Ausnahmsweise ist an den Gerüchten sogar etwas dran.
Denn schon bald wird man den „Right Stuff“ tatsächlich wieder an jeder Straßenecke hören können. Glücklicherweise läuft dieses Mal auch sonst alles richtig und rund.
New Kids On The Block – heute fünf erwachsene Männer, die ein für alle Mal definiert haben, wie eine moderne Boygroup zu klingen und auszusehen hat – sind zurück. Erstmalig seit fünfzehn Jahren präsentieren sie sich wieder gemeinsam mit ihrem Album „THE BLOCK“.

An einem Nachmittag im März sind Jordan Knight, Jonathan Knight, Joey McIntyre, Donnie Wahlberg und Danny Wood in einem kleinen Studio in Los Angeles versammelt. Gewiss sind sie alle ein paar Tage älter geworden, sie wirken aber noch genauso frisch, genauso fit und vor allem darauf erpicht, nicht einfach nur ihren beeindruckenden Nachlass zu verwalten, sondern die Musikwelt um etwas durch und durch Neues und Bedeutungsvolles zu bereichern. In den späten Achtzigern und frühen Neunzigern, damals tatsächlich noch Kids bzw. Teenager, waren die New Kids On The Block ein absolutes Phänomen, die Pop-Sensation schlechthin: Insgesamt verkauften sie über 80 Millionen Alben, und während die LPs „Hangin’ Tough“ aus dem Jahr 1988 und „Step By Step“ (1990) nacheinander international an die Spitze der Charts gingen, veröffentlichten sie zugleich eine ganze Serie von Mega-Hits wie „You Got It (The Right Stuff)“, „Cover Girl“, „Didn’t I (Blow Your Mind This Time)“, „Hangin’ Tough“, „I’ll Be Loving You“, „Step By Step“ und „Tonight“, um nur einige zu nennen. Dass sie auch unzählige Konzerttickets, T-Shirts und sogar eine nicht unerhebliche Zahl von Brotdosen an ihre hauptsächlich weiblichen Fans verkauft haben, dürfte ebenfalls weitestgehend bekannt sein. Nachdem sie mit Maurice Starr, der zuvor schon die Gruppe New Edition bekannt gemacht hatte, ihren Produzenten gefunden hatten, avancierten die New Kids binnen kürzester Zeit zu einem bahnbrechenden popkulturellen Phänomen.
„Ich denke, dass die Geschichte ziemlich wohlwollend mit uns umgegangen ist“, sagt McIntyre. „Ich will zwar nicht behaupten, dass wir wirklich wichtig waren, aber die Leute erkennen immerhin unseren Platz in der Popgeschichte an. Wir haben sogar schon lesen können, dass wir `Boygroups wie die Backstreet Boys und *NSYNC gezeugt´ haben. Und wenn man so will, haben all diese späteren Bands dazu beigetragen, dass unser Sound noch zeitgemäßer rüberkommt. Sie haben uns jünger gemacht, indem wir zu ihrer Generation gezählt wurden. Aber was bitte ist mit New Edition? Ohne die hätte es die New Kids nie gegeben! Und selbstverständlich hatten auch die ihre direkten Vorfahren: The Jackson Five haben New Edition hervorgebracht. So gesehen waren wir dann doch nicht die erste Boyband, sondern höchstens die erste weiße Boyband.“
Inzwischen haben vier der fünf Kids selbst Kids; dazu haben sie auf unterschiedliche Art und Weise Karriere gemacht; und so war ihre Entscheidung, wieder zusammen Musik zu machen, ein erfreulicher und wohl überlegter Entschluss, den sie überaus ernst nehmen. Daher haben die erwachsenen NKOTB dieses Mal, trotz der Unterstützung von Interscope Records und dem Azoff Management-Team, das Heft auch komplett selbst in die Hand genommen und präsentieren nur brandneue Songs, die sie selbst entdeckt und finanziert haben.
