In zwei Wochen beginnt die Berlin Music Week. Das Gemeinschaftsprojekt von drei höchst ungleichen Partnern soll vom 6. bis 11. September die Antwort auf die Probleme bringen, an denen zuvor die Branchenmesse Popkomm gescheitert war. Zu kämpfen hatte die im vorigen Jahr abgesagte Musikmesse in erster Linie mit den Folgen der Digitalisierung. Downloads ließen die Umsätze der Plattenfirmen einbrechen und die Branche begann sich neu und kleinteilig zu organisieren.
Die Reaktion auf die Absage der Popkomm kam prompt: Eine Gemeinschaft aus Netz- und Musikaktivisten (zu der auch der Autor gehört) startete als gemeinnütziger Verein ein offenes Diskussionsforum, um sich den Problemen zu stellen. Im Rahmen der all2gethernow, kurz a2n, wurden 2009 erstmals nach Lösungen für Bands, Labels und Internet-Community gesucht. Kurz darauf feierte auch das Berlin Festival seine Premiere auf dem Flughafen Tempelhof. Veranstalten tut es die privatwirtschaftliche Melt/intro Gruppe.
Neben den Verlegern und Veranstaltern von Melt/intro, wurden jetzt der Verein a2n und die städtische Messe in der Berlin Music Week zusammengefasst. Man wollte sich vernetzen und nicht gegeneinander arbeiten. Das war einerseits Gebot der Logik, andererseits Wunsch der Stadt. Von der Zusammenarbeit verspricht man sich Denkanstösse mit dem Beginn des a2n Camps am 6. und 7.9. in der Kulturbrauerei und Konzerthöhepunkte mit dem Berlin Festival bis zum 11.9. auf dem Rollfeld von Tempelhof. Zwischendurch (8. Und 9.9.) wird der Neustart der Popkomm in den Ankunftshallen gewagt.
Die Interessen der Partner sind dabei dennoch durchaus unterschiedlich: Während die a2n versucht für Musiker und Musikproduzenten attraktiv zu sein, muss das Berlin Festival Karten an Konzertgänger verkaufen und die Messe jede Menge Fläche an den Mann bringen. Das dokumentiert sich in einer unhomogenen Preisstruktur. Während die a2n Teilhabe für 30 Euro über zwei Tage ermöglicht, kostet bei der das Ticket für die Popkomm nicht unter 236.- Euro. Begründet sieht man den mächtigen Preis darin, dass man dafür auch Zutritt beim Festival und der a2n erhält. Heutzutage sind viele Bands zugleich ihre eigene Plattenfirma. Ein solcher Preis schreckt da eher ab.
Große Konzerne wie Universal, Sony, Warner und EMI für die das scheinbar nicht so ins Gewicht fällt, stellen eine deutliche Minderheit in der Breite der Musikbranche dar.
Die Preispolitik wird sicher auch dadurch begründet, dass das Geschäftsmodell der Messe im Verkauf von Standflächen besteht. Die Messe, der weitaus größte Partner im Verbund der Berlin Music Week, hat ihre Aufgabe bereits erledigt. Die Ausstellungsflächen auf den Flughafen Tempelhof sind ausverkauft. Der verantwortliche Messe Geschäftsführer Kleinhenz (siehe Bild unten) war darüber so begeistert, dass er glatt alle zuvor getroffenen Absprachen der Partner der Berlin Music Week vergaß: Eigentlich wollte man Fakten und Neuigkeiten gebündelt und zusammen kommunizieren.
Dr. Ralf Kleinhenz
Mit einer schnell einberufenen Pressekonferenz am vergangenen Dienstag eilte er seinen Partnern davon. Den geladenen Medienvertretern wurde verkündet, dass neben diversen Exportbüros aus allerlei Ländern und Regionen, nun auch die EMI zur Teilnahme habe überredet werden können.
Wer sich auskennt weiß, dass die EMI ist mit ihrer Schuldlast von 2.9 Milliarden Euro das Griechenland der Musikbranche ist. Hoffentlich hat sie ihren Stand bereits vorab bezahlt. Auch die anderen Mieter sind großteils Beleg einer noch nicht zu Ende durchlebten Strukturkrise der Musikwirtschaft: Es sind fast ausschließlich städtische, oder staatliche Organisationen.
Nicht nur in Deutschland wurde Popmusik im Übergang von großen zu kleinen Strukturen, Gegenstand staatlicher Förderpolitik. Eine Popkomm auf der sich die unterschiedlichen, staatlichen Programme gegenseitig präsentieren, hat aber eher einen geschäftsfremden Charme und erinnert viel mehr an die „Schaufenster des Sozialismus“ genannten Leipziger Frühjahrsmessen.
Egal ob Musik, Presse, Rundfunk, Kino – die Digitalisierung führt dazu, dass die Strukturen unter Druck geraten, jedoch Produzenten und Konsumenten an Bedeutung gewinnen. Mit Hilfe des Internets tauschen beide Seiten sich nämlich oft gänzlich ohne Mittelsmann aus. Eine a2n versucht deshalb Musiker zu binden und ihnen etwas zu bieten, indem Brachenexperten ihnen einen ganzen Tag in einer „Werkstatt“ zu ihrer eigenen Musik Rede und Antwort stehen. Bei der der Produzent und Schlagzeuger Martin Atkins (P.I.L., Nine Inch Nails uva) das neue Musikbusiness erklärt und zum Beispiel die Gründer von „Flattr“ aufzeigen, wie Micropayment funktioniert. Das Berlin Festival versucht Konzertbesucher im Scharen heranzuziehen, in dem man mit Hot Chip, LCD Soundsystem, Fatboy Slim und vielen mehr, fast alle Stars der elektronischen Musikszene aufbietet. Beides wird hoffentlich im großen Rahmen angenommen werden.
Nur durch die konsequente Einbeziehung von denen, die Musik machen, und solchen, die sie konsumieren wird auf Dauer zu einer erfolgreichen Re-Etablierung der Popkomm führen können. Der für die Messe verantwortliche Wirtschaftssenat wird sich das Treiben auf der Berlin Music Week sicher genau anschauen. Bleibt es beim bislang diskutierten Timing für das Jahr 2011 findet sie dann direkt vor der Wahl statt…
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