Wieviel “wenig” ist am Ende eigentlich mehr? Und warum betreibt niemand hierzulande Popmusik wirklich ernsthaft? Die deutsche Newcomer Me And My Drummer sprechen über die Kunst der Reduktion und das fehlende Selbstbewusstsein vieler Musiker.

(Foto: Thomas Kierok)

Der Vorhang bleibt den ganzen Abend zu. Leider, findet Charlotte Brandi. Dabei hätte ein Film im Hintergrund zum Ambiente des UT Connewitz in Leipzig – seines Zeichens eines der ältesten noch aktiven Lichtspielhäuser der Republik – gepasst, und sei es nur wegen der zusätzlichen Beleuchtung während des Konzerts. Dieses bestreitet Brandi zusammen mit ihrem musikalischen Partner Matze Pröllochs als Support-Act des norwegischen Singer/Songwriters Einar Stray. Zusammen sind Charlotte und Matze das Duo Me And My Drummer, die kurz vor der Veröffentlichung ihrer ersten Single beim renommierten deutschen Laben Sinnbus stehen. Doch das soll erst der Anfang eines guten Jahres für das Gespann sein. Am Debütalbum wird bereits eifrig geschraubt, selbst während der gemeinsamen Tour mit dem Labelkollegen aus Skandinavien.

Was darf der Interessierte zukünftig also von einer Band erwarten, die lediglich aus Schlagzeug, Synthesizer und Stimme besteht? Eingängige Pop-Songs? Schwebende Traum-Konstrukte? Reduzierte Balladen? Vielleicht von allem ein bisschen. Me And My Drummer halten sich die Zukunft offen, freuen sich aber gleichzeitig auf selbige. motor.de traf Charlotte und Matze nach dem Soundcheck zum kurzen Gespräch.

motor.de: Bei eurem Bandnamen könnte man fast an eine Bandhierarchie denken. Ist das korrekt oder seid ihr im Grunde basisdemokratisch?


Charlotte:
Es läuft prinzipiell demokratisch ab, allerdings jeder in dem Aufgabenbereich, den er vornehmlich beherrscht und am Besten kann.

Matze:
Jeder darf natürlich beim anderen mitreden, aber wir haben auf jeden Fall klare Verhältnisse, was die Sparten angeht. Wir diskutieren also schon, aber es ist keine Hierarchie im klassischen Sinne.

motor.de: Wie habt ihr zwei denn einst musikalisch und menschlich zueinander gefunden?

Charlotte: Am Theater in Tübingen haben wir vor drei Jahren die erste von insgesamt drei Theaterproduktionen zusammen gemacht. Und dann haben wir nebenbei immer gejammt, was sehr gut funkioniert hat. Und so ist dann im Prinzip die Band entstanden.

motor.de: Ihr steht ja seit kurzem beim renommierten deutschen Label Sinnbus unter Vertrag, das uns schon so feine Bands wie Hundreds, Bodi Bill oder eben eurem heutigen Live-Partner Einar Stray bescherrt hat. Wie kam es dazu?

Matze: Wir haben in der Franz Mehlhose in Erfurt gespielt und hatten da einen Support namens Petula, einem Berliner Solokünstler, der ganz gut mit Leuten vom Label befreundet ist. Und der hat uns denen empfohlen und gesagt “Hört euch die mal an.” Wir haben uns dann nach einem Konzert in Berlin getroffen und zusammen geredet. Dann hatten wir sozusagen ein dreiviertel Jahr Zeit, uns gegenseitig kennenzulernen, Musik auszutauschen und dann schlussendlich den Vertrag auszuhandeln.

Me And My Drummer – “You’re A Runner”


motor.de: Und nun erscheint am 20. Januar eine erste Single namens “You’re A Runner” bei besagtem Label. Die A-Seite präsentiert sich eingängig bis euphorisch, die B-Seite “Runner (Reprise)” eher verträumt und schwebend. Worum geht es in den Songs?