„Wir sind keine Kids mehr, heute wir sind einfach nur die Jungs“, sagt ein lächelnder Donnie Wahlberg, der sich gerade von den Aufnahmen erholt, mit denen sie vergangenen Winter begonnen haben. Lange Jahre gegen eine Wiedervereinigung der New Kids On The Block, hat Wahlberg, der in der Zwischenzeit beachtliche Erfolge als Schauspieler feiern und sich nicht über fehlende Aufträge beklagen konnte, von Anfang an betont, dass er keinerlei Interesse daran hat, einfach nur den Namen der New Kids in Bares zu verwandeln. „Im Laufe der Jahre hatten wir so viele Angebote von so vielen Leuten, doch für mich kam diese Art des Ausverkaufs nie in Frage“, sagt er rückblickend. „Wir haben die New Kids nie verkauft. An niemanden. Und bis zu dem Tag, an dem wir uns vor zwei Monaten im Aufnahmestudio in Orlando getroffen haben, hatte ich 15 Jahre lang nicht mit den anderen Jungs im selben Raum gesessen.“
Und, wie gesagt, sind es dieses Mal „die Jungs“ selbst, die das Sagen haben.
„Wir haben einfach die Initiative ergriffen, anstatt uns überall vorzustellen und Leute bei irgendeinem Label um Hilfe zu bitten“, erklärt McIntyre. „Wir haben auf eigene Faust mit den Aufnahmen losgelegt, und zwar aus dem simplen Grund, dass wir loslegen wollten und bereit für diesen Schritt waren. Wir haben diese Wiedervereinigung komplett selbst ins Rollen gebracht – nur wir allein.“
Vielleicht hätte es nie ein neues New-Kids-Album gegeben, wenn Wahlberg nicht für eine Kostümanprobe in New York gewesen wäre; für den Film „Righteous Kill“, in dem er sich einen anderen Lebenstraum erfüllt, indem er erstmalig an der Seite von Robert DeNiro und Al Pacino spielt (wobei auch 50 Cent mit von der Partie ist). Da er gerade in der Nähe war, ging Wahlberg im Büro seines Managers Jaimie Roberts vorbei, der ihm das Demo-CD eines jungen Singer/Songwriters namens Nazaree in die Hand drückte. Seit den frühen Neunzigern, als Donnie abgesehen von den NKOTB-Erfolgen auch für seinen Bruder Mark (als Markey Mark & The Funky Bunch) diverse Hits produzierte, hat er Berge von Demos bekommen. So hatte er auch dieses Mal keinerlei Erwartungen, als er die Aufnahmen in seine Tasche steckte.
Doch als er die CD ein paar Tage später in seinem Auto einlegte, hörte Wahlberg zwei Stücke, denen er nicht widerstehen konnte: „Das war an meinem Geburtstag; ich war gerade in Boston, stieg ins Auto und legte die CD ein“, erinnert er sich. „Der erste Song hieß `Click, Click, Click´, und schon beim ersten Ton packte mich dieses Stück und ließ mich nicht mehr los. Ich wartete regelrecht auf einen Fehler, auf eine Schwachstelle in diesem Song, aber sie kam und kam nicht. Im Gegenteil: Mir wurde sofort klar, dass Joey McInytre diesen Song lieben würde, dass Jordan Knight auf diesen Song abgehen würde, und dass ich mich schon zu diesem Zeitpunkt in dieses Stück verliebt hatte. Der Song vereint sämtliche Dinge, auf die wir stehen – und damit meine ich sehr unterschiedliche Dinge: Einerseits waren da HipHop-Elemente, und das Stück klang absolut ehrlich, was mir sehr wichtig ist. Dann gab es Soul-Elemente, was Jordan wichtig ist; und schließlich noch Pop-Aspekte wie Joe sie mag. Der Track hatte einfach alles! Also habe ich die nächsten paar Stunden damit verbracht, irgendwelche Mädels an der Ampel anzusprechen und ihnen das Stück vorzuspielen; sie fragten: `Ist der von dir?´ Und ich antwortete: `Noch nicht.´“
Nachdem sich Wahlberg jahrelang gegen eine Wiedervereinigung von NKOTB ausgesprochen hatte, hatte „Click, Click, Click“ ihn vom Gegenteil überzeugt; voller Tatendrang fuhr er noch in derselben Nacht zu Jordan Knight, um ihm die Songs vorzuspielen. „Ich sagte ihm: `Jordan, jetzt ist der richtige Moment für unser Comeback gekommen!´ Dann hörte sich Jordan den Track an und war sofort überzeugt. Dann schickte ich die Songs per E-Mail an Joe, und er war auch vollkommen aus dem Häuschen – und wichtiger noch: Seine Frau brach sofort in Tränen aus. Also zückte ich mein Scheckheft und die Arbeit konnte losgehen.“
Was an diesem Tag losging, war jedoch eher eine Mission, ein neuer Auftrag – und weniger ein Comeback.
