Beim Einornen der Mediengruppe Telekommander in ein bestimmtes Musik-Genre hat sich sicher schon so mancher Redakteur die Haare gerauft. Die Mischung aus Elektro, Hip-Hop, Punk und Noise lässt sich partout in keine Schublade pressen. Auf dem aktuellen Album „Einer Muss in Führung gehen“ wurde zusätzlich der Schlagzeuger Knut Beukert in die Truppe geholt, der dem Duo auch Live den Rücken stärkt. Dadurch hat sich der Klang noch mehr in die Richtung Noise-Elektro verschoben. Wieder eine dieser musikalischen Weiterentwicklungen, die den Sound der Band stets in neue Bahnen leitet. Das die Mediengruppe, die es nun seit gut zehn Jahren gibt, live eine Macht ist, weiß jeder, der schon mal eine ihrer schweißtreibenden Shows miterlebt hat. In diesem Jahr standen sie erstmals auf dem Line-Up des Immergut-Festivals. Warum eigentlich erst jetzt? motor.de bat Florian Zwietnig und Gerald Mandl zum gemütlichen Plausch im Bauwagen:
motor.de: Ihr passt perfekt in das Immergut Line-Up, seid aber in diesem Jahr zum ersten mal dabei. Woran lag es in der Vergangenheit?
Gerald: Das frag mal die Festival-Leute… (lacht)
Florian: Das wissen wir selbst auch nicht. Aber es kann natürlich sein, dass wir in den Jahren davor am Immergut-Wochenende schon andere Festivals gespielt haben. Das ist so ‘ne Booking-Sache. Keine Ahnung.
Gerald: Wir freuen uns aber in diesem Jahr dabei zu sein.
motor.de: Das aktuelle Album „Einer Muss in Führung gehen“ erschien im letzten August, im September begann die Tour und zog sich mit kleineren Unterbrechungen bis heute durch. Kommt demnächst die verdiente, längere Auszeit?
Gerald: Naja, wir werden im kommenden Sommer etwas weniger spielen. Die Zeit werden wir dann nutzen um an neuem Material zu arbeiten und zwischendrin werden wir sicherlich auch den ein oder anderen Urlaubstag einlegen. (grinst)
motor.de: Wenn man Euren Terminplan sieht, traut man sich gar nicht zu fragen: Ihr arbeitet also an neuem Material. Kann man dazu schon was sagen? Ist das schon spruchreif?
Florian: (Schüttelt den Kopf) Hey, das letzte Album ist noch keine neun Monate alt…(lacht)
motor.de: Aber Ideen gibt es schon…
Gerald: Ja, Ideen sind schon da, aber die Zeit zur Umsetzung fehlt bis jetzt noch.
motor.de: Gestern waren Bonaparte das Live-Highlight. Ihr seid auch für Eure Live-Qualitäten bekannt. Was erwartet uns heut Abend?
Florian: Für alle die, die uns noch nicht als Band gesehen haben, dürfte der Auftritt heut ein Novum sein. Wir sind jetzt sieben Jahre lang allein aufgetreten und stehen nun als Band auf der Bühne. Dadurch haben wir auch ziemlich viele neue Elemente dabei, die man sich auf jeden Fall anschauen sollte: Viel Perkussives, alte Songs umarrangiert, einige spielen wir jetzt komplett anders…
motor.de: Merkt man rückwirkend, dass Euch der Schlagzeuger früher gefehlt hat?
Florian: Nein. Wir sind ja bewusst ohne Drummer angetreten. Das war uns damals wichtig. Über die Jahren kamen dann viele neue Ideen dazu und da war diese eben auch dabei…
Gerald: …und auf der musikalischen Seite war es uns wichtig, so mehr Dynamik in die Live-Shows zu bekommen.
Mediengruppe Telekommander – “Bild Dir Deine Meinung”
motor.de: Bei Eurer Entwicklung über die Jahre könnte man mutmaßen, dass Ihr eine Art “Genre-Flucht” betreibt, um ja nicht eingeordnet zu werden. Stimmt das?
