Conrad Keely und Jason Reeze über Identifikation, das Daodejing und euphorische Produzenten.
Trail Of Dead sind eine große kleine Band: Während die Fans schon seit geraumer Zeit die Kalendertage abhaken, bis mit “Tao Of The Dead” Album Nummer sieben in der mittlerweile 16-jährigen Bandgeschichte erscheint, sind sie aufgrund ihres eigenwilligen Stilmixes weit davon entfernt, die Headlinerslots großer Festivals zu belegen. Dies ändert jedoch nichts am Eifer der beiden Kreativköpfe Conrad Keely und Jason Reece, die auch mit dieser Platte erneut Genregrenzen einreißen und eine unverwechselbare und epische Mischung aus Prog, Noise und Indie Rock zu präsentieren. Wir trafen die beiden verträumten Musiker im Berliner Ramones-Museum, in dem Keely nicht nur ein paar seiner Kunstwerke ausstellte, sondern mit seinem Kollegen ein Unplugged-Set mit neuen Songs aufs Parkett zu legen.
motor.de: Die neue Platte steht in den Startlöchern und ihr gebt heute schonmal eine Kostprobe davon.
Keely: Ja, wir sind gestern hier angekommen. Berlin…Yeah, Berlin ist ein cooler Ort. Berlin is for real. Hier ist eine tolle Atmosphäre, ich hatte hier immer eine gute Zeit. Die Leute, die ich hier getroffen habe, waren sehr nett und alles scheint sich hier stetig zu verändern. Wir sind echt gespannt.
motor.de: Du hast eine Ausstellung hier. Was hat es damit auf sich?
Keely: Es ist das Artwork für meinen kleinen Grafikroman, der mit unserem neuen Album an den Start geht. Es ist ein Steampunk-Roman! Er spielt auf einem anderen Planeten und nennt sich “Strange News From Another Planet”. Die ersten Panels davon sind auch im Booklet unserer neuen Platte.
motor.de: Was steckt hinter den Comics?
Keely: Sie beziehen sich auf meine Erfahrungen als “Ausländer mit Aufenthaltsgenehmigung” in Amerika. Also es geht darum, irgendwo zu sein ohne einen tatsächlichen Teil der Bürger darzustellen. Ich schätze, daher kommt viel Inspiration. Ich bin ja selbst ein irischer Staatsbürger, kann zwar in den USA leben, aber beispielsweise nicht wählen. Es ist wie “Taxation Without Representation”. Ich bezahle Steuern, kann aber nichts machen, wählen oder so.
Reece: Ja, das ist ziemlich bizarr.
motor.de: Mit diesen Problemen muss sich auch der Protagonist des Romans herumschlagen?
Keely: Nein, es gibt dort aber einen Charakter, der ein Alien von einem anderen Planeten ist – der wird ziemlich diskriminiert. Die Story ist … weißt du, ich habe dahingehend noch nicht viel enthüllt. Viel mehr möchte ich deswegen auch noch nicht sagen.
motor.de: Also hast du den Roman noch gar nicht vollendet?
Keely: Nein, er kommt in einzelnen Kapiteln heraus, die nach und nach veröffentlicht werden. Es wird also ein Fortsetzungsroman wie “Der Graf von Monte Christo” – den finde ich auch sehr toll. Da hat auch jedes Kapitel einen Cliffhanger.
Trail Of Dead – “Will You Smile Again” (Live)
motor.de: Stellt euer neues Album „Tao Of The Dead“ tatsächlich eine Verbindung zum Taoismus dar? Der Titel mag ja so etwas vermuten…
Keely: Es steht im Zusammenhang mit dem Daodejing, das ist ein philosophisches Buch. Wir waren im Studio und brauchten ein wenig Inspiration. Nun trug es sich zu, dass dies das einzige Buch war, das wir im Studio hatten. So wurden unsere Lyrics davon inspiriert. Und Jason kam dann auf die Idee des Namens “Tao Of The Dead”.
motor.de: Gibt es weitere Bezüge oder Verknüpfungen auf eurem neuen Album? Eure bisherigen Platten weisen ja viele Referenzen auf.
