Mit “Apocalyptic Love” veröffentlicht Slash sein zweites Soloalbum – im motor.de-Interview erklärt er, warum Tränen nicht sein Ding seien, der Verzicht auf Alkohol klarginge und Rock’n’Roll mehr Schein als Sein für ihn darstellt.

(Foto: Travis Shinn)

Mehr Glamour als im Hotel de Rome am Berliner Gendarmenmarkt ist kaum möglich und der fünf Sterne-Laden passt heute bestens zu Slashs’ Laune: Knapp zwanzig Jahre nach dem Ende seiner Mitgliedschaft bei einer der größten Rockbands aller Zeiten namens Guns N’Roses, ist der Herr im Middle-Age-Modus angekommen – relaxed und mit einer unzerstörbaren Aura nimmt er auf dem luxuriösen Sofa im Herrenstil Platz, trägt pflichtschuldig seine Sonnenbrille und wirkt erstaunlich professionell und aufgeräumt. “Wie geht es euch?”, empfängt er seine Gesprächspartner kurz und rückt die Mütze auf dem Wuschelkopf zurecht. Ein wenig kürzer sind die Haare geworden und der leichte Bauchansatz zeigt, dass die wilden Zeiten hinter ihm liegen. Eine Familie wartet schließlich daheim und es ist wunderbar anzusehen, wie seriös Slash den eigenen Job zu meistern weiß.

Natürlich gibt es im Zuge dessen Restriktionen: Fragen nach Guns N’ Roses sind verboten, die Kids dürfen auch nicht thematisiert werden und aktuelle Wasserstandmeldungen zum ehemaligen Bandkollegen Axel Rose ebenso wenig. Was allerdings nicht verwunderlich ist, denn die Schlammschlacht Mitte der Neunziger Jahre ging durch die gesamte Presse; Songs mussten gestrichen werden und “Chinese Democracy” war 2008 ein ganz anderes Guns N’ Roses-Comebackalbum, als es mit Slash im Schlepptau geworden wäre. Für sein neues Werk “Apocalyptic Love” hat er sich hingegen Schützenhilfe an Bord geholt: Die Texte stammen von Alter Bridge-Sänger Myles Kennedy und dieser sang sie auch gleich selbst im Studio ein. Trotzdem definiert sie Slash als seine zweite Soloplatte.

Im motor.de-Interview sprachen wir mit einem der bekanntesten Gitarristen der Welt wie es mit dem eigenen Wohlbefinden bestellt ist, erfuhren, dass manche Stories um seine Person reiner Mythos sind und welche Tipps er für nacheifernde Newcomer am Start hat.

motor.de: Das ging ja flink, keine zwei Jahre nach dem Debüt gleich der Nachfolger – scheint, als wärst du motivierter denn je.

Slash: Nicht wirklich, ich schreibe eigentlich pausenlos an neuen Songs und was die Motivation angeht: Wenn man sich für das Musikerleben entscheidet und es wirklich ernst meint, darf man sich nie auf den Lorbeeren ausruhen – so funktioniert das Business nicht.

motor.de: Kann es aber nicht hemmend sein, wenn man Slash ist und sowohl die alten Fans als auch das neue Publikum befriedigen muss?

Slash: In solchen Kategorien denke ich nicht. Es gibt den Drang nach neuen Material in mir und wenn jemand meint, dass nicht mögen zu müssen, dann ist das seine Entscheidung. “Apocalyptic Love” ist ein Angebot, die Nachfrage – um es mal so auszudrücken – kann ich nicht bestimmen.

motor.de: Dein aktueller Sidekick Myles Kennedy meinte jüngst, dass er eine gewisse Melancholie in deinem Gitarrenspiel zu erkennen glaubt – bist du ein sensibler Mensch?

Slash: Ja, in gewisser Weise schon.

motor.de: Kann man sich nur schwer vorstellen: Slash gefühlig mit Tränen in den Augen.

