Frontier(s)-Frontmann Chris Higdon über sein Ego, Kriegselefanten und die Politik in den USA.
Mit “There Will Be No Miracles Here” haben Frontier(s) in der vergangenen Woche ein vielversprechendes Debütalbum vorgelegt, das ganz in der Tradition des sogenannten Midwestern-Emo steht, der um die Jahrtausendwende seine Hochphase hatte. Sänger Chris Higdon dürfte Fans des Genres noch aus seiner Zeit bei Elliott in Erinnerung geblieben sein. Gegenüber motor.de verrät er, was ihn dazu bewegt hat, eine neue Band zu gründen, was es mit seinen kryptischen Lyrics auf sich hat und ob Frontier(s) in absehbarer Zeit für Konzerte nach Europa kommen werden.
motor.de: Deine ehemalige Band Elliott hatte großen Einfluss auf viele jüngere Emo-Bands, die später weitaus erfolgreicher wurden als es Elliott jemals waren. Wie gehst du damit um?
Chris Higdon: (lacht) Tja, so ist das damals halt gelaufen, aber wir waren eigentlich immer damit beschäftigt, uns ganz auf unsere eigene Musik zu konzentrieren. Solange man hinter dem steht, was man selbst macht, sind solche Dinge auch nicht so wichtig. Es ging uns nie so sehr darum, wie groß wir werden könnten und wie viel Geld wir mit der Band verdienen. Außerdem ist es ja auch toll, wenn man jüngere Bands inspiriert.
motor.de: Ihr trauert also keinen verpassten Chancen nach?
Chris: Natürlich muss man mit seinem Ego im Reinen sein, wenn man MTV anschaltet und dort plötzlich Bands zu sehen sind, die früher unsere Vorbands waren. Da denkt man sich dann doch schon mal: „Wie konnte das passieren?“ (lacht)
Chris Higdon (2.v.l.) und seine neue Band Frontier(s)
motor.de: Du hast kürzlich gesagt, dass du deshalb wieder eine Band gegründet hast, weil du in letzter Zeit keine Musik mehr findest, die Du gern hörst. Mochtest du denn nichts von dem, was in den vergangenen Jahren veröffentlicht wurde?
Chris: Das Problem das ich hatte, war schlichtweg, dass vieles von dem, was ich in letzter Zeit gehört habe, sehr kalkuliert auf mich gewirkt hat. Nach dem Motto: „So Jungs, hier habt ihr einen Van und einen Anhänger jetzt gründet eine Band!“ Es ist mir eigentlich egal, ob Musik meinem Geschmack entspricht oder nicht, so lange sie ehrlich ist. Aber genau diese Ehrlichkeit hat mir bei vielen Bands in der letzten Zeit gefehlt.
motor.de: Gab es in jüngster Vergangenheit trotzdem irgendetwas, dass dir gefallen hat?
Chris: Ich bin in letzter Zeit zu einem großen Jose Gonzales-Fan geworden. Was ich nicht wusste, ist, dass wir zu Elliott-Zeiten sogar mal mit seiner alten Band auf Europa-Tour waren. Ich wurde also zum Jose Gonzales-Fan, ging zu einer seiner Shows und plötzlich machte es Klick.
motor.de: Es ist auffällig, wie viele Emo-Bands der „alten Schule“ in diesem Jahr ein Comeback mit neuen Platten feiern. Zum Beispiel Chamberlain, Far oder die Get Up Kids. Und schließlich kehrst auch du mit einer neuen Band zurück auf die Bildfläche. Siehst du da eine gewisse Verbindung?
Chris: In gewisser Weise ist es tatsächlich interessant, dass viele von den Bands, mit denen wir schon früher zusammen gespielt haben, plötzlich wieder da sind. Vielleicht gibt es wirklich eine Art Verbindung zwischen den Reunions, von denen wir selbst nichts wissen. Auch wenn das in meinem Fall ja etwas anders ist als bei den genannten Bands. Zumindest haben wir ja nicht Elliott wieder aufleben lassen. Aber viele von uns haben sich in letzter Zeit vielleicht neu erfunden.
motor.de: Ein Song auf „There Will Be No Miracles Here“ trägt den Titel „Abul Abbas“ – der Name eines legendenumwobenen Kriegselefanten, der vor 1200 Jahren gelebt haben soll und von Bagdad nach Europa gebracht wurde. Was hat es mit diesem kryptischen Titel auf sich?
Chris: Ich habe mir schon gedacht, dass der Titel ziemlich kryptisch ist, aber immerhin hast du die Bedeutung ja doch heraus gefunden (lacht). Es schien mir einfach eine geeignete Metapher zu sein, für die Verbindung von verschiedenen Orten, die ich persönlich mit dem Song verbinde. „Abul Abbas“ ist eine Mischung aus Politik und Lovestory. Es bleibt dem Hörer überlassen, ob er den Titel mit dem Jihad oder mit Liebe verbindet. Und ein Kriegselefant, der zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten gelebt hat, erschien mir einfach als passend.
motor.de: Deine Lyrics lassen dem Hörer generell viel Raum, um sie zu interpretieren, auch in einem politischen Sinne. Im Song „Bones“ heißt es etwa: „We send the loved to wastelands/ We warned of Storms that never come”. Hast du diese politische Sphäre bewusst gewählt?
Chris: Für mich hat der Song viel mit der Gesundheitsreform in den USA zu tun. Ich habe ihn geschrieben bevor die Reform verabschiedet wurde. Der Punkt ist, dass unsere Regierung manchmal so wenig tut für so viele Leute und auf der anderen Seite so viel für sehr wenige Leute. Übrigens ist das tatsächlich die Art und Weise wie ich meine Texte schreibe. Ich habe bestimmte Gedanken im Kopf, dennoch lasse ich dem Hörer genug Raum, um sie selbst zu interpretieren.
motor.de: Wenn du dir das Publikum auf einer Frontier(s)-Show anschaust, sind dort vor allem alte Elliott-Fans und Leute, die bereits die Bands eures Gitarissten Matt (Guilt, Mouthpiece, The Enkindles) kannten oder auch jüngere Besucher, die lediglich das neue Material kennen?
Chris: Da wir momentan vor allem lokale Shows spielen, sind die meisten Leute auf den Konzerten alte Bekannte. Allerdings versuchen wir das in nächster Zeit zu ändern.
motor.de: Ich habe auch gelesen, dass du nicht mehr darauf verzichten willst, Miete zu zahlen, nur um auf Tour zu gehen. Wie viele Shows plant ihr in nächster Zeit und können wir damit rechnen, dass Frontier(s) bald nach Europa kommen?
Chris: Wir planen auf jeden Fall auch nach Europa zu kommen. Derzeit laufen einige Gespräche in diese Richtung und unser Label arbeitet sehr hart. Vielleicht könnte es schon im Januar des nächsten Jahres soweit sein. Wir hatten jedenfalls immer eine großartige Zeit in Europa. Der Punkt ist, dass Frontier(s) lediglich ein Teil meines Lebens werden soll und nicht mein kompletter Lebensinhalt. Sobald eine Band ein bestimmtes Level erreicht hat, verliert man schnell die Kontrolle über die Dinge und es kommt wirklich auf die Balance an. 30 Shows in einem halben Jahr zu spielen wäre eine angenehme Vorstellung (lacht). Auf jeden Fall ist es schön, dass die Leute da draußen sich für uns interessieren.
Thomas Kasperski
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