Es gibt wohl zwei Bands aus der 77-er Punkszene, die dem durchschnittlich interessierten Popmusikhörer bekannt sind, zum einem die Sex Pistols und zum anderen die Clash. Die Pistols verdanken in erster Linie ihren Skandalen ihren Langzeitruhm, die Clash einer Levis-Werbung die ihren Song “Should I Stay Or Should I Go” weltweit in die Hitparaden stürmen ließ. In beiden Fällen gibt dies ein ziemlich schiefes Bild von dem Einfluß der Bands wieder, und wird nicht annähernd ihrer wirklichen Bedeutung für die Entwicklung der Popmusik in den 70-er Jahren gerecht.
Joe Strummer ((John Mellors) wurde als Sohn eines Diplomatens in Ankara geboren, hatte in Zypern, Mexiko City und in der BRD gelebt, bevor er in einem Internat in England seinen Schulabschluß machte. Als er in London auftauchte, gründete er die 101er’s mit denen er einen gewissen Erfolg in der lokalen Pub-Szene verbuchen konnte. Im April ’76 trat er mit seiner Band als Vorgruppe der Pistols auf. Fasziniert von den Pistols verließ er sozusagen über Nacht die Gruppe. “Ich habe die Sex Pistols gesehen und sofort gewußt, daß Rhythm’n’Blues eine tote Sache war, und daß dies irgendwie die Zukunft war.” (aus “The Clash – Revolution Rock” von John Tobler & Miles, Sonnentanz-Verlag) Der Zufall wollte es, daß er kurz darauf Mick Jones (Gitarre, Gesang) und Paul Simonon (Bass) von den London SS traf. Die London SS wechselten ständig ihr Personal und viele ihrer Mitglieder spielten späterer in Punkbands, u.a. Captain Sensible (Damned), Tony James oder John Towe (Chelsea, Generation X). Zusammen mit Keith Levene (Gitarre) und Nicky “Topper” Headon (Drums) gründeten Joe, Mick und Paul die Clash. Die damalige relativ kleine Punkszene traf sich auf der King’s Road, vorzugsweise in der dort ansässigen Boutique “Sex”. Bernard Rhodes, Kompangnon von Inhabern Melcom McLaren (Manager der Pistols) und Vivien Westwood, übernahm das Managment der Gruppe. Wen verwundert es da noch, daß die Clash als Vorgruppe der Pistols auf ihrer “Anarchy in UK”-Tour verpflichtet wurden. Die Tour war in vieler Hinsicht ein Desaster, Auftrittsverbote, Ausschreitungen, und eine Boulevardpresse, die die Pistols umlagerte und nur auf ein Skandal wartete. Genervt verließen Headon und Levene die Clash und die Gruppe brach nach einigen Auftritten die Tournee ab.
Die Clash galten als politische, linke Band, das brachte ihnen im Gegensatz zu der Chaotentruppe der Pistols eine gewisse Sympathie bei der linksliberalen Presse ein. Als sie bei CBS einen Plattenvertrag unterschrieben, witterte die alternative Presse Verrat. Mark Perry (Alternative TV) und Herausgeber des wichtigsten Punk-Fanzine “Sniffin’ Gue” schrieb: “Der Punk starb an dem Tag, als die Clash einen Vertrag mit CBS abschlossen.” Wie falsch oder richtig diese Aussage auch immer war, es zeigte welche wichtige Position die Clash inzwischen in der Szene hatten. Die Clash selbst hatten andere Sorgen, für ihr erstes Album “The Clash” brauchten sie dringend einen Schlagzeuger, Tory Crimes (Terry Chimes) sprang ein und an nur 3 Wochenenden produzierten sie das Album. Die Tonqualität war ziemlich miserabel, so daß die LP in USA nicht veröffentlicht wurde, trotzdem verkauften sie dort über 100.000 Import-LP’s. Kurz zuvor im April ’77 erschien die Single-Auskopplung “White Roit” und unter dem gleichen Namen unternahmen sie eine Tour mit den Buzzcocks und Jam im Vorprogramm. Wiedereinmal gab es Auseinandersetzungen mit dem Schlagzeuger und Tropper Headon kam zurück.