„Nun, mir wurde schon sehr bald klar, dass man die Selbstachtung und die Qualitätsstandards, die ich als Schauspieler an den Tag lege, nur sehr schwer als Musiker einhalten kann“, erläutert Wahlberg. „Schließlich war ein großer Teil unserer damaligen Entwicklung von anderen gesteuert. Es gab da diese Retorten-Aspekte – wobei der ganze New-Kids-Apparat eigentlich erst zum Zuge kam, als wir schon die ersten Schritte auf eigene Faust gegangen waren. Vorher lagen alle Entscheidungen bei uns. Maurice Starr war für unseren Erfolg zuständig, aber wir haben vorher auch ohne ihn Musik gemacht. Ich hab mir im Laufe der Jahre immer wieder gewünscht, die Gruppe einmal in dieser authentischen Konstellation zu sehen, als echte Musiker, vor denen man Respekt haben kann. Das war mein Ziel, und ich wollte eben nicht bloß an den Ruhm und die Hysterie von damals anknüpfen. Insofern geht es wirklich um weitaus mehr als ein Comeback; es geht letzten Endes darum, etwas zu unternehmen und etwas zu kreieren.“
In den kommenden Monaten arbeiteten Wahlberg und die Kids sehr viel mit Nazaree, der, wie sich herausstellte, schon seit seiner Kindheit ein Fan von NKOTB ist; darüber hinaus trafen sie sich auch mit anderen hochkarätigen Produzenten und Songschreibern wie Bryan-Michael Cox, Emanuel Kiriakou, RedOne und Fernando, um nach und nach ein Album aufzunehmen, das den eingängigen Soul-Pop der „klassischen New Kids“ mit dem HipHop-Sound des Jahres 2008 vereint.
„Donnie hatte Recht“, sagt McIntyre. „Die neuen Songs haben dieses ganze Projekt zu neuem Leben erweckt, daher kann von Abkassieren und bloßer Nostalgie nicht die Rede sein.“
„Genau. Ich mache wieder Musik, weil ich darin eine großartige Chance sehe und weil ich an dieser Herausforderung wachsen kann. Es ist eine ganzheitliche Erfahrung. Man muss sich das wie Chemikalien vorstellen: Isoliert haben sie ihre Eigenschaften und ihr Potenzial, aber wenn man die richtige Mischung anrührt – BAMM! Ich finde es großartig, wieder dabei zu sein und zu sehen, was im Studio passiert. Das ist pure Magie. Es ist wirklich etwas ganz Besonders, das nur wir zusammen kreieren können. Teil von etwas Größerem zu sein, das ist es, was diese Erfahrung so besonders macht“, sagt Jordan Knight.
Fragt man McIntyre nach der Bandauflösung vor 15 Jahren, erklärt er: „Wir wurden gefeuert, das war’s. Was uns in den Jahren zuvor passiert war, hat alle umgehauen, und keiner konnte so recht verstehen, was da eigentlich passiert war. Wir mussten Erfahrungen sammeln und haben die Regeln des Musikgeschäfts aus erster Hand gelernt. Heutzutage kennen die meisten jungen Gruppen diese Regeln schon vor der Bandgründung und planen dementsprechend. Doch als wir anfingen, da wären wir nicht mal im Traum auf die Idee gekommen, schon zwei Jahre später in riesigen Stadien zu spielen. Als wir dann unsere Tourauflagen zu Beginn der Neunziger erfüllt hatten, wollten wir einfach nur nach Hause. Wir hatten uns weiterentwickelt, und auch die Musikwelt hatte sich grundlegend verändert. Grunge war plötzlich das nächste große Ding. Rock’n’roll war wieder da. Wir haben die Tür nie zugeschlagen – stattdessen sind wir einfach stillschweigend weitergezogen. Außerdem waren wir an einem Punkt angekommen, an dem man deswegen keine große Pressekonferenz einberufen musste; das hätte so oder so niemanden interessiert.“
„So läuft das halt, wenn du Teil einer Boygroup bist“, sagt Wahlberg. „In gewisser Hinsicht hatten wir viel mehr Mitspracherecht als die Leute wahrhaben wollten. Andererseits kann man in einer solchen Situation so gut wie nichts kontrollieren.“
