Am 17. September kommt das neue Erdmöbel-Album „Krokus“ heraus. Gleichzeitig veröffentlicht Sänger Markus Berges seinen Roman “Ein langer Brief an September Nowak”. Bei so viel Aktivität und nach 15 Jahren Bandgeschichte ist es Zeit, ein Zwischenfazit zu ziehen.

In der DDR nannte man Särge angeblich Erdmöbel. Soviel zum Wortwitz im Bandnamen. Die Band aus Köln ist sonst auch sehr auf ihre deutschsprachigen Texte bedacht. Nach der Auflösung vorheriger englischsprachiger Formationen, gründeten Ekki Maas, Markus Berges, Christian Wübben und Wolfgang Proppe 1995 Erdmöbel. Dass die Sprache bei ihnen einen wichtigen Stellenwert einnimmt, beweist Sänger Markus Berges auch und veröffentlicht seinen ersten Roman “Ein langer Brief an September Nowak” bei Rowohlt. Nach dem Vorgängeralbum “No. 1 Hits” auf dem Erdmöbel noch Songs von Größen wie Kylie Minogue oder Nirvana coverten, wollen sie nun wieder zeigen, dass sie selbst auch Songs schreiben können. Ein Gespräch mit Markus Berges und Ekki Maas.


motor.de: 15 Jahre Erdmöbel – könnt ihr ein Zwischenfazit ziehen? Ist es der Anfang oder das Ende?

Ekki Maas:
Das Ende ist es auf keinen Fall, weil wir das wahrscheinlich ein Leben lang machen werden. Wir haben irgendwie das Gefühl, dass es immer noch aufwärts geht, wir sind noch nicht irgendwo angekommen.
Markus Berges: Für uns alle ist es so, dass Erdmöbel zu den Dingen gehört, die am meisten Spaß machen. Deswegen stellt sich die Frage gar nicht. Wir werden deswegen nicht aufhören, weil das zu den buntesten, schönsten und überraschendsten Aspekten gehört.
Ekki Maas: Man hört ja nicht auf, weil man ein bestimmtes Alter erreicht hat. Man ist ja stolz auf das, was man inzwischen gelernt hat. Es ist nicht so, dass ich mich in 15 Jahren nicht weiterentwickelt habe. Ich kann jetzt Sachen, die konnte ich vor 15 Jahren nicht. Vor 15 Jahren konnte ich ganz andere Sachen. Wenn ich die erste Platte höre, dann staune ich auch. Da sind Dinge drauf, die hab ich längst verlernt.

motor.de: Wie seht ihr die Entwicklung über die letzten acht Studioalben?

Ekki Maas: Wir haben bei jedem Album für uns selbst immer etwas anders gemacht. Das hört sich von außen vielleicht nicht so krass an, aber ist für uns doch teilweise recht krass gewesen. Wir haben am Anfang ja richtige Rockmusik gemacht, mit zwei E-Gitarren, lauten Gitarrenverstärkern und haben das mal irgendwann einfach abgeschaltet, damit wir diesen Gewohnheiten nicht mehr erliegen. Und das haben wir diesmal auch getan. Das Klavier ist das Instrument, was die Musik hart macht, wenn sie hart ist: Das Klavier, nicht die Gitarre. Das hält uns auch bei der Stange. Der Konsument braucht da wahrscheinlich eher so die Konstanten. Das zum Beispiel die Stimme immer gleich klingt und so.
Markus Berges: Das könnten wir doch mal verändert: Die Stimme! (lacht) Da könnte doch mal unser Schlagzeuger singen.

Erdmöbel – Krokus

motor.de: Was erwartet die Hörer des neuen Albums?

Ekki Maas: Für alle, die Erdmöbel schon kennen: Die neue Platte ist deutlich härter als früher. Unsere Absicht war, eine Platte zu machen, die keine Rücksicht darauf nimmt, ob es verständlich ist oder nicht. Die Sachen wirken sehr direkt und emotional. Das ist die aggressive Erdmöbel-Version.
Markus Berges: Und alle die es nicht kennen, die erwartet ein ähnliches Erlebnis wie wenn sie eine tolle Fremdsprache genießen können. Nämlich, dass sie nicht alles verstehen, sondern nur manches.
Ekki Maas: Und es sind Texte, die es so bei keiner anderen Band gibt. Wir haben eine ganz andere Art mit anspruchsvoller deutscher Sprache umzugehen. Wir hatten aber im Nachhinein das Gefühl, dass es diesmal viel direkter und klarer ist, dass das Ganze auch nicht logisch gemeint ist, sondern emotional. Die Leute hören die Musik, einzelne Worte, Sätze oder Melodien und es entsteht sofort etwas. Das ist sehr gut gelungen dabei.

motor.de: Aber für euch ist die Musik noch verständlich?

Ekki Maas: Nee. Es war für mich auch ein harter Schritt, weil ich die Texte irgendwann im Booklet gelesen habe und dann die Sachen wegen Satzzeichen und sowas plötzlich eine andere Bedeutung hatten, als ich sie verstanden hatte. Wir haben überlegt, ob wir Texte überhaupt abdrucken, weil wir den Leuten diese Freiheit nicht rauben wollten, Sachen anders zu verstehen. Jetzt haben wir einen Kompromiss gefunden, haben Texte abgedruckt und wenigstens die Groß- und Kleinschreibung weggelassen. Sodass da noch ein paar mehr Spielräume drin sind und das Ganze nicht ganz so logisch aussieht.

motor.de: Markus, du hast ja parallel zum Album ein Buch geschrieben. Was hat der letzte Titel des Albums „September Nowak“ damit zu tun?