Von Beginn an ihrer Karriere zogen die Clash einen klaren Trennungstrich zwischen der Band und der immer stärker werdenen Skinbewegung – was vielen anderen Punkbands nie so richtig gelang. Joe Strummer 1977:”Ich denke, die Leute sollten wissen, daß wir gegen Faschismus, gegen Gewalt und gegen Rassismus sind. Wir sind gegen jede Form von Ignoranz.” Dies waren nicht nur ein Lippenbekenntnisse. Im Frühjahr ’78 traten die Clash im Victoria Park (London) bei dem Konzert “Rock Against Racism” auf. Im gleichen Jahr begannen die Aufnahmen zu ihrer 2.LP. CBS bestand darauf einen neuen Produzenten zu nehmen und so zog sich die Fertigstellung des Albums dahin. Ende ’78 erschien es endlich, auch die amerikanischen EPIC-Records waren zufrieden und heuerten die Clash für eine Tournee an. Anfang ’79 startete ihre erste US-Tour “The Pearl Harbour ’79 Tour”. (siehe Interview: Los Angeles Times) Zurück in England wartete ein Filmprojekt, eine Pseudo-Dokumentation “Rude Boy”, auf sie. Der Film erzählte die Geschichte eines Roadies, der mit den Clash unterwegs ist. Einige Livemittschnitte von Konzerten wurden in den Film eingearbeitet.
Danach zogen sich die Clash in einer angemieteten Garage in Pimlico (London) zurück und spielten die ersten Songs für ihre dritte LP ein. Bei Erscheinen der Doppel-LP “London Calling” lobte die Fachpresse das Werk überschwenglich, sie feierten es als Sensation, als Meilenstein der Popgeschichte (siehe: Rolling Stone-Artikel). Die Clash, die zu Beginn ihrer Karriere eher aufgrund ihrer fehlenden musikalischen Fähigkeiten belächelt wurden, schlugen zurück. Das war nicht mehr der 3 Akkord-Punk. Ska, Reggae, Rockabilly, Saxophon, Klavier, Orgel, sauber geführte Melodien hielten Einzug in ihre Songs. Aber das Erstaunlichste war: Die Clash verloren nichts an ihrer Authentizität. Sie versuchten nicht Kunst zu machen, und deshalb klangen ihre Songs auch nicht künstlich. Ihre Texte blieben engagiert, ehrlich und behandelten die alltäglichen Probleme. Noch bevor das Album endgültig abgemischt wurde, tourten die Clash nochmals durch die Vereinigten Staaten. Es gelang ihnen als erste britische Punkband in USA Fuß zu fassen. Mit dem Erscheinen von “London Calling” im Dezember ’79 beendeten die Clash ein sehr erfolgreiches Jahr.
Das Jahr 1980 begann mit einer UK-Tour und einigen Einzelinitiativen der Bandmitglieder. Mick Jones arbeitete an dem 2. Album seiner Freundin Caroline Foley, Joe Strummer produzierte eine Platte mit einer befreundeten Band und Paul Simonon übernahm eine Rolle in dem Film “”All Washed Up”. Mitte des Jahres begannen sie mit den Aufnahmen zu “Sandinista”. Vielleicht stellten sich die Clash selbst unter Druck, wollten auf “London Calling” noch einen draufsetzen. Auf jeden Fall experimentierten sie wild herum, nahmen Anleihen aus allen Musikrichtungen und verließen damit ihre Wurzeln, die harten heruntergedroschenen Punkriffs. Auf der 3-fach LP verlieren sich leider solche Stücke wie “Rebel Waltz”, “Somebody Get Murderet”, “One More Time”, “Washington Bullets” oder “Police On My Back” in einem Sammelsorium eher mittelmäßiger Songs. Das Album präsentiert sich eher als ein Flickenteppich als ein einheitliches Werk. Manchmal ist eben etwas weniger, mehr. Die Kritiker waren beim Erscheinen der 3-fach LP Ende 1980 enttäuscht und das Album verkaufte sich trotz Dumpingpreis schlecht.
