Aufrichtiger Noise-Rock aus dem Ruhrpott verpackt in 13 Songs mit Stock und pinkem Zylinder. Psychedelisch? Ja.
Da, wo The White Stripes ein klaffendes Loch hinterlassen und The Indelicates patzen, hat ein anderes Paar seinen Platz gefunden: Die Eheleute Hering debütieren unter dem Namen Stuntcat diese Woche mit „You Look So Alien In Your Bloody Tuxedo“. Eine Bohne mit Zylinder und Stock auf dem Cover, Pilze, Bären und Lebendgemüse im Booklet bebildern das erste Album der beiden Musiker, das ganz im Zeichen vom DIY-Charme glänzt. Okay, Glanz ist übertrieben und wird dem trockenen LoFi-Arrangement der Platte nicht gerecht. Kein Schnickschnack, kein ausproduzierter Studiopomp, keine Kompromisse – dafür rumpelige Schrammelgitarren, eine hüpfende Hammond-Orgel, spartanischer Schlagzeugeinsatz.
Suhlen möchte und kann man sich in den simplen Songs. Und sie ziehen es straight durch, dem Hörer ihre einfachen Melodien mit kindlichem Enthusiasmus irrsinnig sympathisch vor’s Brett zu klatschen: ‘Da hast du unsere Songs, mach mit ihnen was du willst, aber bitte freu dich daran’, raunt das Duo uns förmlich entgegen. Selten war Rock ungehemmter.
Wäre „Retro“ nicht bereits ein so ausgelutschter Term, könnte man ihn für Stuntcat sehr treffend anbringen. Es gab tatsächlich Zeiten, in denen übersteuerte Gitarren nicht mit einem Linksdreh per Zeigefinger im Studio wieder eingedämmt wurden. Es war einmal vor langer Zeit, als keine künstlichen Instrumente hinzugefügt und stimmliche Ausbrecher nicht wieder gerade gebogen wurden. Die Herings erinnern daran und vertonen in 13 Songs das reine Vergnügen, die pure Lust an unverdorbener bis leicht schrulliger Musik.
Stuntcat – “Lucky Star”
Dortmund ist das Zuhause von Linda und Bjoern, die den Ruhrpott so oft wie möglich für Reisen nach New York, Los Angeles und Formentera verlassen. Im heimischen Projektstudio Negativland schraubten sie, nachdem Bjoerns Band Speedway 69 das Handtuch warf, ein Jahr lang an ihrem Sound. Das Ergebnis „You Look So Alien In Your Bloody Tuxedo“ spielt mit klassischen Indierockelementen und anachronistischen Klängen zu Texten, die der Verschmitztheit postmoderner Poesie huldigen. Jack und Meg Hering verlassen nach knapp 50 Minuten den Ring und entscheiden diese erste Runde für sich. Stünde die Space Needle auf dem Borsigplatz, hätte Sub Pop hier ganz klar ein neues Signing.
Julia Kindel
VÖ: 11.02.2011
Label: VierSieben Records
Tracklist:
01 Lucky Star
02 The sad story of New York being turned back into pasture land
03 Summer of two
04 Peaks in remarks
05 Sandpiper Inn
06 Fragments of New York diary
07 She held her breath for 17 minutes
08 Lindsey Buckingham
09 All things come to those who wait
10 Charles David Nutlicker III
11 Choke
12 My Louboutins
13 Sarah stares at the sun
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