Sebastian Krumbiegel ist einer der Sänger sowie – bei diesem Thema wichtig – “Komponist” und “Textdichter” der Band Die Prinzen und seit einigen Jahren auch solo aktiv. Er ist einer von ca. 3.400 ordentlichen Mitgliedern der GEMA, erfüllt also das Satzungs-Kriterium “in fünf aufeinander folgenden Jahren ein Mindestaufkommen von EUR 30.677,51, jedoch in vier aufeinander folgenden Jahren mindestens EUR 1 840,65 jährlich von der GEMA” bezogen zu haben. Somit zählt er zu denen, die zusammen 64 Prozent aller Ausschüttungen erhalten und – bis auf wenige Delegierte der anderen ca. 61.000 Mitglieder – allein stimm- und wahlberechtigt sind. Das motor.de-Interview zu den persönlichen Erfahrungen mit der GEMA.
(Bild: Nilz Boehme)
motor.de: Es gibt das große Mysterium “Ordentliches Mitglied der GEMA”. Du bist eines.
Sebastian Krumbiegel: Man muss gewisse Umsätze bringen und kann sich dann als ordentliches Mitglied anmelden. Da die GEMA so etwas wie eine Gilde für kreative Menschen ist, ist dieser Status sogar eine Art Altersabsicherung mit einem rentenähnlichen Anspruch. Über Rente habe ich mir zwar bisher wenig Gedanken gemacht, aber ich finde dieses System unterm Strich gut, bin also definitiv ein Befürworter der GEMA, auch wenn das einige zur Zeit nicht gerne hören.
motor.de: Kann man sagen, dass diese GEMA-Einnahmen ein – sagen wir mal – relevanter Bestandteil des Einkommens sind?
Krumbiegel: Auf jeden Fall. Wenn du viele Platten verkaufst und auf den Platten viele Lieder geschrieben hast, dann kriegst du viel Geld. Es ist ein gewisses Standbein und es wäre überheblich zu sagen, es sei gut für die Portokasse. Ich bin ja schon seit 20 Jahren dabei. Aber ich muss ehrlich sagen, als ich damals meine erste GEMA-Abrechnung in der Hand hatte, habe ich gedacht, die hätten sich verdruckt. Bei der AWA [DDR-Pendant zur GEMA, Anm. d. Red] gab es mal 2,65 Mark, mal 15 Mark oder so. Dann waren wir bei der GEMA. Nach unserer ersten Prinzen-Platte, von der wir eine Menge verkauft haben, dachte ich, die hätten sich um eine Kommastelle verdruckt. Das hat sich natürlich wieder relativiert. Denn auch die Prinzen verkaufen heute nicht mehr so viel wie damals. Die Plattenkäufe gehen ja allgemein runter.
motor.de: Gehst du zu den Mitgliederversammlungen?
Krumbiegel: Nein, leider nicht, da muss ich mir echt an die Nase fassen. Ich bin Künstler, ich interessiere mich nicht so dafür. Aber ich sollte mich eigentlich dafür interessieren. Mein Bandkollege Tobias sitzt ja im Vorstand der GEMA und er sagt mir immer: “Du musst dich darum kümmern!” und er hat recht. Da gehen ja auch Sachen ab, die Außenstehende gar nicht so wissen können. Zum Beispiel haben irgendwelche Werbekomponisten eine große Lobby, weil sie sich einfach kümmern. Die gehen dort geschlossen hin und stimmen über Abrechnungsmodalitäten ab. Und alle, die wirklich Kunst machen, die kreative Musik machen, Songs oder Filmmusik schreiben, fallen dann ein bisschen hinten runter. Das ist schon nicht cool, was da abgeht.
motor.de: Fühlst du dich informiert, was die Mitgliederversammlungen beschließen wollen?
Krumbiegel: Es gibt immer eine Einladung und eine Tagesordnung. Ein Riesen-Pamphlet ist das und ich glaube, man muss dafür gemacht sein, das zu lesen. Für mich ist das völliges Fachchinesisch. Andererseits weiß ich natürlich, dass es nicht besonders erwachsen ist, wenn ich pathetisch sage: “Ich bin Musiker, ich bin Künstler. Ich bin doch kein Rechtsanwalt!” Ich müsste mich schon damit befassen. Aber ich setze mich eben lieber ans Klavier und mache Musik.
motor.de: Du gehörst zu den Musikern, die ihre ersten Meriten und ihre GEMA-Mitgliedschaft ja noch in den “guten, alten Zeiten” erwerben konnten, gehörst zu den Besserverdienern in der Gilde. Aber damit bist du innerhalb der GEMA auch eine Fünf-Prozent-Minderheit.
