In der Diskussion um das Urheberrecht im digitalen Wandel gab es bislang zwei starke Stimmen. Zum einen Contentwirtschaft und Verwertungsgesellschaften, zum anderen die sogenannte Netzgemeinde. Erstere möchten ihre erfolgreichen Geschäftsmodelle schützen oder zumindest nur langsam umstellen. Die Netzgemeinde dagegen will die im digitalen Raum erlangte Freiheit verteidigen.

Die Urheber melden sich zu Wort

Reflexartig haben sich die Konservativen auf Seiten der Verwerter geschlagen und fordern Kontrollmaßnahmen. Dagegen haben liberale Parteien wie FDP und Piraten die Netzfreiheit im Fokus. Erst seit kurzem kommt eine dritte Stimme zu Wort: die Urheber. Seit der Autor und Musiker Sven Regeners seinem Ärger über Urheberrechtsverletzungen mit einer spontanen Wutrede im Bayrischen Rundfunk Luft machte, verschaffen sich die Kreativen Gehör. Sie, mit deren Ideen und Werken Labels, Verlage, Verleiher, Agenturen und Verwertungsgesellschaften Umsätze erzielen. Sie, deren Ideen und Werke in digitaler Form die Netzgemeinde begeistert.

Nun haben Urheber weder das Kapital noch die Lobbyisten auf ihrer Seite. Sie bilden auch keine gesellschaftlichen Mehrheiten, wie die Nutzer des Internets. Und doch ist es Aufgabe einer verantwortungsvollen und sozialen Politik sich für diese produktive Minderheit stark zu machen. Es gilt, ihre Interessen in den Mittelpunkt zu stellen. Zumal die Urheber die Schnittstelle zwischen der verunglimpften “Content-Mafia” und den unflätig beschimpften “Raubkopierern” sind – und somit die einzigen möglichen Mediatoren im aktuellen Konflikt.

Von kreativer Arbeit leben

Das Problem mit den Urhebern ist jedoch, dass sie eine Gruppe von Individualisten sind, konzentriert auf ihre Kunst. In ihren Positionen und Forderungen sind die Urheber schwer zu einen. Übereinstimmung wird meist von außen erzeugt, etwa beim kürzlich veröffentlichten Appell “Wir sind die Urheber“. Bei dem führte ein Literaturagent die Feder und genau aus diesem Grund sind die Loyalitätsadressen genau wie die Verwerter-Forderungen in den veröffentlichten Texten mit äußerster Vorsicht zu bewerten.

Im Kern geht es den Urhebern – egal ob Regener spricht, oder Agent Matthias Landwehr die Kreativen sprechen lässt – um Vergütung für ihre Arbeit. Dagegen sind weder Industrie noch Nutzer. Allerdings: Die Industrie will die Marketing- und Preishoheit über die Produkte halten. Die politischen Sprecher der Netzgemeinde haben eher pauschale Vergütungsmodelle im Sinn. Für die Urheber ist beides wenig verlockend. Im Mittelpunkt ihres Interesses steht das Werk. Das soll gelesen, gehört und gesehen werden, wie und wo auch immer. Für diese Nutzung wollen die Urheber eine angemessene Beteiligung. Nur so können sie würdig und unsubventioniert von ihrer Arbeit leben.

Neue Geschäftsmodelle fördern, nicht veraltete schützen

Die Geschäftsmodelle der Verwerter basieren auf Kontrolle: Sie wollen die Form (z.B. des Musik-Albums, des geschlossenen Buches, der Zeitschrift als Sammlung von Artikeln, etc.) und den Zeitpunkt der Veröffentlichung (Airplay für Musik bevor sie erschienen ist, vierstufige Verwertungskette der Filmwirtschaft, etc.) bestimmen. Genau das ist im digitalen Umfeld kaum haltbar ohne in die Bürgerrechte der Nutzer einzugreifen.

Es kann nicht Aufgabe der Politik sein, diese Geschäftsmodelle, die sich überholt haben, zu schützen. Die Wirtschaft muss Modelle entwickeln, die den neuen Gegebenheiten entsprechen. Beispiele gibt es bereits. So ermöglicht Spotify den Nutzern Songs zu hören, sobald sie im Radio laufen. Durch Werbeunterbrechungen oder Premium-Abos wird Umsatz gemacht. Derartige Angebote müssen Contentwirtschaft und Verwertungsgesellschaften in all ihren Bereichen entwickeln bzw. ermöglichen, um für Urheber und Nutzer relevant zu bleiben.

