Mit ihrem zweiten Album „Who Do You Vodoo“ sorgen die drei schwedischen Kickass-Rocker von Satan Takes A Holiday derzeit für reichlich Aufsehen bei Freunden kantiger Vintage-Klänge. Wir trafen das Trio kurz vor ihrem Berlin-Gig im Schlepptau von The Imperial State Electric und sprachen über tiefschwarzen Kaffee, maskierte Altherren-Rocker und beeindruckende Begegnungen.
Rückblick: Mitte der Neunziger hatten massenhaft nordische Hartwurst-Kauer die Schnauze voll von depressiven Grunge-Klängen, aufmüpfigen Crossover-Grooves und alternativem Bittersweet-Gesäusel. Immer wieder fragten sich 70s-Verehrer: Wo ist die Basis hin? Wer hat die Quellen versiegen lassen? Und warum zucken 20-Jährige fragend mit den Schultern, wenn der ergraute Rock-DJ aus der Nachbarschaft Songs wie „Paranoid“, „Detroit Rock City“ oder „TNT“ durch die Boxen jagt? Um dem sich zunehmend ausbreitenden Unwissen Einhalt zu gebieten, nahmen grollende Musikanten wie Nicke Andersson, Andreas „Dregen“ Tyrone Svensson und Biff Malibu die Dinge selbst in die Hand. So schlürfte man in die heimischen Kellerräume, zog sich die alten Kutten über und verneigte sich in süffigen Rehearsal-Bunkern vor den angestaubten Riff-Infernos von Branchen-Pionieren wie Ace Frehley, Angus Young und Tony Iommi.
Als Retro-Missionare zogen Bands wie Gluecifer, The Hellacopters und die Backyard Babies in die Welt hinaus und predigten den Rock’n’Roll. Auf allen fünf Kontinenten prangten plötzlich überdimensionale Schweinerock-Buttons an den Wänden. Doch der brausende Vintage-Sattelschlepper kam irgendwann ins Schlingern. Während einige Speerspitzen des Genres praktisch über Nacht komplett von der Bildfläche verschwanden, dümpelten andere, ausgebrannt und orientierungslos, nur noch träge vor sich hin. Viele Jahre schwelgte die treue Gefolgschaft nur noch in Erinnerungen, doch seit einiger Zeit rührt sich wieder was. Neu- und Quereinsteiger-Kollektive wie The Imperial State Electric, Smoke Mohawk oder die neu formierten Turbonegro kochen auf großen Flammen und hauchen der totgeglaubten Szene wieder Leben ein. Auch die drei Stockholmer Kickass-Junkies von Satan Takes A Holiday schwören auf crunchige Riffs und Garagen-Vibes der alten Schule. Und doch unterscheidet sich das Trio in vielerlei Hinsicht vom Rest der Branche: „Wir sind definitiv anders als viele Bands, die ähnliche Musik machen wie wir“, so STAH-Sänger Fred Burman.
Der hochgewachsene Frontmann beugt sich zu mir nach vorne und fährt fort: „Das geht schon bei den Getränken los. Viele Bands, die sich den Rock’n’Roll-Sticker auf die Stirn klatschen posieren gern inmitten von aufgestapelten Bierkästen, Whiskeyflaschen und anderen hochprozentigen Sachen. Wir feiern natürlich auch gerne – aber bei uns geht nichts über eine gute Tasse Kaffee“, flüstert mir der bärtige Bandkopf ins Ohr. Während Drummer Svante Nordström zaghaft in die Hände klatscht, verteilt Bassist Johannes Lindsjöö Plastikbecher auf dem kleinen Tisch vor uns. Die Jungs wissen wovon sie reden, denn sie spielen nicht nur in einer Band zusammen, sondern führen zudem noch seit mehreren Jahren ein erfolgreiches Musik-Café im Herzen Stockholms: „Den Laden gab es schon, da war an die Band noch gar nicht zu denken“, erklärt Kesseltreiber Svante. Das Ganze sei ein Mix aus Café, Restaurant und Record-Store, so die Inhaber: „Man kann gut essen und wunderbaren Kaffee genießen. Und wenn man nach Hause kommt, hat man auch noch rares Vinyl in der Einkaufstasche. Das ist doch grandios, oder?“
Fred Burman grinst über beide Backen, während er vom „Louie Louie“ – so der Name des Cafés – schwärmt. Doch mittlerweile stehen die Verantwortlichen nur noch selten selbst hinter der Theke: „Wir sind ja nicht mehr so oft zu Hause. Die Band bestimmt jetzt unseren Alltag. Vielleicht kommt irgendwann der Tag, an dem wir uns entscheiden müssen“, sagt Svante. Dann würde man aber auf jeden Fall den Rock’n’Roll-Pfad wählen, auch wenn das Herz schmerzen würde.
Langsam steigt uns allen frischer Kaffeeduft in die Nasen: „Hier, probier mal. Das ist „Voodoo“, unsere eigene Marke“, klärt mich Johannes auf. Eine Band mit einer eigenen Kaffeemarke. Da schießen einem doch sofort die Herren Simmons und Stanley in den Kopf: „Oh, yeah. Kiss sind geil. Wir spielen mit denen im Juni in unserer Heimatstadt. Das wird ein Fest“, freut sich Svante und hüpft dabei von einer Seite des Sofas auf die andere. Keine wackeligen Knie? Der Drummer kraust sich den Bart: „Naja, das ist natürlich schon eine andere Baustelle als die Tour, die wir gerade mit Imperial State Electric fahren. Aber wir freuen uns mehr, als dass wir uns in die Hosen machen. Ich meine, ob wir nun vor 200 oder vor 15.000 Leuten verkacken…wen interessiert das schon.“ Das Gelächter ist groß und die Schenkelklatscher von Johannes hören selbst die emsigen Bauarbeiter im Nachbarraum, wo seit einer halben Stunde fleißig gebohrt und geklopft wird.
Die Zeit wird langsam knapp, doch bevor die drei Schweden in die Vorbereitungen zum abendlichen Berlin-Gig entlassen werden, möchte ich noch wissen, welches der beiden beruflichen Standbeine bisher mit mehr Highlights aufwarten konnte: „Du wirst vielleicht lachen, aber wenn ich ehrlich bin, liegt da das Café eine Nasenlänge in Führung. Wie gesagt, wir ticken irgendwie ein bisschen anders. Wir hören beispielsweise privat ziemlich seltsame Musik im Vergleich zu der, die wir selbst spielen. Svante steht total auf exotische Klänge und ich höre momentan viel Pop und R’n’B. Aber egal, wenn du mich nach einem Highlight der letzten Jahr fragst, dann fällt mir sofort Pink ein. Die kam nämlich irgendwann in unseren Laden und kaufte den halben Bestand leer. Das war völlig abgefahren. Aber, wer weiß? Vielleicht holt die Bandsache im Juni wieder mächtig auf? Ich denke, so ein Abend mit Kiss könnte auch ziemlich lustig werden.“ Wohl wahr.
Kai Butterweck
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