Der Erfolg gibt ihnen Recht: Mit Vintage-Instrumenten und konservativem Genre im Nacken lässt sich eben doch noch die Welt erobern – im motor.de-Interview ziehen Mumford & Sons anlässlich des neuen Albums “Babel” ein unterhaltsames Resümee.

(Fotos: Cooperative Music)

Die Muse meinte es gut mit ihnen. Als sich Mumford & Sons vor drei Jahren aufmachten, die Welt zu erobern, gab es Skeptiker, die arge Zweifel am Plan hegten: “Diese Band klingt, als habe jemand die ungewollten Brüder der Fleet Foxes in die Spur geschickt“, las man in Checker-Foren und doch sollten selbst solch blumige, völlig falsche Beschreibungen beim Durchbruch des Debüts “Sigh No More” helfen und den Engländer noch mehr Aufmerksamkeit verschaffen – darüber amüsiert sich Banjo-Zupfer Winston Marshall heute noch: “Schon verrückt, dass wir damals mit den Fleet Foxes verglichen wurden und inzwischen als eigenständiger Act anerkannt werden – der wiederum für andere Newcomer als Referenz herangezogen wird: ‘Die klingen doch wie Mumford & Sons’, lese ich jetzt öfter und kann nur schmunzeln.”, gibt er den gelassenen, aktuell Erfolgs-verwöhnten Musiker, dem eigentlich nichts anhaben kann. Auch die hohen Erwartungen im Zuge des zweiten Albums “Babel” lassen Marschall kalt:

“Ich würde mal behaupten, dass die Leute unsere Musik inzwischen kennen und jetzt nicht erwarten, dass wir plötzlich alles anders machen – Hip Hop oder Rap würde überhaupt nicht zu Mumford & Sons passen, selbst wenn ich diese Genres mag”, beugt er sich vor und puhlt das Schokobonbon aus der silbernen Verpackung. Wie ein Rockstar sieht er dabei nicht aus: Die Haare wild verwuschelt, den Oberkörper mit einem leicht verschlissenem Achselhemd bedeckt und seine Schuhe haben auch schon bessere Zeiten erlebt. Ein Folkie eben, der seine Musik liebt und lebt – obschon er gar kein waschechter Amerikaner ist, sondern in England aufwuchs: “Das werden wir oft gefragt: Ob Mumford & Sons eher eine amerikanische oder englische Band sind? Beides irgendwie, denn sich hier festzulegen, wäre Blödsinn. Solange das zusammenpasst, was wir miteinander zu kombinieren versuchen, sind Umschreibungen aller Art okay.” Für die Presse auch, denn diese hoffierte die Jungs monatelang und sorgte europaweit für solch gesteigertes Interesse, dass die Band bei ihrem ersten Amerikakonzert bereits vor über 5.000 Menschen spielte.

Mumford & Sons – “I Will Wait”


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Alles super also, möchte man meinen und doch sind die Dinge für Mumford & Sons ein wenig komplexer: Was der Erfolg mit den Jungs anstellte, welche Hürden für das zweite Album “Babel” gemeistert wurden und was ein Stripper damit zu tun hat, erklären sie im motor.de-Interview.

motor.de: Wie geht es so – schon die Zeit gefunden, über die letzten drei Jahre intensiver nachzudenken?

Winston Marshall: Um Himmels Willen. (Schüttelt den Kopf) Ich will mir das gar nicht vor Augen führen und bin auch echt froh, dass Dinge wie verkaufte Alben oder ähnliches nur virtuell stattfinden: Hätten wir eine Lagerhalle, aus der die Platten direkt zu den Leuten kämen, jeder von uns würde bei den Absätzen durchdrehen – wenn du weißt, was ich meine.

motor.de: Ihr verhaltet euch auch gar nicht wie Typen, die gerade den Durchbruch geschafft haben – alle Fotos, die ihr auf Facebook postet, wirken wie eine Horde Teenager auf Klassenfahrt.

Winston Marshall: Nun ja, Marcus ist der Ernsthafte von uns. Manchmal spielt er quasi den Pädagogen und holt den Rest sehr sachlich runter. Ich meine, wir sind vier Männer, die permanent aufeinander hängen und da kann es schon chaotisch zugehen.

motor.de: Ach ja?