Slash: Ich weine auch nicht, bin keine Heulsuse. (lächelt leicht) Allerdings genauso wenig der klassische Handwerker, der sein Instrument erlernt hat und mathematisch damit umzugehen weiß.

motor.de: War es schwer, Myles die Kontrolle über Text und Gesang zu überlassen?

Slash: Nein, überhaupt nicht. Er ist kein Unbekannter und hat bereits den einen oder anderen Künstler supportet und eine eigene Band. Da darf man sich kein falsches Bild machen: Ich bin in Sachen Zusammenarbeit ein zugänglicher Typ.

Slash – “You’re A Lie” (feat. Myles Kennedy & The Conspirators)

motor.de: Du gehörst der Generation von Musikern an, die in der goldenen Zeit berühmt geworden sind. Wie viel vom Sex, Drugs & Rock’n’Roll-Mythos entspricht der Wirklichkeit?

Slash: Oh man, das wurde ich schon so oft gefragt (schaut angesäuert weg). 

motor.de: Die Frage stellt sich nur deswegen, weil du gerade mit Mötley Crüe durch die Lande ziehst und deren Autobiographie “The Dirt” liest sich abenteuerlich.

Slash: Klar, die waren jung, auf Tour und da erlebt man manchmal Situationen wie bei einer Klassenfahrt ab 18 – es wird viel gefeiert und so. Die Realität ist das hier: In einem Hotel neun Stunden Interviews geben und dazu musst du als Musiker bei aller Freiheit auch in der Lage sein, sonst geht es nach hinten los.

motor.de: Würdest du sagen, dass sich in den vergangenen 20 Jahren deine Einstellung zum Leben und zur Musik verändert hat?

Slash: (schaut erneut missmutig) Logisch entwickelt man sich weiter, aber die Grundeinstellung zu all diesen Bereichen ist die Gleiche geblieben.

motor.de: Fällt es dir schwer auf Alkohol zu verzichten und nach den Auftritten direkt ins Hotelzimmer zu fahren?

Slash: Ich habe mein Leben auf ein gesundes Level heruntergeschraubt. Eines, auf dem nichts tabu ist. Sich seinen Ängsten zu stellen, das habe ich damals in der Therapie gelernt und heute ist der Alkohol kein übler Dämon mehr. Eher etwas, dass ich mit sehr viel Respekt behandle.

motor.de: Aus einer gewissen Respektlosigkeit heraus, so heißt es, soll 2008 deine Autobiographie “Slash” entstanden sein.

Slash: Ich habe sie geschrieben, um ein paar Dinge klarzustellen. Als das alles Ende der Achtziger losging, gab es noch kein Internet – inzwischen kann jeder seinen Senf abgeben und viel Blödsinn verzapfen. Es gibt so dumme Stories über mich, dass es mir ein Anliegen war, die Leute aufzuklären.

motor.de: Eine Frage, die im Buch nicht beantwortet wird: Im Video zu “November Rain” verlässt du für das Gitarrensolo eine Kirche. Die von innen aussieht, als handle es sich um die Westminster Abbey – von außen aber klein wie eine Dorfkapelle wirkt. Fiel das niemandem auf?

Slash: Es sollte eine gewisse Intimität erzeugt werden, glaube ich. (Überlegt) Mir war das damals schon wurscht und stört mich heute immer noch nicht.

motor.de: Welchen Ratschlag hast du derweil für junge Bands in petto?

Slash: Sie müssen es wirklich wollen, darauf kommt es an. Ich sage hier nicht, Finger weg von allen verbotenen Sachen, sondern: Achtet auf eure Einstellung und was ihr langfristig wollt. Einfach nur Rockstar werden, ist nicht genug.

motor.de: Sag abschließend doch bitte, welchen guten Newcomer du empfehlen kannst?

Slash: Bestimmt tausend großartige! Ich kann mir nur leider keine Namen merken und deswegen jetzt nicht mit Tipps um mich werfen. Beim nächsten Mal bin ich auf diese Frage besser vorbereitet, versprochen.

Text: Marcus Willfroth
Interview: Marcus Willfroth u. Sebastian Weiß