Er war einer der Großen. Gallig, bissig, hinterfotzig und mit einem erbarmungslos entlarvenden Blick hinter die Fassaden der Bieder- und Bürgerlichkeit. Georg Kreisler ist tot.

Man glaubt zuerst, sich verhört zu haben. Es ist ein kleines lustiges Lied, ein flotter Walzer mit heiterer Intonierung, ganz im Wohlfühlstil einer Gesellschaft, die sich wieder eingerichtet hat in ihrem gewohnten Leben und die lästige Erinnerungen an Weltkrieg und Holocaust mit eiserner Spießbürgerlichkeit fernhält. „Schau, die Sonne ist warm und die Lüfte sind lau, geh mer Tauben vergiften im Park!“

„Tauben vergiften“ ist der wohl bekannteste Song von Georg Kreisler, ein hinterfotzig fieses Stück mit enormem Zynismus. Ein Zynismus, der als Waffe der Aufklärung dient, der aufdeckt, wie eine Gesellschaft im Innersten tickt. Im Österreich der fünfziger Jahre machte sich der Jude Kreisler mit seinen „Everblacks“ nicht nur Freunde. Es ist das Wien, in dem Kreisler und seine jüdischen Mitschüler keine zwanzig Jahre vorher – kurz nach dem „Anschluss“ an Nazi-Deutschland – buchstäblich vom Hof des Gymnasiums gejagt wurden. Die Familie emigrierte nach Amerika, Kreisler wurde US-Staatsbürger. Zurück nach Europa kam Kreisler als amerikanischer Soldat, als Dolmetscher einer Spezialeinheit, die im Vorfeld der Nürnberger Prozesse deutsche Nazi-Größen verhörte. Gespräche führte er dabei mit Hermann Göring, dem lange gefürchteten Chef des „Sicherheitsdienstes“ Georg Kaltenbrunner und mit „Stürmer“-Herausgeber Julius Streicher, dem wohl übelsten antisemitischen Hetzer des 20. Jahrhunderts.

Georg Kreisler – “Schlagt sie tot”

Nach dem Krieg ging Kreisler zurück nach Amerika, arbeitete in Hollywood und mit Charlie Chaplin. Ausgerechnet für dessen verstörendsten Film – „Monsieur Verdoux“ ist die elegant verfilmte die Geschichte eines Serien-Frauenmörders – spielte er Klavier und besorgte die Notennotierung für Komponisten-Star Hanns Eisler. Seine eigene Musikerkarriere lief eher flau, allerdings typisch: Seine Plattenfirma hielt die grotesken Balladen für „unamerikanisch“. Zeit seines Lebens eckte er mit seinen Liedern an, wurde aber auch ein Kultstar für jene Außenseiter, die sich ebenso unwohl fühlten in der Restauration der gnadenlosen Bürgerlichkeit, die gerade in Österreich immer auch irrwitzige Züge trug.

Sein Fankreis wuchs mit den Jahren, die Gesellschaft veränderte sich, irgendwann galt seine Galligkeit als klassisch, offiziell credibel. Die österreichische Staatsbürgerschaft erhielt er trotzdem nie zurück, verbat sich gar offiziöse staatliche Glückwünsche zum 75. Kreisler wurde nie milde, nie nachlässig. Als Anarchist bezeichnete er sich, schrieb – als er nicht mehr mit seinen Liedern auftrat – Romane und Essays und war bis zuletzt außerordentlich rege. Im Alter von 89 Jahren starb Georg Kreisler am 22. November in Salzburg.

Augsburg