Nein, Vergleiche zu Martin Luther bieten sich keinesfalls an. Auch wenn Sascha Ring am Reformationstag – 494 Jahre nach dem Vorreiter der Reformation seine Thesen an die Kirche in Wittenberg schlug – das Leipziger Centraltheater zum gemeinsamen Klangerlebnis einlud, so hatte die Veranstaltung wenig Sakrales. Gut so.
Am Anfang war Shrubben angesagt. Doch nicht mit Eimern und Lappen, sondern Syntheziser und Computer waren die Werkzeuge, die die erste Vorband präferierten. Das Duo wusste einen unglaublich experimentellen Ambient-Schleier über die Wartenden zu legen. Das schien nicht allen zu gefallen, die Buhrufe zum Abschluss waren jedoch mehr als unangebracht. Es folgte: Warren Suicide. Das Projekt von PC Christensen alias nackt verstand es, die kleine Verwirrung in eine ästhetische Form zu transportieren. Mit ihrer Techno-Pop-Performance küssten sie einige Besucher wach und versuchten auch Shrubben mit dem Publikum zu versöhnen, was leider misslang. Dennoch: zwei Bands mit Charme.
(Foto: Rolf Arnold)
(Foto: Rolf Arnold)
Um 22 Uhr betrat Sascha Ring mit seiner neuformierten Band die Bühne. Zu Beginn seines Auftritts gab der Wahl-Berliner zunächst Songs von seinem zurückliegende. Album “Walls” zum Besten. Doch bereits mit der ersten Ansage kündete er an, dass es an diesem Abend vor allen Dingen neues Material zu hören gebe. Gemeint waren die Tracks seines aktuellen Albums “The Devil’s Walk“. Darunter war unter anderem auch das äußerst gut funktionierende “Candil De La Calle”, dessen elektronischer Unterbau äußerst gut mit der Live-Percussion harmonierte. Schön anzusehen war auch die Beleuchtung. Auf der Bühne waren buntverstreuut kleine Lämpchen installiert, die je nach Stimmung der Songs auch wild zu flackern begannen. Insgesamt gab sich Ring sehr wortkarg, sprach nur wenig zum Publikum, doch wusste mit seiner Musik mitunter zu überzeugen. Album-Highlights wie “Ash/Black Veil” oder “Song Of Los” stellten auch die Lichtblicke des Konzerts dar. Gerade wenn die Streicher, die bereits Warren Suicide unterstützten, hinzutraten, mauserte sich das Klangerlebnis zur wahren Freude.
(Foto: Rolf Arnold)
Man konnte förmlich spüren, dass die Bandwerdung ihm gute Laune beschert. Nicht der Loop, sondern der Song ist nun das Ziel. Der 33-Jährigen ist dem ewigen Auflegen und Setgeben überdrüssig geworden, sodass Apparat nun im Kern vier Herren umfasst. Wenn die Platte vor allen Dingen durch den organischen Sound überraschte, umso bemerkenswerter ist der noch immer essentielle, elektronische Sound. Nicht nur, weil Apparat mit “Rusty Nails” einen Song seines Projekts Moderat in die Setlist einbaute, bei der Mehrzahl der Stücke bildeten Beats das Grundgerüst. So kommt es auch, dass sich Ring wundert, warum die Leute im Centraltheater sitzen. Dass dies einige als Aufforderung verstanden und zu schwelgenden Songs versuchten zu tanzen – geschenkt.
(Foto: Rolf Arnold)
Im Großen und Ganzen hinterließ Ring einen ambivalenten Eindruck vom Abend. Auf der einen Seite wusste der (nun) Singer/Songwriter mit beinahe brachialen Walls of Sound zu überzeugen. Tracks wie “Arcadia” oder “Not A Number” entfalten in der neuen Live-Besetzung eine ordentliche Schlagkraft. Die Magie von “The Devil’s Walk” konnte sich jedoch nur mit Ausnahme ausbreiten. Dass der letzte Song “Black Water” eine fast schon artifizielle Stimmverzerrung erhielt, löste indes Verwunderung aus. Da wäre eindeutig mehr drin gewesen.
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