Markus Berges: Es hat nur zufällig etwas damit zu tun. Ein Freund von Ekki hat gesagt:” Euer Album ist toll, aber zu kurz. Macht doch mal ein Instrumental!” Den Gedanken fanden wir gleich gut und erst darüber ist die Idee gekommen, den Titel „September Nowak“ zu nennen. Der Roman hat mit Erdmöbel nichts zu tun, außer dass ich, der Sänger, ihn geschrieben habe. Der Song passt aber gut zu dem Roman.

motor.de: Was denkt ihr, wie ihr nach 15 Jahren die deutschsprachige Musiklandschaft geprägt habt?

Ekki Maas: Wir kennen keine Band, die uns nachmacht. Und das ist ja bei anderen Bands ganz extrem so, dass es ganz viele gibt, die fast genauso sind. Es gibt keine Band, die uns nachmacht, oder?
Markus Berges: Es ist einfach zu schwer uns nachzumachen (lacht). Ich hab keine Ahnung. Aber allein dieser Ansatz so assoziativ mit Sprache umzugehen, das kommt aus meiner Sicht von uns in Deutschland sehr originell rüber. Es macht auch niemand sonst, aber es ist total gängig. Denn im angloamerikanischen Raum arbeiten 60 bis 70 Prozent aller ernstzunehmenden Bands so. Aber auf die Frage, wie wir die deutschsprachige Musik geprägt haben, würde ich spontan sagen – nur durch unsere Existenz. Aber sichtbar? Ich kann das nirgendwo dran ablesen. Wir haben hoffentlich die Hörgewohnheiten unserer Fans positiv befruchtet.
Ekki Maas: Wir waren aber auch Teil dessen, dass es viel normaler geworden ist, dass man deutsch singt. Wir müssen nicht wie Udo Lindenberg oder Herbert Grönemeyer den Klang der deutschen Sprache verändern, damit man das singen kann. Wir singen so, wie das halt klingt und das ist viel üblicher geworden. Man ist nicht mehr schockiert, wenn man Blumfeld hört. Wir haben die Sprache nicht mehr wegen der Schockwirkung eingesetzt.
Markus Berges: Für mich war die Initialzündung der erste deutschsprachige Song von Erdmöbel Of Crime (lacht), ähm Element Of Crime. Die hatten bei ihrem letzten englischsprachigen Album einen deutschsprachigen Song drauf. Das war genau zu der Zeit, als ich versucht habe, Songs zu schreiben – natürlich auf Englisch, so wie jeder. Und das war für mich der Punkt, wo ich gedacht habe: “Aha, so kann das auch gehen.

Erdmöbel – Fremdes

motor.de: Wo du Element Of Crime gerade ansprichts. Sven Regener hat „Herr Lehmann“ geschrieben, nun hat Markus auch ein Buch parat. Welche Parallelen gibt es da?

Ekki Maas: (lacht) Dazu sag ich jetzt mal was! „Herr Lehmann“ ist natürlich ein gutes Vorbild dafür, dass einer, der sonst eigentlich Musiker ist, ein Buch schreibt. Nach ihm kamen ja dann auch plötzlich ganz viele Semi-Prominente, die über ihr Leben lustige Bücher schrieben. Das war sicher auch eine der Erwartungen, die die Verlage hatten, als sie an Markus herantraten. Dass er vielleicht mal eine schräge Version seiner Jugend aufschreiben könnte. Aber das hat er eben nicht gemacht.
Markus Berges: Die Sachen die es so gibt sind ja meistens auch Musiker-Romane. Und was ich gemacht habe, ist definitiv kein Musiker-Roman. Damit will ich mich jetzt aber nicht abfällig darüber äußern, denn „Herr Lehmann“ zum Beispiel fand Ekki sehr gut. Ich fand das nicht so toll. Ich hab aber „Neue Vahr Süd“ sehr gerne gelesen. Allerdings hatte das für mich nicht den geringsten Vorbildcharakter. Aber der Vergleich liegt natürlich nahe.

motor.de: Und was wollt ihr motor.de-Lesern noch mitgeben? Warum sollten sie sich die neue Platte kaufen?

Ekki Maas: Da brauchen wir gar nichts drüber zu sagen. Das soll jeder machen wie Dachdecker. Mir ist aber wichtig zu sagen, dass die Leute Musik wichtig nehmen sollen. Und dann kommen sie automatisch zu Erdmöbel. Da bin ich sicher. Nicht Musik selbstverständlich nehmen! Die soll man wichtig nehmen und die ist auch wichtig gemeint.
Markus Berges: Wenn man uns noch nicht kennt, kann man glaube ich wegen der tausend Sachen, die wir jetzt gesagt haben, ein sehr individuelles Erlebnis haben. Nicht in erster Linie ein Erdmöbel-Erlebnis, sondern man kann noch mehr Erlebnisse mit sich selbst haben. Und wenn man das noch nicht ausprobiert hat, dann sollte man das als motor.de-Leser einfach mal machen.

Interview: Daniel Schmidt

Erdmöbel – “Krokus”

VÖ: 17.09.2010

Label: Content Records

Tracklist:
01. 77ste Liebe
02. Arbeiten
03. Fremdes
04. Brasilia
05. Wort ist das falsche Wort
06. Emma
07. Erster Erster
08. Ausstellung über das Glück
09. Krokusse
10. Snoopy-T-Shirt
11. Sunrise
12. Das Leben ist schön
13. September Nowak