Explosions in the Sky sprechen im Interview mit motor.de über den Zustand des Post-Rock heute, den Einfluss der Heimat und den ganz individuellen Film im Kopf.
Mit Take Care, Take Care, Take Care veröffentlichten die texanischen Kopfkino-Spezialisten von Explosions in the Sky in diesem Jahr ihr sechstes Album und sind mit diesem, jedenfalls für eine Band mit so chartuntauglichen Songlängen, unfassbar erfolgreich. Anlässlich ihres Konzertes im Berliner Astra traf motor.de Schlagzeuger Chris und Bassist Michael zum Interview. Was die beiden über das den Einfluss ihrer texanischen Heimat und über die Filmtauglichkeit ihrer Musik zu sagen wussten, lest ihr hier:
motor.de: Wie läuft eure Tour bisher? Gibt es bereits spezielle Stationen an die ihr euch gerne zurückerinnert?
Chris: Ich glaube, es ist jetzt schon unser achtes oder neuntes Konzert…und es läuft wirklich gut! Und spezielle Erinnerungen, lass mich überlegen…
Michael: Das Ding beim Touren ist ja, dass man nicht besonders viel Zeit zwischendurch hat, wenn die Termine so nah beieinander liegen. Du erscheinst im Club, isst was, Soundcheck, Konzert, und am nächsten Tag das Ganze wieder von vorn. Manchmal fühlt sich das alles wie in einem Kreislauf an, es scheint, als ob man jeden Tag im selben Club spielt.
motor.de: Das klingt ja nicht gerade nach dem prallen Rock’n’Roll-Leben.
Chris: Naja, es macht dennoch sehr viel Spaß! Wir genießen es, auf der Bühne zu stehen.
motor.de: Ihr stammt aus Texas, hat eure Heimat einen Einfluss auf eure Musik?
Chris: Ich glaube, es gibt nichts Texas-spezfisches, was uns geprägt hat. Wir hätten überall aufwachsen können. Das hängt alles viel mehr von den Leuten um dich herum und den Situationen ab, die du erlebst…also Texas hat schon einen Einfluss, aber welchen genau, das kann ich gar nicht sagen.
Michael: Texas ist ja auch ein großer Staat mit Bergen im Süden, der Wüste im Westen und Wäldern und dem Ozean. Wir kommen ziemlich aus der Mitte von Texas, aus Austin. Da hat wohl alles irgendwie einen Einfluss.
motor.de: Gibt es bestimmte Quellen, aus denen ihr eure Ideen nehmt?
Chris: Eigentlich von überall. Unser Leben, Musik die wir hören, Filme die wir sehen, Dinge die uns oder unseren Freunden passieren. Wir sitzen definitiv nie einfach nur so da und denken darüber nach, aus welchen Umständen wir gerade diesen oder jenen Song geschrieben haben, es geschieht einfach. Man könnte unsere Musik auch als den Soundtrack unseres Lebens bezeichnen.
motor.de: Wenn man die Lieder hört, tun sich im Kopf ja viele Bilder auf, eure Musik ist sehr cineastisch. Habt ihr bestimmte Bilder im Kopf, wenn ihr die Songs schreibt?
Chris: Durchaus, aber keine sehr spezifischen. Das liegt auch daran, dass die Songs zum Großteil über eine sehr lange Zeitspanne geschrieben worden sind.
Michael: Diese Stories können sich deshalb auch im Laufe der Zeit verändern. Das Gute an instrumentaler Musik ist ja auch, dass sie für mich etwas völlig anderes bedeuten kann als für dich.
motor.de: Bilder im Kopf lassen sich ja neben der Musik auch besonders gut in Filmen verarbeiten. Gibt es Regisseure, mit denen ihr gerne zusammenarbeiten würdet? Was sind dahingehend eure Helden?
Chris: Terrence Mallick ist jemand, mit dem wir gern zusammenarbeiten würden, aber es gibt auch sehr viele weitere.
Michael: Ja, wir reden die ganze Zeit über Terrence Mallick. Er hat unsere absoluten Lieblingsfilme gemacht. Irgendwas an seinen Filmen erscheint mir immer sehr ähnlich zu unserer Musik.
motor.de: Ihr habt ja auch schon einen Soundtrack geschrieben, und zwar zum Film “Friday Night Lights”. Kann man in nächster Zeit noch weitere solcher Projekte von euch erwarten?
Michael: Zur Zeit nicht, aber wir sind da sehr offen und lassen sowas auf uns zukommen. Wenn uns jemand fragt, ob wir einen Soundtrack schreiben möchten, würden wir es gern machen, doch in letzter Zeit ist sowas nicht passiert – vielleicht irgendwann noch mal.
