The Duke Spirit ist das letzte Mittel gegen blöd-lustige Indiebands, wo keine Cure mehr geholfen hat.
Wäre der Rock´n Roll ein Land, so verbände dort ein Superhighway die Metropolen Beatlestadt, Pistolpark und Noelsville. Die weniger gängigen Routen durchs Rockland verliefen dafür vielleicht vorbei am Velvet Underground, der Joy Division und der Nick Cave. Und genau in diesem nicht so gängigen dafür aber geistreichen Garage-Terrain trifft man auch auf die fünf Londoner Kunststudenten von The Duke Spirit.
Vorgeschichte: Sängerin Liela Moss, Bassist Toby Butler und die Gitarristen Dan Higgins und Luke Ford schließen sich im Frühjahr 2003 (nach einer durchgemachten Nacht) mit dem Schlagzeuger Olly Betts zusammen, um im Oktober die EP „Roll Spirit Roll“ auf dem City Rockers Label zu veröffentlichen, die im selben Jahr in die Top 50-Albumliste des NME einzieht. Im Mai 2004 folgt die Single „Dark Is Light Enough“. Die französische Vogue interessiert sich plötzlich für den „Humana-Look“ der Band und ist sich dann nicht zu schade, The Duke Spirit als die neuen Blondie auszurufen.
Doch der Vergleich, so äußerlich schön er passt, hinkt. Mehr als sich mit Debbie Harry vergleichen, lässt sich Liela Moss im gesanglichen Panorama einer Polly Jean Harvey, Karen O, Kim Gordon und Patti Smith platzieren und vor allem an Velvet Undergrounds düsterer Frontlady Nico messen. Ford, Butler, Higgins und Olly „The Kid“ gehen mit ihr den ganzen Weg von dirty Blues und sexy Rock´n Roll über Paisley Psychedelia bis hin zu Prog-Rock. Dem Londoner Stadtmagazin TimeOut beschrieb das Quintett seine Musik als „rauen und brutalen Sound, der etwas herzerwärmendes, optimistisches melodisches und souliges umschließt.“ Die Liste der herzoglichen und gar nicht herkömmlichen Einflüsse von The Duke Spirit ist lang und befindet sich auf ihrer Webseite unter „The Duke´s Alphabeth“. Sie fängt mit dem Archie Bronson Outfit an und endet mit Zorba dem Griechen.
Wäre Moss in ihrer Schulzeit nicht so ein Freak gewesen, sänge sie vielleicht jetzt in einer Blondie-Revivalband und spielte dort ihr Tambourin, und es gäbe keine großartigen Duke Spirit auf diesem Planeten. Dem NME vertraute Liela, das einstige Einzelkind an, dass sie in der Schule immer einen schlimmen Kurzhaarschnitt tragen musste, Pickel und Übergewicht hatte und dem allgemeinen Mobbing nur mit dem Schreiben von Songs entkam, aus dem Liela eine gewisse Würde zog. Der Bandname kam später über so ein zerfleddertes Selbsthilfebuch, in dem es darum ging, dass „jeder wie ein Herzog sein kann.“ Im Geiste. „Uns adelt die Musik“, beschreibt es Gitarrist und Hauptkomponist Luke Ford. Entsprechend das Motto der Band: Stil ist Unsinn! Rock´n Roll ist nobel!
Was sie vom Gros der neuen britischen Garagebands unterscheidet, ist ihre Natürlichkeit, die Selbstverständlichkeit mit der sie ihren Duke-Spirit durchziehen. Auch wenn die Presse unzählige Referenzen ihres im Mai erschienenen Debutalbums „Cuts Across The Land“ zu entdecken wusste: mit den frühen Stones, Captain Beefheart, The Jesus And Mary Chain, Mazzy Star, Black Rebel Motorcycle Club, My Bloody Valentine, Sonic Youth, bereits erwähnten Nick Cave und The Velvet Underground, ist ihr Sound „surprisingly galvanized and consistent“, wie ein britischer Rockkritiker schrieb, „überraschend gleichströmend und konsistent.“ Ihre Inspirationen sind so transparent wie die Umsetzung derselben umso einmaliger ist.
Überwiegend von Moss (Lyrics) und Ford (Musik) geschrieben, haben zwei der wichtigsten britischen Produzenten der Post-Punk-Ära das Rohmaterial von „Cuts Across The Land“ zu dem Meisterstück gemacht, das es ist. Erstens: Der unsichtbare und gleichzeitig allgegenwärtige Mark Ellis alias Flood, er arbeitete in den frühen 80ern mit Wave-Bands wie New Order, Soft Cell und Cabaret Voltaire, bevor er Nick Cave & the Bad Seeds, U2, PJ Harvey und die Smashing Pumpkins produzierte. Simon Raymonde, der die andere Hälfte von „Cuts Across The Land“ produzierte, ist vielen als der Bassist der Cocteau Twins in Erinnerung. Später gründete er das Bella Union-Label, auf dem er u.a. Czarz, Lift To Experience und Rothko betreute.
Unter der Ägide dieser beiden Super-Vets wurden die Highlights des Albums („Darling, You´re Mean“, „Hello To The Floor“ „Lovetones“ „Lion Rip“) zur Offenbarung. Allein die ersten paar Takte des Openers und Titeltracks „Cuts Across The Land“ ziehen einem direkt in den Brustwarzen. Ihre aktuelle Single „Love Is An Unfamiliar Name“ hat die Band großzügig ans Ende ihres Debutalbums geschoben. Und wenn Liela Moss im letzten Titel „Red Weather“ völlig außer sich „I´m excited by the noise!“ schreit, muss das einfach anstecken, das Album gleich noch mal von vorn gespielt werden.
The Duke Spirit verweilt gern im Dunkeln, steht gern im Regen, kein Zweifel. Doch kommen sie nie als Klischee-Grufties rüber, verbreiten stattdessen Sehnsucht und sind dabei vollkommen ehrlich, vollkommen fertig, wütend, leidenschaftlich und wundervoll. The Duke Spirit hat schon im Debutalbum verstanden, wie man durchgeknallten Wahnsinn mit nachdenklicher Emotion verbindet. Stil ist Unsinn! Rock´n Roll ist nobel!
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