Sie sind keine Anfänger mehr und haben bereits mehrere Veröffentlichung in ihren Biographien zu verzeichnen – doch ist “Patience Camp” das erste Album, das Tusq zusammen aufgenommen haben. Meet the Allstars.

Das Debüt von Tusq überrascht als weitläufiges Gitarrenalbum alter Prägung, bei dem understatete Coolness und zeitvergessene Eleganz zusammenkommen. Die Musiker sind dabei alles andere als blutige Anfänger, sondern stellen zusammen eine veritable Supergroup der kleinen Namen.

Schrottgrenze sind inzwischen Geschichte, aber Gitarrist Timo Sauer hatte wohl noch während ihrer letzten Tage eine neue Band in der Hinterhand, die sich entschieden anders anhört als die üblichen “Projekte” unausgelasteter Mucker. Tusq setzen sich aus Mitgliedern von Herrenmagazin, D-Sailors, The Coalfield und eben Schrottgrenze zusammen und klingen tatsächlich so, als freuten sich alle Beteiligten über jede freie Minute abseits ihrer Hauptbands. Dabei gibt sich die Neuformierung in gleich mehrfacher Hinsicht selbstbewusst unmodern: “Patience Camp” taugt nur bedingt zum Hipster-Soundtrack, lässt aber dafür auf umfangreiche Plattensammlungen und ein besonderes Faible für die abgedunkelten Ecken der Achtziger Jahre schließen. Das Album feiert seinen kreativen Urknall irgendwo in den Anfangstagen von The Jesus And Mary Chain, um von da aus mit ultramelodischen Gitarrenlinien und tief getünchter Romantik loszulegen. Beinahe alle Songs darauf spielen sich im hypnotisch pulsierenden Midtempo-Bereich ab und huldigen den weiterhin unbegrenzten Möglichkeiten von Gitarre und Hall.

TUSQ – You And I

“Patience Camp” entstand dem Vernehmen nach unter der Ägide von Jürgen Hendlmeier (Flaming Sideburns) in Finnland und zelebriert genau die Art kraftvollen Abenteuer-Rocks, für den die Nacht eigentlich nicht lang genug sein kann. Die Platte artet dabei allerdings nie in musikalische Kraftmeierei aus, sondern räumt trotz aller Powerchords und Gitarrenflammen Platz für luftiges Songwriting und die entsprechenden Melodien frei. Prägnant in diesem Zusammenhang auch die Stimme: Uli Breitbach ist alles andere als ein Proberaumdespot, findet aber trotzdem die Balance zwischen unaufdringlicher Nähe und Funken stiebendem Bravado. Ein bisschen Gefahr schwingt dabei auch immer mit, selbst wenn die Songs Titel wie “Let The Fairies Lead The Way” oder “Fields Of Spring” tragen und eindeutig mit heißem Herzen geschrieben wurden. “Patience Camp” kann man sich deshalb ohne Weiteres im Kassettendeck seines Fluchtwagens vorstellen, vorausgesetzt, das vorhergehende Verbrechen wurde aus Leidenschaft begangen. Unterm Strich ist das Album damit genauso wie es das geflügelte Wort fordert: süß genug für die Mädchen, hart genug für die Jungs.

Michael Haacken

VÖ: 22.10.2010

Label: Strange Ways (Indigo)

Tracklist:

01 Urban Spaces
02 You And I Tusq
03 Love Vs. Reason
04 History Lane
05 Let The Fairies Lead The Way
06 Fortune
07 Full Scale Retreat
08 Heart Drive Collective
09 Fields Of Spring
10 Unfold