Gerald: Nee, es war uns nur prinzipiell immer wichtig, neue Sachen auszuprobieren und uns selbst musikalisch zu verwirklichen. Immer neue Aspekte reinzubringen, die den Sound verändern, gehörte bei uns einfach dazu.
Florian: Es war keine Genre-Flucht, sondern schon immer ein Genre-Mix. Es sollte immer eine Mischung aus verschieden Genre-Einflüssen sein.
motor.de: In diesem Misch-Genre aus Elektro und Punk hat sich in den letzte Jahren viel getan. Wie seht Ihr diese Entwicklung?
Gerald: Da blicken wir etwas distanzierter drauf. Wir haben immer versucht, uns von diesem reinen Elektro wegzubewegen. Von daher stimmt es vielleicht gar nicht, dass es keine Flucht war: Es ist schon eine Art Wegbewegen von diesem Genre, um das sich mittlerweile eine riesen Szene gebildet hat.
motor.de: Seid Ihr nicht dennoch ein wenig stolz, dieses Genre mitbegründet zu haben?
Gerald: Es ist natürlich super, wenn sich Bands, wie zum Beispiel Frittenbude, auf uns beziehen…
Florian: …oder wir mit Bands aus dieser Richtung auftreten und sie uns erzählen, dass es sie nur gibt, weil sie uns Live gesehen haben. Das war aber nie unsere Absicht. Ich glaube auch nicht, dass Sonic Youth ihren Indie-Alternative-Sound mit der Idee gemacht haben, ein eigenes Genre zu begründen. Das ist einfach passiert und während Sonic Youth ihrem Genre treu geblieben sind, haben wir uns von unserem eben wegentwickelt.
motor.de: Ihr habt lang in unterschiedlichen Städten gelebt und die Band hat dennoch funktioniert. Wie habt Ihr das gemacht?
Florian: Naja, die moderne Welt eben. (lacht)
Gerald: Damals gab es diese ganzen Social-Network-Plattformen noch nicht. Wir haben viel über FTP-Server gemacht – unser Material so hin- und hergeschickt und natürlich auch wahnsinnige Telefonkosten generiert. (grinst)
Florian: Stimmt, da gabs noch kein Skype.
motor.de: War das auch als Teil des Sounds so gedacht?
Florian: Auf jeden Fall. Es war immer das Hin- und Herreichen von Ideen, der unseren Sound ausgemacht hat.
motor.de: Anlässlich der WM: Habt Ihr eigentlich irgendwas mit Fußball am Hut?
(beide sofort)
Florian: Gar nichts!
Gerald: Nee…. Fußball-Fragen sind verboten! (lacht)
Florian: Unser Tontechniker ist Fußball-Fan, den kannst du fragen.
Gerald: Udo komm mal her….Fußball-Frage…
Florian: …der hat sich über die Bayern neulich gefreut.
Udo: Was, Bayern? Achso ja, das fand ich gut.
motor.de: …dass sie verloren haben?
Udo: Ja, da hab ich mich gefreut…war ja auch zu Recht.
Florian: So, das war die Fußball-Frage… (lacht)
Mediengruppe Telekommander – “Bis Zum Erbrechen Schreien”
motor.de: Ihr hab ja im nächsten Jahr Euer zehnjähriges Jubiläum. Habt ihr was geplant?
Florian: Wenn man es wirklich ab dem Moment der Gründung ansieht, dann schon. Oder…?
Gerald: Jaja, nächstes Jahr ist 2011. Hmm, ‘ne Festival-Tour…(lacht)
Florian: Das ist dann wohl eher das Zehnjährige für uns. Im öffentlichen Verständnis zählt wohl eher das erste Album und das wäre dann erst 2014.
Gerald: Ich würd sagen, wir feiern einfach zweimal. Einmal für uns und einmal für die alle anderen…mit Public Viewing und so…(lacht)
Interview: Christoph Berger + Thomas Kasperski
Photos: Christoph Berger
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