Peter Hempel ist ein Sprecher der GEMA. Ein Interview in drei Teilen über das GEMA-Image, ihre Struktur, den “Wasserkopf”, YouTube, Spotify, natürlich Geld und das Problem mit der “freien” Musik. Teil 2 von 3.
(Bild: GEMA-Blog)
motor.de: Kommen wir doch mal zum YouTube-Problem. Was ist der eigentliche Knackpunkt?
Hempel: YouTube hatte mit uns bis 2009 einen Vertrag. Der Vertrag ist Ende März 2009 ausgelaufen und seitdem sind wir mit YouTube nicht handelseinig geworden. Den Vertrag zu den alten Konditionen zu verlängern, stand nicht zur Diskussion.
motor.de: Was waren das für Konditionen?
Hempel: Das dürfen wir nicht sagen. Die unterliegen ebenso einer Geheimhaltungsklausel wie die anschließenden Verhandlungen.
motor.de: Man könnte aber zumindest sagen: YouTube möchte nicht genug für Sie zahlen?
Hempel: Aufgrund der von YouTube verlangten Geheimhaltung können wir hierzu leider nichts sagen. Fakt ist, dass wir die Einnahmen anschließend auch an die Mitglieder verteilen müssen und hierfür bestimmte Daten benötigen.
motor.de: Das interpretiere ich jetzt mal recht simpel so, dass Sie von YouTube nicht erfahren, wie viele Stücke Ihrer Urheber wie oft angeklickt werden.
Hempel: Eine Pauschale nach französischem Vorbild – dort ist die SACEM zuständig und YouTube zahlt quasi einen jährlichen Pauschalbetrag – kommt hierzulande aus verschiedenen Gründen nicht infrage. Da die GEMA das eingenommene Geld nach einem festen Verteilungsschlüssel an ihre Mitglieder ausschüttet, benötigt sie präzise Nutzungsmeldungen darüber, welche Inhalte innerhalb des YouTube-Angebots wie oft angeklickt wurden. Nur mit einer solchen Statistik ist sichergestellt, dass die anfallende Vergütung an die berechtigten Urheber ausgeschüttet werden kann.
motor.de: Warum ist das alles so geheim?
Hempel: Darauf besteht YouTube – also Google, der Besitzer – anscheinend in allen Verhandlungen mit Verwertungsgesellschaften.
motor.de: Es gibt doch aber im Moment gar keine Verhandlungen, sondern ein Gerichtsverfahren.
Hempel: Und darüber können wir natürlich ebenfalls leider nichts sagen, da es sich um ein laufendes Verfahren handelt. Jedenfalls hat YouTube im Sommer 2011 offiziell bekannt gegeben, dass sie die Gespräche mit der GEMA abgebrochen haben.
motor.de: Warum werden denn solche Verschwiegenheitsklauseln überhaupt akzeptiert?
Hempel: Für den ersten Lizenzvertrag haben wir diese Klausel akzeptiert. Nach den Erfahrungswerten mit dem ersten Vertrag würden wir eine solche für einen neuen Vertragsabschluss nicht mehr akzeptieren.
Das Logo der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte.
motor.de: Wenn das alles so geheim ist, woher wissen denn dann die Mitglieder, dass Ihre Konditionen schlecht sind?
Hempel: Werfen Sie einen Blick nach Frankreich oder England: Dort sehen die Mitglieder aufgrund der Ausschüttungen, zu welch schlechten Konditionen die Verwertungsgesellschaften die Verträge abgeschlossen haben. Es gibt in der GEMA ja viele Mitglieder – besonders Verlage – die international tätig sind und ihre Ausschüttungen entsprechend vergleichen können.
motor.de: Es stellt sich schon die Frage, warum YouTube nur in Deutschland ein Problem hat. Beziehungsweise, warum nur die GEMA ein Problem mit YouTube hat.
Hempel: Weil die GEMA international die einzige Verwertungsgesellschaft war, die bereits einen Vertrag mit YouTube hatte. Wir sind die Einzigen, die mit YouTube bereits einen Erstvertrag hatten und nun über einen Zweitvertrag verhandeln.
motor.de: Die anderen sind also alle etwas hinterher?
Hempel: Jede Gesellschaft mag das so machen wie sie will. Aber man hat ja auch gesehen, dass es bei der PRS, der britischen Verwertungsgesellschaft, personelle Konsequenzen hatte.
motor.de: Dort ist der zuständige Unterhändler gefeuert worden, weil die Erlöse für die Urheber zu niedrig sein sollen. Die GEMA-Mitglieder haben aber jetzt seit über zwei Jahren gar nichts gesehen.
Hempel: Das ist leider richtig.
motor.de: Das lässt sich doch auch nie mehr wirklich aufholen.
Hempel: Theoretisch, je nachdem, wie das Gerichtsverfahren ausfällt, wären Nachzahlungen denkbar. Denn YouTube nutzt ja die ganze Zeit Musikwerke ohne Lizenz.
motor.de: Aber YouTube bietet doch die Videos nicht mehr an.
