Große Bands haben ausführliche Legenden.
1986 inseriert ein gewisser Charles Thompson mit Joey Santiago in einer Bostoner Tageszeitung eine Anzeige. Die beiden Kommilitonen der University of Massachussets brauchen einen Bassisten, der – laut Anzeige – Hüsker Dü und Peter,Paul and Mary mit seinem Musikgeschmack vereinbaren kann. Es heißt, lediglich Kim Deal habe sich auf die Anzeige gemeldet und dass obwohl sie weder Bass spielen kann, noch einen ihr Eigen nennt.
Mit dem Bass ihrer Schwester und einem Kumpel, David Lovering, für die Drums erscheint sie beim späteren Black Francis und Joey Santiago. Die Pixies sind geboren und diese Formation wird sich über die Jahre nicht mehr ändern.
Eine Garagenband sind sie, üben fleißig und schreiben schon nach kurzer Zeit einen ihrer größten Hits: ‘Here Comes Your Man’.
Das legendäre ‘Purple Tape’ kommt zustande, weil Produzent Gary Smith, später ihr Manager, die Gruppe als Support für die Throwing Muses sieht und ihnen einen dreitägigen Studioaufenthalt im Fort Apache Studio, in dem später auch Dinosaur Jr. aufnehmen wird, ermöglicht. Acht Songs finden sich auf der ersten Veröffentlichung der Band wieder, der EP ‘Come On Pilgrim’ von 1987.
Die lila Tapes machen die Runde, Black Francis und seine Mannen landen beim Label 4AD. Sie entwickeln sich zu eine der führenden Independentbands überhaupt. Ihr einfacher, aber ungestümer Drei-Akkorde-Rock mit den ständigen, rasanten Tempiwechsel wird zum Vorbild unzähliger Jungkombos. Vor allem die Mischung aus schrägem Sound und wunderschönen Melodien, den expressionistischen Lyrics und der abwechselnd murmelnden, dann kreischenden Stimme Black Francis’ machen die Pixies so einzigartig. Indieklassiker am Fließband schütteln sie zwischen 1987 und 1992 heraus: ‘Monkey Gone To Heaven’, ‘Debaser’, ‘Gigantic’, ‘Where Is My Mind?’, die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
Das erste Album ‘Surfer Rosa’ 1988 – ja, Steve Albinis Produzentenruf speist sich genau aus solchen Zusammenarbeiten an frühen Klassikern wie diesen. Ein Jahr später dann der kommerzielle Durchbruch: ‘Doolittle’, wohl der Höhepunkt der Band, danach verdunkelt sich der Himmel stetig.
Doch die Singles des Zweitwerks revolutionieren die Musikwelt. Indiegeschrammel wird salonfähig, Top 10-Hits und mediale Präsenz der Käuze. Es kommt Bewegung in MTV. Auch dank den Pixies. Die britische Musikzeitschrift NME kürt ‘Doolittle’ gar zum zweitbesten Musikwerk überhaupt.
Doch Black Francis’ Stil wird immer autoritärer, Spannungen mit den Bandmitgliedern unvermeindlich. Das Nachfolgewerk ‘Bossanova’ schreibt Francis komplett selbst und die Soloprojekte aller beteiligten gewinnen Nahrung. Bis 1991 liefern die Pixies im Jahrestakt also vier Studioalben ab, danach wird erstmal pausiert, sich den eigenen Unternehmungen gewidmet. Funkstille. Auch immer mehr Streit. Francis zieht 1993 eigenmächtig die Konsequenzen und verkündet den Bandsplit via Medien.
Als Frank Black – flipside, quasi – mit den Catholics macht Thompson fortan Musik. Reifer, friedlicher und manche meinen bisweilen glücklicher als bei seiner alten Band. Pixies, natürlich, bleiben Pixies. Unerreicht, verehrt. Die Glorifizierung des NME sagt alles.
Und wie so oft bei lebenden Musiklegenden: 2004 die Reunion. Die Streitereien und gegenseitigen Verletzungen sind zwar nicht ausgeräumt, offen bekennt man sich zur Haltung: „Freunde sind wir eigentlich nicht“, aber man kann ja mal wieder zusammen touren, sich feiern lassen, Geld verdienen. Ein neues Album wird es wohl nicht geben. Aber einen Song hat die Musikindustrie der alten Kombo aus dem Kreuz geleiert. i-Tunes wird gut verdienen daran, Mr. Francis oder wahlweise Mr. Black ebenso.
Und das letzte Kapitel, ob es ein neues Pixies-Album vielleicht doch noch geben wird oder nicht, ist noch nicht geschrieben.
Mauricio Quinones
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