Winston Marshall: Willst du das wirklich wissen? Wie alt sind eure Leser? Die Story ist nicht jugendfrei, Vorsicht!

motor.de: Das ist kein Problem, wir geben die Antwort erst ab 18 frei – wenn sie so schlimm ist.

Winston Marshall: Vor zwei Monaten waren wir in Los Angeles nach einem kurzen Gig zu einer Privatparty eingeladen. Ich kannte da niemanden und während Marcus irgendwann zu Bett wollte, blieb ich einfach noch eine Weile vor Ort. In der Küche stehend, hörte ich aus dem Wohnzimmer weibliches Gegröle und wollte wissen, was da los ist: Machte die Tür auf und drinnen war ein Stripper zu Gange, der sich gerade einen Dildo umschnallte – als mich sein Bodyguard ermahnte, ich solle bitte draußen bleiben, weil “Girls only”, weigerte ich mich, denn es war äußerst spannend zu sehen, wie die Show weiterging. (stockt)

motor.de: Und dann?

Winston Marshall: Der Stripper bekam Wind, fühlte sich von mir aus dem Konzept gebracht und rannte wie ein Irrer mit dem Dildo in der Hand auf mich zu: “Ich mach dich platt” oder so schrie er, als ich vor dem äußerst Respekt einflößenden Dildo flüchtete. (lacht) Der aussah wie eine Waffe und man erklärte mir im Nachhinein, es handelt sich um einen Drilldo, fiese Teile – google die mal!

motor.de: Ähm, wie lief es eigentlich mit den Aufnahmen zur neuen Platte, um kurz über “Babel” zu sprechen.

Winston Marshall: Die waren super. (beruhigt sich kurz) Auf dem Album sind einige Songs, die mehr als drei Jahre auf dem Buckel haben und diese endlich aufnehmen zu dürfen, war toll. Du musst wissen: Die Mumford & Sons-Setlist hat sich seit “Sign No More” nicht wirklich verändert, vieles von “Babel” war schon dabei, noch bevor wir überhaupt an die Platte gedacht haben.

motor.de: Ist praktisch, konntet ihr die Sachen bereits testen?

Winston Marshall: Genau, den Livecheck haben viele Songs hinter sich. Letztens, nachdem die Songliste von “Babel” bekannt gegeben wurde, habe ich auf Youtube sogar eine Playlist gefunden, in der 2/3 der neuen Tracks als Liveaufnahmen aneinandergereiht wurden – das ist natürlich super.

motor.de: Haben wir in der Redaktion schon immer vermutet, dass Bands sich selber googlen.

Winston Marshall: Gut… (wedelt mit den Armen) Kurz vor der Veröffentlichung schaut man natürlich schon, ob etwas im Netz gelandet ist oder nicht. Auf diesem Wege habe ich die Playlist entdeckt und finde es schade, dass sie inzwischen nicht mehr auffindbar ist. Der Rest wollte sie auch mal hören.

motor.de: Habt ihr Angst, dass all die Fürsprecher sich nach dem Debüt vielleicht ein paar Erwartungshaltungen zu viel machen?

Winston Marshall: Damit können wir – wie bereits erwähnt – gut umgehen. Wir machen Folk auf klassischen Instrumenten und niemand wird uns einen Strick daraus drehen, dass sich Einiges von dem, was sie bereits kennen, wiederholt. Ich habe gestern die neue The xx gehört und finde es ebenso schön, dass die Platte mir bekannt und vertraut vorkommt – ähnlich wie sie, haben wir auch Neues ausprobiert. In einem gewissen Rahmen, zugestanden.

motor.de: Im Zuge von “Sign No More” wurdet ihr mehrmals für den Grammy nominiert und habt ihn frecher Weise nicht erhalten – mit “Babel” müsste der doch bei euch landen, oder?

Winston Marshall: (grinst) Der Grammy ist das einzige Ziel, was wir mit dem zweiten Album verfolgen – wir haben es quasi nur für die Show aufgenommen und ich freue mich auf die Augen des Strippers, wenn er mich mit dem Preis in der Hand sieht: “Ey, das ist doch der Vogel, der meine Show sabotiert hat!!” (lacht lange) Alles Quatsch, Hauptsache es gefällt den Leuten, der Rest ist egal.

Text, Interview: Marcus Willfroth