Keely: Oh ja, es gibt sehr viele Referenzen auf dem Album. Aber ich gebe sie nicht einfach weg. Viel lieber möchte ich dem Zuhörer die Möglichkeit geben, diese Bezüge zu absorbieren und sie selbst zu entdecken.
Reece: Ja, es ist eher so: Durch das Hörerlebnis erwirbst du eigene Perspektiven. Wir möchten das nicht so offensichtlich gestalten.
Eine von vielen Zeichnungen Keelys
motor.de: Kommt diese Art von Selbstreflexion deiner Comics auch in den Texten des neuen Albums zum Ausdruck?
Keely: Nicht so viel. Das neue Album hat sehr viel mit der Umwelt zu tun. Und…worüber reden wir da noch…es ist fast schon eine moralische Geschichte.
motor.de: Also gibt es auch einen Storytelling-Einschlag?
Keely: Nein, es hat nicht wirklich eine Story. Es ist eher wie eine Erkundungsreise in Sachen Ethik. Genau wie das Daodejing. (überlegt und rezitiert anschließend) “Rule a nation with justice / Wage war with surprise moves”: Beispielsweise nicht geblendet zu werden von seinen eigenen Erfahrungen. Das möchten wir aber gern den Hörer erfahren lassen.
motor.de: Euer neues Album besteht aus zwei Teilen. Worin unterscheiden sie sich?
Keely: Ursprünglich war die Stimmung der Gitarren der Unterschied. Der erste Part ist auf D gestimmt und der zweite auf F. So haben wir die Songs mit diesen Tunings im Hinterkopf geschrieben. Textlich gesehen setzt sich der zweite Teil mit dem Daodejing auseinander, der erste hingegen ist eher eine Art Sammlung verschiedener Ideen, die alle vermischt wurden.
motor.de: Ich habe gelesen, dass die Platte nach nur sehr kurzer Zeit im Kasten war.
Keely: Ja, die grundsätzlichen Aufnahmen haben nur zehn Tage gedauert.
Reece: Ich denke, das Gute an dieser Herangehensweise sind die ganzen glücklichen Zufälle, die uns dabei passiert sind. Viel davon haben wir einfach behalten. Das war alles ziemlich instinktiv.
Keely: Es gibt sehr viele Tracks auf dem Album, die gleich nach der ersten Session im Kasten waren. Auch die Lyrics waren sehr skizzenhaft und wurden im Nachhinein trotzdem behalten.
motor.de: Was hat sich dieses Mal, verglichen mit euren vorherigen Alben, verändert?
Reece: Dinge, die sich geändert haben…nun, ich schätze…
Keely: Wir sind besser.
Reece: (lacht) Ja, wir sind besser. Die Aufnahmen waren nicht mehr so ein schwieriger, negativer Prozess. Alles war irgendwie erbaulicher. Der Produzent, mit dem wir gearbeitet haben, war super euphorisch. Jeden Tag auf’s Neue war er schon direkt nach dem Aufwachen wie „Seid ihr Jungs bereit, Songs aufzunehmen!? Alles klaaaar! Ich kann nicht glauben, dass wir heute mal wieder so großartige Musik machen!“ (lacht)
Keely: Er war wie ein Coach.
motor.de: Habt ihr schon mal darüber nachgedacht, Alben visuell in Form von Clips darzustellen?
Keely: Wir haben bisher schlechte Erfahrungen mit Videos gemacht. Immer, wenn wir einen Clip gedreht haben, war das Ergebnis wirklich schlecht. Wir mögen unsere Videos nicht.
Reece: Wir haben bisher sechs Videos gedreht, sie sind im Internet und…
Keely: …wir werden dich jetzt nicht animieren, danach zu suchen!
Reece: Ich würde gerne zu jedem Song einen individuellen Clip drehen und dann am Ende müsste ein abendfüllender Film mit zusammenhängenden kurzen Clips herauskommen. Das wäre cool!
motor.de: Dazu bräuchtet ihr aber sicherlich ein Konzeptalbum.
Keely: No way! Konzeptalben sind albern.
motor.de: Im April 2011 kommt ihr zurück nach Europa?
Keely: Genau und wir freuen uns schon riesig! Dann gibt es gutes Wetter, es ist warm, es ist Frühling und alle liegen nackt herum…großartig.
Interview: Danilo Rößger
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