Explosions In The Sky – “Birth And Death Of The Day”
motor.de: Welche Relevanz haben die Titel eurer Songs und besonders eures aktuellen Albums “Take Care Take Care Take Care“?
Michael: Wir wollen mit dem Sound dieses Albums ein wenig mysteriöser wirken und nicht mehr so bombastisch und over-the-top. Der Titel “Take Care Take Care Take Care” passt da ziemlich gut dazu: Er hat im Englischen mehrere Bedeutungen, etwa “Mach’s gut”, aber eben auch “Pass auf dich auf”, das passt einfach zur Musik, sie ist ziemlich andächtig ausgefallen.
Chris: Ja, bei den Titeln verhält es sich ähnlich. Es passiert, dass im Laufe der Aufnahmen einfach eine Phrase gesagt wird, und dann eine Reaktion kommt wie: “Oh, das klingt gut, das nehmen wir.” Das ist sehr impulsiv alles.
motor.de: Wo seht ihr die größten Unterschiede zu eurem 2007er Werk “All Of A Sudden I Miss Everyone”?
Chris: Viel hat sich verändert, das fängt schon bei der Aufnahmetechnik an. Das neue Album hat viel mehr Sound, viel mehr Schichten. Wir haben hier mal zwei Drumsets oder dort sechs Gitarrentracks zur selben Zeit übereinandergelegt und auch mit Samples gearbeitet… es ist also vielschichtiger als “All Of A Sudden…”.
motor.de: Können eure Songs generell getrennt voneinander betrachtet werden, oder seht ihr eure Alben als ein Ganzes, quasi als Art Konzept?
Chris: Jeder Song ist zwar eine Entität, aber die Reihenfolge auf dem Album ist durchaus wichtig. Wir wollen, dass alles gut zusammenfließt und es somit Sinn ergibt.
Michael: Die Songs selbst haben alle eine eigene Identität. Nimmt man aber das Album, bildet sich wiederum eine neue Identität heraus.
motor.de: Über die Identität von “Post Rock” selbst wird ja auch mitunter fleissig diskutiert. Was denkt ihr, wo diese Musikrichtung im Jahre 2011 angekommen ist?
Michael: Der Begriff hat sich wirklich stark gewandelt in den letzten 20 Jahren. Anfangs wurde Musik ja “Post Rock”
genannt, weil man die nicht wirklich einordnen konnte. Zum Beispiel bei der Band Tortoise, die in ihrer Musik einen starken Jazz-Einfluss hatte. Dann kamen die Bands wie Mogwai oder Godspeed You! Black Emperor, die haben einen Sound gehabt, der sie auch verbunden hatte, was eben dazu führte, dass der Begriff auf diese Art von Musik übergeleitet wurde. Im Laufe dieser Zeit hat sich also echt viel geändert.
motor.de: Diese “Post”-Musikrichtungen sorgen am Anfang immer ein bisschen für Verwirrung.
Michael: Ja, es ist eben letztenendes Rockmusik! (lacht)
Explosions In The Sky – “The Only Moment We Were Alone” (live)
motor.de: Euer letztes Album wurde in der Special Edition mit Remixen garniert. Wie kam es denn dazu?
Chris: Unser Label kam mit dieser Idee auf uns zu und anfangs waren wir auch gar nicht unbedingt davon begeistert. Ich bin nicht so ein großer Fan von Remixen. Als wir dann ein wenig drüber nachdachten, kamen uns dann doch einige Bands in den Sinn, die Remixe von uns machen könnten, sodass wir mehr und mehr begeistert von dieser Idee wurden.
Michael: Wir haben uns aber entschieden, dass nicht für dieses Album zu machen, da es … vielleicht machen wir das ja noch mal in der Zukunft, wer weiß.
Chris: Vielleicht remixen wir uns ja selbst, just for fun. (lacht)
motor.de: Worauf darf man sich in nächster Zeit freuen? Gibt es schon neue Pläne?
Chris: Im Juni oder Juli machen wir eine Pause, da werden wir uns wohl mal wieder an die Arbeit machen, ehe es dann erst wieder auf eine achtmonatige Tour geht. Ich hoffe, dass es bis zur unserer nächsten Platte dieses Mal nicht wieder vier Jahre dauern wird. (lacht)
Michael: Ja, Im Grunde genommen reden wir die ganze Zeit über neues Material. Also Leute, haltet die Augen auf!
Interview: Sebastian Weiss und Danilo Rößger
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