Radio Renner auf Bremen Vier vom 8. Mai 2012


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Legale Angebote als Schutz vor Piraterie

Immer wieder wird der Ruf nach Pauschalabgaben laut. Die machen es dem Nutzer auf den ersten Blick einfach, bringen aber zwei Probleme mit sich: Es entwickeln sich keine neuen Angebotsformen und bei der Verteilung kommt es fast zwangsläufig zu Konflikten. Das beweisen bereits existierende Pauschalabgaben wie die Leer-Medienabgabe. Hier werden die Verteilmodelle (wie zB. Rundfunkeinsätze bei Musik als Schlüssel) zu Recht immer wieder als ungerecht angeprangert.

Im Sinne des Urhebers braucht es eine Politik, die das Vergüten über das Verbieten stellt. Die Urheber sind an der wirtschaftlichen Nutzung ihrer Werke interessiert. Es bedarf Geschäftsmodellen, die mindestens so gut sind wie die illegalen Angebote. Die zu etablieren ist der wirksamste Schutz vor Piraterie.

Was neuen Entwicklungen betrifft, ist Deutschland bisher ein Negativbeispiel. Neun Jahre lang gab es keine Einigung zwischen GEMA und Bitkomm über die Vergütung pro Download. Die Konsequenz: Die Akteure mussten die von der GEMA geforderte Maximalvergütung zurückstellen, ihre legalen Angebote wurden deshalb unwirtschaftlich, ihre Anstrengungen bei der Durchsetzung ihres neuen Dienstes deshalb gebremst – Standortnachteil GEMA. Werbung und Kampagnen für legale Downloadanbieter gab es schlichtweg lange nicht. Das hat Konsequenzen. So wird in Deutschland immer noch 83 Prozent des Umsatzes mit Musik über Tonträger gemacht (in den USA sind es weniger als 50 Prozent, in Schweden liegt der Tonträger-Anteil bei 40 Prozent). Das Fatale daran: Die Einnahmen der Künstler sinken, denn die Verluste aus den immer noch fallenden Umsätzen mit Tonträgern können in der somit zaghaft gewordenen, digitalen Verwertung nicht kompensiert werden.

Digitale Verfügbarkeit ist im Interesse der Urheber

Wie werden Urheberrecht, Contentwirtschaft und Verwertungsgesellschaften ihrer Verantwortung den Urhebern gegenüber gerecht? Behindern die aktuellen Rahmenbedingungen die Urheber in ihrem Erlösstreben, feiern Umgehungsangebote Erfolge. Ein Beispiel dafür ist kinox.to, der Ersatz für das abgestellte kino.to genau wie der youtube-Router, der letztlich doch alle Videos frei schaltet.

Die althergebrachten, analogen Geschäftsmodelle werden durch die digitale Verfügbarkeit angegriffen – egal legal und illegal. Es ist deshalb zwingender Auftrag eines Verwerters im Interesse seiner Urheber für eine legale Verfügbarkeit zu sorgen.

Gezahlt wird im Netz immer

Die Verfolgung von Missbrauch sollte sich künftig auf diejenigen konzentrieren, die von der Schädigung des Urhebers profitieren. Die sogenannte “Umsonstkultur” ist eine Schimäre. Illegale Angebote sind nicht von Altruismus getrieben, gezahlt wird im Netz immer. Entweder durch Premium-Zugänge oder Optimierungs-Software. Auch für illegale Angebote, bei denen Werbung die Zeit der Nutzer kostet. Will man diese illegalen Plattformen wirklich austrocknen, sollte man ihnen ein legales Angebot entgegenstellen und sie dann von jeglichen Einkünften abschneiden.

Möglich würde das, indem man Werbetreibende, die von der Reichweite illegaler Dienste profitieren, mitverantwortlich macht. Mediaagenturen könnten verpflichtet sein, nachzuweisen, dass das von ihnen genutzte Medium eine Vereinbarung mit den Verwertungsgesellschaften hat. Ähnliches gilt für Zahlungs-Anbieter wie Paypal und Kreditkartenunternehmen, die den Kauf von Premium-Zugängen und Ähnlichem ermöglichen.

Illegale Angebote sind weder sympathisch noch optimal nutzbar. Im Sinne der Urheber gegen sie vorzugehen, ist deshalb leicht zu kommunizieren. Verbunden mit der Entstehung fairer und legaler Angebote ist das sogar im Sinne des Nutzers. Ein Zusammenspiel aus legalen Angeboten, die mindestens so gut sind wie die illegale Konkurrenz und ein konsequentes Austrocknen von Einnahmequellen derjenigen, die Urheber leer ausgehen lassen, können den Wandeln bringen. Die Politik muss eigentlich nur auf die dritte Stimme hören.