Wirft man nun jedoch einen Blick ins Studio, macht es den Eindruck, dass die fünf New Kids die Situation heute sehr gut unter Kontrolle haben. Jeder steuert seinen Teil bei, und die Chemie stimmt einfach: „Ich denke, in unserem Fall ist ausschlaggebend, dass wir uns schon immer in erster Linie als gute Freunde betrachtet haben – wir sind Buddys“, erklärt Joey McInytre. „Das hier ist kein Casting, keine Talent- oder Reality-Show. Wichtig ist, dass der Business-Aspekt nie an erster Stelle stand. Ja, nicht einmal an zweiter Stelle. Das Geschäft kam immer erst an letzter Stelle. Schließlich sind wir Freunde geblieben und haben uns keine Schlammschlacht geliefert, was echt frustrierend gewesen wäre. Diese Tatsache ermöglicht uns, nach so vielen Jahren wieder in einen Raum zu kommen, abzuhängen und Spaß zu haben. Natürlich fühlt es sich anders an als früher – irgendwie professioneller und besser organisiert –, aber unterm Strich sind wir immer noch eine Hand voll Typen, die Musik machen wollen und alles für eine unvergessliche Show geben.“
Zwar planen die New Kids derzeit noch ihre nächste große Tour, doch steht schon jetzt fest, dass sie nicht einfach nur ihre alten Mega-Hits aufwärmen wollen: „Auf keinen Fall! Ich will, dass diese Tour eine Wiedergutmachungs-Tour wird – wobei ich nicht an uns denke“, erklärt Wahlberg. „Es soll eine Wiedergutmachung für die Fans sein! Ich will sie unterhalten, ihnen etwas ganz Besonders bieten, etwas, das sie so noch nie gesehen haben. Und ich will dafür sorgen, dass sie so zufrieden und glücklich aus dem Konzert kommen, dass ihnen klar wird, dass sie keinesfalls verrückt waren in all den Jahren. Dass sie damals auf die richtige Band gesetzt haben, und dass es sich gelohnt hat, auf die Rückkehr dieser Band zu warten.“
Damit keine Missverständnisse entstehen: Die New Kids wollen schon alle ihre großen Hits spielen – aber eben auch die ganz neuen Songs! „Unsere alten Songs sind nicht gerade der Standard-Sound – die waren ziemlich cool –, und so wird es sicherlich wahnsinnig viel Spaß machen, sie in unserer neuen Show zu präsentieren. Schließlich kommen die Leute in erster Linie, um diese Stücke zu hören; darum werden wir sie auch in diesem klassischen Sound zum Besten geben. Wir werden unsere drei größten Hits mit Sicherheit nicht in Reggae-Stücke umwandeln, und zwar aus dem einfachen Grund, dass ich solche Experimente nicht ausstehen kann! Wir hatten so um die zehn Top-10-Hits; wenn wir die also spielen und noch fünf neue Stücke präsentieren, dann haben eine verdammt gute Show, eine Hammer-Show. Wir werden den Leuten auf jeden Fall das geben, was sie hören wollen!“
Wie also wird so ein Konzert der New Kids On The Block im Jahr 2008 aussehen?
„Wir sind immer noch jung, wir sind immer noch heiß“, antwortet ein lachender McInytre. „Unsere alten Fans sind heute zwischen 25 und 35, schließlich waren die damals noch richtig jung! Sie sind immer noch wahnsinnig attraktiv – und dazu in einem Alter, in dem man gegen keine Gesetze verstößt. So gesehen wird’s wohl eine Party für die Girls! Ich weiß zwar, dass mich meine Frau auf Schritt und Tritt überwachen wird, aber es wird trotzdem wahnsinnig lustig werden!“
Ja, die Wartezeit war ziemlich lang, aber jetzt wird es nicht mehr lange dauern.
„Der Schneeball wächst und wächst“, fügt McIntyre abschließend hinzu, während er und seine vier Kollegen sich wieder an die Arbeit machen. „Er steht oben am Hang und rollt genau jetzt los.“

Bio@Universal