Anfang ’81 holte die Gruppe ihren Ex-Manager Bernie Rhodes zurück und sie verbrachten das Jahr auf Tourneen durch Europa, USA und UK. Die Fans der ersten Stunde mußten erstaunt feststellen, daß die Clash bei ihren Auftritten mit Showelementen arbeiteten, Mick sich in einem Interview Sorgen darüber machte, daß er den Durchbruch zum Superstar nicht schaffen könnte und Joe über das passende Outfit für die Bühne philosophierte. Die Gruppe war auf dem besten Wege in die Fußstapfen der Stones zu treten. Julie Burchill formulierte dies in ihrem Artikel “Better Cred than Dead” (Spex) so: “Das Passionsspiel der Credibility waren die Clash – sie wurden dafür gekreuzigt. Niemals zuvor war sie (die Glaubwürdigkeit) so ausgeprägt wie bei den Clash, und nie wurde sie so leichtfertigt verschwendet, sie (die Clash) hingen in Amerika herum (Nord-, nicht Mittel-!), kreuzten in Smokingjacken an Flughäfen auf, schnupften Kokain wie Dreck und ließen die ganze Pracht vor die Hunde gehen – schreckliche Zeiten für jedermann. Die Clash brachen das Herz einer ganzen Generation, und das wird ihnen niemals vergeben.” (aus “Julie Burchill über Prince, Pop, Elvis…”, Verlag Kiepenheuer & Witsch)
Im Mai ’82 erschien ihr fünftes Album “Combat Rock” (u.a. mit “Know Your Rights”, “Rock The Casbah” und dem späteren Nr.1 Hit “Should I Stay Or Should I Go”). Es wurde die erfolgreichste LP der Clash. Doch bei denen herrschte helle Aufruhr. Joe Strummer war spurlos verschwunden – und dies kurz vor der Promotiontour durch England. Zuerst vermuteten die Kenner der Musikbranche, einen billigen Werbegag, doch als die Tour abgesagt wurde, nahm man die Angelegenheit ernst. Es stellte sich heraus, Joe wollte Abstand zum Showbizz gewinnen, hatte sich nach Paris abgesetzt und vertrieb sich dort die Zeit bei einer Freundin. Er konnte zur Rückkehr überredet werden. Kurz darauf gab Topper Headon wegen “politischen Differenzen” die Trennung von der Gruppe bekannt. Später stellte sich heraus er hatte schwerwiegende Drogenprobleme.Terry Chimes (Clash Ex-Drummer, zeitweise bei GenerationX) sprang kurzfrisig für ihn ein. 1983 auf dem Höhepunkt ihres kommerziellen Erfolgs überwarfen sich Strummer und Jones. Vereinfach und überspitzt dargestellt, stand Strummer für die ehernde Clash-Gesetz “politisch korrekt – Punk” und Mick Jones für “Ich bin Künstler, Musiker, Pop-Star”. Es kam zum Eklat, im September ’83 schmissen Joe und Paul Simonon Mick aus der Band. Das Ende der Clash…
Stop! Anfang ’84 wurde die neue Besetzung der Clash bekanntgegeben: Joe, Paul, Pete Howard (Drums), Vice White (Gitarre) und Ex-Cortinas Nick Sheppard. Danach hörte man ein Jahr nichts. Anfang ’85 hatten sie einige Auftritte und im November veröffentlichten sie “Cut The Crap”. Die Fans hatten über 3 Jahre auf ein neues Album gewartet. Es verkaufte sich relativ gut (Platz 16 der UK-Charts), doch die Kritiker waren enttäuscht. Und die neuen Clash lösten sich endgültig auf.
Mick Jones gründete 1984 Big Audio Dynamite.
Paul Simonon gründete 1990 die Havanna 3am.
Joe Strummer gründete 1999 The Mescaleros
Topper Headon arbeitete als Produzent für Bush Tetras
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