Krumbiegel: Eigentlich geht es ja um das Urheberrecht: Was ist das, wie funktioniert das, wie ist das zur Zeit im Wandel? Wie realistisch ist es überhaupt, das beizubehalten, dafür zu kämpfen? Ich kann das nur ganz persönlich beantworten. Als mein Sohn ankam und sagte: “Papa, brenn mir doch mal Peter Fox oder Linkin Park”, habe ich mit ihm logischerweise darüber gesprochen, nach dem Motto: “Überleg doch, die verdienen ihr Geld damit” – ich hab da aber auch von meinem Sohn gelernt. Ich will das nicht werten, aber ich bekomme ja mit, dass auf dem Schulhof mittlerweile ganze Festplatten mit Musik getauscht werden. Da sind dann drei Wochen Musik drauf und du hast das ruckzuck auf deinem Rechner. CDs brennen ist völlig out, das Medium CD ist ein Auslaufmodell. Und inzwischen geht es auch um Filme. Das ist natürlich nicht “rechtens”. Aber wie soll ich das meinem Sohn erklären? Wenn ich ihm sage, er muss drei Wochen für eine CD sparen, dann guckt er mich komisch an, als hätte ich eine Scheibe.
(Bild: Nilz Boehme)
motor.de: Du akzeptierst das also in gewisser Weise.
Krumbiegel: Ach, das ist immer alles relativ. Ich unterstütze ja die Meinung, man müsste diese ganze Internet-Sache auch als Promotion sehen und sich eigentlich darüber freuen. Das zu kriminalisieren, lehne ich ab. Mittlerweile bin ich selbst auch ein bisschen schmerzfreier. Wenn mir jemand zur Autogrammstunde eine selbstgebrannte CD hinhält, warum soll ich die dann nicht unterschreiben? Das fände ich affig. Ich versteh auch jeden, der sich über Multimillionäre aufregt, die da anfangen zu klagen – Metallica war ja ein prominentes Beispiel. Aber es ist eben relativ. Wenn die einen Millionen bekommen, kriegen andere eben ein paar Euro, die sie wirklich nötig hätten. Ich bin jedenfalls definitiv der Meinung, dass Kreativität prinzipiell vergütet werden sollte. Kunst und Kreativität sind nicht wirklich abrechenbare Dinge, aber sie sind wichtig, wir brauchen sie und sollten wissen, dass sie einen Wert haben.
motor.de: Also vor allem eine Frage des Prinzips.
Krumbiegel: Klar, es geht auch ums Prinzip. Aber warum soll ich einem Modell hinterher rennen, dass es so eigentlich nicht mehr gibt? Das Problem liegt weniger bei gestandenen Bands wie uns, sondern bei denen, die nachkommen. Und klar, die Musikindustrie hat ganz viele Fehler gemacht. Wer soll denn überhaupt noch in junge Bands investieren? Dann müsste man vielleicht wirklich darüber nachdenken, ob man so etwas wie die Subventionen für Hochkultur auch auf Popkultur übertragen kann. Aber vielleicht ist diese ganze Schrumpfung einfach auch gesund? Am Ende ist es mit der Musik wie früher: Die Leute machen Musik, gehen auf die Bühne, gehen auf Tour. Wir verdienen unser Geld tatsächlich heutzutage vor allem durch unsere Konzerte, und das ist auch ein Privileg, das junge Bands so nicht haben.
motor.de: Wenn du sagen könntest: “Liebe GEMA, mach was anders!” Was wäre das?
Krumbiegel: Ich finde, die GEMA sollte nicht unbedingt immer bei den Kleinen, den Schwachen ansetzen. Also nicht bei kleinen Clubs oder in Kindergärten. Die Aufmerksamkeit sollte bei denen liegen, die wirklich im großen Stil mit Musik zocken, die Musik nur als Pfründe sehen, nicht dort, wo wirklich Kultur stattfindet. Aber ich muss ganz klar sagen, dass ich die GEMA als einen Vertreter der Rechte der kreativen Menschen sehe. Klar kannst du sagen: das ist doch nichts wert, schön, dass dir “Ich wär’ so gerne Millionär” eingefallen ist, danke nochmal. Aber wenn es irgendwo gespielt wird, finde ich es okay, dass ich dafür Geld bekomme.
Interview: Augsburg
motor.de hat es sich zur Aufgabe gemacht, in Zukunft mit einem Dossier: GEMA das Thema speziell unter die Lupe zu nehmen, Player und ihre Interessen deutlich zu machen, Probleme zu analysieren, Meinungen zum komplexen Thema und zu den Perspektiven zu sammeln.
Weitere Texte zum Thema:
» Interview mit der GEMA: Teil 1 | Teil 2 | Teil 3
» Eine Einführung ins Thema
» Basisinformation zu den Einnahmen der GEMA
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