Gerade mit dem aktuellen Album “1983” auf Tour stellte sich die schweizer Sängerin Backstage unseren Fragen über ihren Jahrgang, Radio-Quoten und das Leben im urbanen Raum.

Mit dem Album “Monday’s Ghost” kam für Sophie Hunger im Jahre 2008 endgültig der internationale Durchbruch. Ihr eigenständiger Stil bewegt sich seit dem zwischen den Polen Jazz, Folk und Pop. Immer wieder wird ihr Sound auch als erstaunlich “reif” bezeichnet. Sicher nicht zu unrecht, betrachtet man die Tatsache, dass die Schweizerin erst 27 Jahre alt ist und sich dennoch bereits eine seltene Tiefe in ihrer Musik erkennen lässt. So auch auf dem aktuellen Album “1983“.

motor.de: Aufgewachsen bist du in Bern, London, Bonn und Zürich. Wie ist das für einen jungen Menschen, wenn man so häufig von einem Ort zum nächsten zieht?

Sophie Hunger: Da ich nur dieses Leben kenne, ist es schwierig für mich, mir vorzustellen wie es ist, nur an einem Ort aufzuwachsen. (überlegt) Auf jeden Fall ist man aber wohl ein ganzes Stück unverbindlicher im Umgang mit Menschen.

motor.de: Dein aktuelles Album trägt den Titel „1983“, das Jahr in dem du geboren bist. Hast du eine vage Vorstellung, wofür diese Generation einmal stehen wird?

Sophie Hunger: Der Song „1983“ versucht ja mit diesem Jahrgang darüber ins Gespräch zu kommen. Aber während vielleicht Soziologen in ein paar Jahren eine Antwort auf diese Frage geben können, komme ich in dem Song zu keinem wirklichen Schluss.

motor.de: Trotzdem hat man den Eindruck, du sehnst dich ein wenig nach einer Antwort auf diese Frage, vielleicht sogar die ganze Generation…

Sophie Hunger: …das ist schön ausgedrückt. Da könnte etwas dran sein.

motor.de: In einem anderen Interview hast du einmal von „zwanzigjährigen zwangseuphorischen Menschen“ gesprochen. Auch hier hat man wieder das Gefühl, dass du ein wenig mit deiner Generation haderst.

Sophie Hunger: Ich glaube da ging es speziell um Radiomoderatoren. Die sind ja meistens Anfang 20, rund um die Uhr gut gelaunt und aufgedreht. Als wären sie auf irgendwelchen Drogen. Das finde ich unerträglich.

motor.de: Angesprochen auf die Qualität der Musik im Radio, hast du dieses einmal als „amerikanisches Hitradio“ bezeichnet. Was hältst du von Radio-Quoten um etwa deutschsprachige Musik populärer zu machen? Ähnliches gibt es ja zum Beispiel in Frankreich.

Sophie Hunger: Grundsätzlich bin ich gegenüber solch protektionistischen Maßnahmen eher skeptisch. Aber in der praktischen Umsetzung ist etwa in Frankreich dadurch eine ganz eigene Radio-Tradition entstanden. Es ist also keine hohle Sache und man sollte darüber nachdenken. Dennoch bleibt Protektionismus in Bezug auf Kunst schwierig, weil er etwas vorschreibt.

motor.de:
Ein Song auf „1983“ trägt den Titel „City Lights Forever“. Was symbolisieren die Lichter einer Stadt für dich?

Sophie Hunger: Ich habe versucht mir vorzustellen, woraus Städte bestehen, was einen da umgibt. Die meisten Menschen leben heute in Städten obwohl alle Städte zusammen nur vier Prozent der Erdoberfläche ausmachen. Städte sind eigentlich nichts weiter als große Collagen. Sie bestehen aus vielen einzelnen Teilen, die einen umgeben. Und trotzdem ist man häufig allein.

motor.de: Mittlerweile hast du ja eine Band um dich versammelt. Könntest du dir vorstellen, noch einmal eine Platte ganz für dich allein zu schreiben und sie zuhause aufzunehmen, wie bei deinem Debüt “Sketches On Sea”?

Sophie Hunger: (sofort) Ja! Ich bleibe auch weiterhin in Bewegung. Deshalb kann ich mir schon vorstellen, noch einmal eine Platte zu machen, bei der niemand sonst involviert ist. Es ist ja auch noch nicht so lange her, das ich so Musik gemacht habe. Irgendwann wird es sicher wieder einen Grund geben, auf diese Art und Weise Musik zu schreiben und aufzunehmen. Die aktuelle Konstellation fühlt sich aber momentan richtig an.

motor.de: Wo würdest du dich in zehn Jahren sehen?

Sophie Hunger:
Ich habe absolut keine Ahnung. Ich habe zwar viele Träume aber ich bin zurzeit mehr damit beschäftigt, mir vorzustellen wie der Rest dieses Jahres verläuft. Alles, was darüberhinaus geht, ist mir noch ein Rätsel.

motor.de: Ist das eher ein beunruhigendes Gefühl oder vielleicht sogar ganz angenehm?

Sophie Hunger: Als ich mit der Schule fertig wurde, war ich in einer ähnlichen Situation. Ich wusste nicht genau, was die Zukunft bringen wird und damals hat mich das sehr verunsichert. Mittlerweile begreife ich das eher als Privileg. Ein Großteil der Gesellschaft hat diese Freiheiten ja gar nicht. Deshalb freue ich mich weniger über Verkaufszahlen einer CD oder bestimmte Preise als vielmehr über die Tatsache, dass ich momentan so unabhängig bin.

Interview: Thomas Kasperski