größte Sinfonieorchester der Welt), freudig zum Rhythmus geklatscht bzw. geschnippst und die Beine verlassen sekundenweise den waldigen Boden. Eben genau so, wie man sich das von einem gelungenen Konzert so wünscht.
Stellt sich nun die Frage, ob sich das Verpassen des geliebten Tatorts für alle Beteiligten gelohnt hat. Ja, und wie es das hat! Man kann sich darüberhinaus keine passendere Gestaltung für einen Sonntagabend vorstellen. Ein rundum perfektes Konzert, das der Stille die Krone aufgesetzt hat.
Sophie Lagies
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