Hempel: Doch, natürlich. Wenn YouTube wirklich alle Videos sperren würde, die Musik enthalten von Urhebern die wir direkt oder indirekt vertreten, dann wären praktisch gar keine Musikvideos mehr erreichbar. Dem ist ja nicht so.
motor.de: Das Verfahren von dem wir reden, beinhaltet die 12 Stücke, von denen die GEMA angibt, dies seien die einzigen, die von Ihrer Seite aus wirklich “gesperrt” sind. Worum geht es in diesem “Musterverfahren”?
Hempel: Es soll festgestellt werden, ob YouTube lizenzierungspflichtig ist, da YouTube im Umfeld der Musiknutzung per Werbung Geld verdient.
motor.de: Wie wurden diese Titel ausgewählt?
Hempel: In Rücksprache mit den Urhebern der jeweiligen Werke. Die Urheber wurden also auch explizit um Erlaubnis gebeten. Die ausgewählten Werke bilden einen repräsentativen Querschnitt des GEMA Repertoires, bilden also verschiedene Sparten ab.
motor.de: Warum werden diese Titel nicht öffentlich bekannt gegeben?
Hempel: Von der Datenschutzfrage abgesehen: Die Werke sind Inhalt eines noch laufenden Verfahrens, daher ist eine Veröffentlichung der Werke nicht angebracht.
motor.de: Gibt es für die Verhandlungen mit YouTube so etwas wie eine Vorgabe durch Mitgliederbeschluss, so wie man das vielleicht von Parteitagen kennt, die ihre Spitze auf gewisse Positionen festnageln?
Hempel: Die Verhandlungsstrategie in Sachen YouTube wurde bei der diesjährigen Mitgliederversammlung nochmals intensiv diskutiert. Die GEMA handelt stets im Sinne ihrer Mitglieder. Das ist in der Vereinsstruktur begründet und in der Satzung der GEMA festgelegt.
motor.de: Ist es richtig, dass die GEMA einen “einstelligen Cent-Betrag pro Stream” anpeilt, weil das “marktüblich” wäre?
Hempel: Ja.
motor.de: Woher kommt denn die Einschätzung “marktüblich”, wenn das alles so geheim ist und niemand irgendwelche Zahlen kennt?
Hempel: Wie gesagt, wir hatten ja schon Verträge mit YouTube und haben ja auch bereits Verträge mit anderen Content-Providern geschlossen. Es gibt hierfür also Vergleichszahlen. Wir wären sehr zufrieden, wenn wir von YouTube die gleiche Vergütung wie die Labels bekommen würden. Die machen ihre Ansprüche überwiegend auf Grund von Vergütungsansprüchen fest, die sich aus dem Leistungsschutzrecht ergeben. Das ist ein wichtiger Unterschied zu den Vergütungsansprüchen, die sich aus dem Urheberrecht ergeben und die wir für unsere Mitglieder geltend machen.
motor.de: Was beinhalten diese Vergütungsansprüche konkret? Es muss ja zumindest bekannt sein, wenn es als gutes Beispiel dienen soll.
Hempel: Über Einzelheiten zu den Vereinbarungen würde ich Sie bitten, die Labels anzufragen.
motor.de: Mit anderen Videoportalen gibt es offensichtlich keine Probleme.
Hempel: Es mag sein, dass es auch da ab und an Diskussionsbedarf gibt. Aber nicht in der Form wie bei YouTube. Dafür gibt es ja das vorhin beschriebene Verfahren bei der Schiedsstelle.
motor.de: YouTube ist also die einzige relevante Plattform, die sich nicht einer Schiedsstelle beugen will?
Hempel: Zumindest die Einzige, die uns bekannt ist. Darauf bezieht sich ja auch der Vorschlag, den Johnny Haeusler von Spreeblick vor kurzem geäußert hat. Der empfiehlt YouTube, sich einfach auf dieses Schiedsstellenverfahren einzulassen, um damit die Musiknutzung erstmal zu lizenzieren und somit zu legalisieren.
motor.de: Wie muss man sich denn solche Verhandlungen mit YouTube überhaupt vorstellen? Werden da nur von Anwälten E-Mails ausgetauscht oder gibt es richtige Menschen am Tisch?
Hempel: Wie bei Tarifverhandlungen üblich, erfolgen diese sowohl persönlich als auch in anderer Form. Die persönliche Diskussion ist bei Verhandlungen sicher unerlässlich.
Interview: Augsburg
Lest »hier den ersten Teil des Interviews.
Fortsetzung folgt morgen, den 9. Dezember. Thema: Spotify und Gema-Vermutung vs. “freie” Musik!
motor.de hat es sich zur Aufgabe gemacht, in Zukunft mit einem Dossier: GEMA das Thema speziell unter die Lupe zu nehmen, Player und ihre Interessen deutlich zu machen, Probleme zu analysieren, Meinungen zum komplexen Thema und zu den Perspektiven zu sammeln.
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