Charlotte: “You’re A Runner” ist der dringliche Appell an eine ganz besondere Seele, sich nicht umzubringen. Manche dieser Seelen erleben die berühmten Ups und Downs viel extremer, als andere und einer solchen Freundin ist dieses Lied gewidmet. Es ist quasi eine Konzeptsingle – die Geschichte hat sich sozusagen selbst weitererzählt. Besagte “Runner” soll sich nicht das Leben nehmen und das Finale der A-Seite ist eine Art Appell an das schöne Leben. Die Reprise handelt allerdings davon, dass er sich wider Erwarten doch umgebracht hat und in der Sekunde seines Todes bildet er dann einen Chor mit anderen Seelen, die sich im selben Moment umbringen – prinzipiell tragisch, aber eigentlich doch wieder sehr aus romantischer Sicht schön. Wäre das ein Drehbuch könnte man angesichts des positiven Endes von “You’re A Runner” also von einer Art Twist sprechen.

motor.de: Allein durch eure minimalistische Besetzung – auch live seid ihr nur zu zweit auf der Bühne – habt ihr euch ein wenig der Kunst der Reduktion verschrieben. Wo liegen für euch dabei Stärken und Schwächen?

Matze: Es wird halt von jedem von uns total viel abverlangt. Wir müssen super-präsent sein, wenn wir live auftreten und alles aus uns herausholen, dabei nicht krampfhaft schnell und viel spielen, sondern uns auf das Wesentliche konzentrieren. Die Reduktion hat natürlich Vor- und Nachteile – gerade auf der Bühne muss man sich halt ständig überlegen, wie man die Sounds so umsetzt, dass es am Ende auch richtig voll und fett klingt. Wir hatten aber bisher nie großartig Probleme damit oder das Gefühl, wir bräuchten noch eine weitere Person beim Auftritt, weil es zwischen uns einfach so eingespielt und stimmig ist.

motor.de: Glaubt ihr prinzipiell, dass ein Song besser funktioniert, wenn er aus weniger Teilen besteht und sich auf das Wesentliche reduziert?

Charlotte: Das ist natürlich eine ganz wichtiger Punkt. Prinzipiell bin ich auch gerade auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage “Was ist schön?” Da kamen jetzt Menschen daher, wie James Blake, der quasi nur noch Fragmente liefert und die Reduktion damit unverschämt auf die Spitze getrieben hat. Getreu dem Motto: “Seht her – so wenig und die wesentliche Information ist trotzdem da”. Vielleicht helfen Leute wie er und auch andere Künstler uns, mit weniger zufrieden zu geben. Aber um es mal mit den Worten von Wye Oak zu sagen: Bis dahin lieben wir auch Krach, Bretter und Wände. (lacht)

motor.de: Für den 11. Mai habt ihr außerdem euer erstes Album angekündigt. Nach zwei EPs in Eigenregie ist das sicher auch für euch nochmal ein ordentlicher Schritt nach vorn. Wo würdet ihr dabei die Hauptentwicklung gegenüber vergangenen Produktionen sehen?

Matze: Ich glaube, der große Schritt ist wirklich, dass es jetzt eine eigene Produktion ist. Vorher haben wir ja alle unsere Songs, so wie sie waren, mit eigenen Mikros und Equipment aufgenommen. Jetzt sind wir wirklich ins Studio gegangen, haben mit Tobias Siebert [Produzent von Kettcar, Herrenmagazin, Anm. der Red.] zusammen an den Songs gearbeitet, so dass die am Ende “CD-tauglich” produziert sind. All diese Möglichkeiten hatten wir vorher gar nicht.

Charlotte: Ein großer Unterschied ist auch eine gewisse Bequemlichkeit. Wir waren zwar total misstrauisch und unsicher unseren eigenen Fähigkeiten gegenüber, konnten uns aber doch irgendwie in ein gemachtes Bett legen, da uns Tobias Siebert die Möglichkeit gegeben hat, unseren Sound und unsere Songs auf Platte zu bannen. Du hörst jetzt also das gleiche auf dem Album, was du auch live siehst, auch wenn Tobias mit Tricks gearbeitet hat. Er hat das also absolut ernst genommen, was wir machen und das für ein Debütalbum – also, etwas Besseres hätte ich mir nicht wünschen können.

motor.de: Man ist stets dazu geneigt, Newcomer wie euch auch einen Genre-Stempel aufzudrücken. Ist euch eine Bezeichnung, wie Dreampop zu engstirning oder empfindet ihr das als passend?

Charlotte: (lacht) Ich hab den Wikipedia-Eintrag zu Dreampop mal ernsthaft durchgelesen und er reicht original von Post Rock bis zu absoluten cheesy Hooklines – also es ist wirklich ein super Label, weil sich jeder Mensch darunter vorstellen kann, was er gerade will. Ich finde es auch sehr wichtig, dass wir diese Wandelbarkeit direkt von Anfang an zeigen, behaupten und uns auch beibehalten. Ich will nicht am Ende in irgendeine Schublade geraten, sondern das nächste Album könnte auch ganz anders klingen.

Me And My Drummer – “Runner (Reprise)”

motor.de: Was erwartet ihr euch von der Tournee mit Einar Stray und dem Zusammenspielen mit den Kollegen aus Norwegen?

Matze: Wir wollen auf jeden Fall eine super Zeit haben und viel Erfahrung sammeln. Wir hoffen auch, das viele Leute kommen, was bisher ganz wundervoll funktioniert hat und wir wollen generell viel ausprobieren und weiterkommen. Live spielen ist für uns auf der einen Seite natürlich die totale Erfüllung, auf der anderen Seite auch eine Offenbarung, was Schwächen angeht, an denen wir noch arbeiten müssen. Auf jeden Fall wollen wir unbedingt mehr Konzerte spielen.

motor.de: Und diese Konzerte sind gerade für Newcomer entscheidend. Wie ist eure Einschätzung der Lage dazu in Deutschland, auch in Gesprächen mit anderen Künstlern. Empfindet ihr es als schwer, in eine halbwegs professionelle “Erfolgsspur” zu gelangen?

Charlotte: Ich denke, es ist mehr ein Problem des Selbstbewusstseits anstatt der Technik. Die fähigen Leute gibt es, aber man wird in diesem Land nicht dazu sozialisiert. Also nicht insofern sozialisiert, als das man Popmusik wirklich ernsthaft betreibt – im inhaltichen und nicht kommerziellen Sinne. Das Bewusstsein, die Musik nicht nur klanglich zu optimieren, ist hierzulande in der breiten Masse gar nicht vorhanden. Für den normalen Bürger bleibt das dann so ein amerikanisches Phänomen.

Matze: Das ist ja auch klar, weil der Wert von Musik gerade verloren geht.

Charlotte: Und dann denken sich die Leute “Es kann ja nichts wert sein, weil es nichts gekostet hat.” Also all der Schweiß, die Mühe und das Geld. Ich will und kann da jetzt auch keinen Tipp geben, es ist ja eh erst unser erstes Album. Aber ich schreibe beispielsweise Songs, seit ich 14 bin und habe mich wirklich ganz langsam durch den Brei gegessen und bin jetzt da – das ist einfach Hartnäckigkeit.

Matze: Das ist es eben – dranbleiben, weitermachen und durch alle Höhen und Tiefen kämpfen. Das war bei uns in jedem Fall das A und O. Viele Bands lösen sich einfach zu früh auf, weil einer keinen Bock mehr hat oder wegzieht. Man muss es ernst nehmen und auch kämpfen.

Charlotte:
Aber immer mit einem “Wahrscheinlich” dabei, weil wissen tun wir auch nichts, wir fangen ja gerade erst an. (lacht)

Norman Fleischer