Jeder braucht sie, aber keiner will sie. Die GEMA ist derzeit wieder in aller Munde.
Ihr Ruf rangiert für die meisten Menschen irgendwo zwischen Verfassungsschutz und GEZ. Positive Nachrichten über die GEMA – “Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte” – sind rar, wer ein todsicheres Aufregerthema für Musikszene-Gesprächsrunden sucht, muss nur das Stichwort “GEMA” einwerfen und wird mit Anekdoten der weniger schmeichelhaften Art überhäuft. Jeder, der irgendetwas mit Musik zu tun hat, hat zwangsweise auch mit der GEMA zu tun – oft genug in Form einer Zahlungsaufforderung.
So sieht die Arbeit der GEMA in ihrer Image-Broschüre aus …
Dabei bestreitet kaum jemand die Notwendigkeit ihrer Existenz. Die GEMA ist mit 60.000 Mitgliedern so etwas wie eine Massenorganisation, gedacht als Interessenvertretung, die dafür sorgt, dass Musik-Künstler für die Aufführung ihrer Werke gerecht entlohnt werden. Theoretisch. In der Praxis haperts an allen denkbaren Ecken. Zum Beispiel beim Videoportal YouTube. Seit April 2009 liefen die Verhandlungen über einen neuen Lizenzvertrag, der vor allem regeln sollte, wie hoch die Gebühren sind, die YouTube an die GEMA zahlt, und auf welche Art sie ermittelt werden, wenn dort Videos von Künstlern angeklickt werden, die die GEMA vertritt. Nachdem der alte – immer noch geheime – Pauschalvertrag ausgelaufen war, gibt es keine Zahlungen mehr, also auch keine Tantiemen für die betroffenen Künstler. Selbstredend schieben sich die beiden Parteien gegenseitig den schwarzen Peter für die ausstehende Einigung zu. Was genau Verhandlungsgegenstand ist, verraten sie allerdings auch nicht, für Transparenz sind beide nicht bekannt.
Jetzt hat die GEMA mit einigem Tamtam die Verhandlungen abgebrochen und verlangt – gemeinsam mit acht weiteren internationalen Autorenvertretungen – die Löschung oder Sperrung von 600 Musikstücken für deutsche Nutzer. Die kennen das schon, immer wieder stolpern sie bei YouTube über den Hinweis “Dieses Video … ist in deinem Land nicht mehr verfügbar”, weil gerade Majorlabels wie die EMI die Verbreitung “ihrer” Videos strikt unterbinden. (Wer aus Deutschland zum Beispiel den offiziellen Channel der Band Blur ansteuert, kann sich dort kein offizielles Video anschauen.) Ein Warnschuss soll das sein, verbunden mit dem Hinweis, dass diese neun Gesellschaften rund 60 Prozent des weltweiten Gesamtrepertoires an verfügbarer Musik vertreten. Soll heißen: Wenn man sich nicht einigt, hätte YouTube als Quasimonopolist für die weltweite Verbreitung von Musikvideos ausgedient. Allerdings läge das wohl kaum im Interesse eines Musikers, der auf Videoportale angewiesen ist, um sich bekannt zu machen.
… die Realität der Mitgliederversammlung erscheint etwas weniger attraktiv.
Zufrieden mit der Politik der GEMA sind gerade die Musiker im Independent-Bereich immer weniger. Denn sie fühlen sich beim komplizierten Ausschüttungsverfahren der Tantiemen oft benachteiligt gegenüber den gut vernetzten und im GEMA-Vorstand präsenten Großen der Branche. Überdies ist das komplizierte Regelwerk für eine kleine Band kaum zu durchschauen. Das fängt schon bei der Frage an, zu welchen Bedingungen man auf der eigenen Webseite die eigene Musik zum Probehören anbieten kann. Auch dafür existieren nämlich detaillierte Vorschriften. Streit gibt es auch immer wieder mit Veranstaltern, die für Konzerte oder DJing Gebühren zahlen müssen. Das zugehörige Regelwerk ist strikt und schon, wer sich die zugehörige FAQ-Liste auf der GEMA-Homepage durchliest, kann sich des Eindrucks kaum erwehren, dass sie sehr rigide agiert, um die Gebühren maximal bemessen zu können. Jeder Konzertveranstalter des Landes kann ein Lied von fragwürdigen GEMA-Forderungen singen. Die sogenannte “GEMA-Vermutung” gilt obendrein vielfach als Ärgernis, verlangt sie doch von jedem Veranstalter den Nachweis, dass keine GEMA-gebundene Musik gespielt wurde – oder eben automatisch Gebühren.
Regelrechten Aufruhr gab es im letzten Jahr, als die GEMA eine neue Tarifstruktur ankündigte, die nicht nur saftige Gebührenerhöhungen sondern auch den Zugriff auf Merchandisingumsatz und Sponsoreneinnahmen einforderte. Von bis zu 600 Prozent Kostensteigerung las man in wütenden Kommentaren und Rechenbeispielen, von “Wucher” sprach der Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft. In der Folge beschäftigt sich gar der Petitionsausschuss des Bundestages mit der GEMA. Über 100.000 Unterzeichner – eine exorbitante Zahl im Vergleich zu anderen Petitionen – fordern eine Überprüfung der GEMA-Tätigkeit auf “Vereinbarkeit. mit dem Grundgesetz, Vereinsgesetz und Urheberrecht” sowie “eine umfassende Reformierung der GEMA in Hinblick auf die Berechnungsgrundlagen für Kleinveranstalter, die Tantiemenberechung für die GEMA-Mitglieder, Vereinfachung der Geschäftsbedingungen, Transparenz und Änderung der Inkasso-Modalitäten”. Also von praktisch allen Arbeitsbereichen.
Am 17. Mai wird das in einer öffentlichen Sitzung beraten. Schon im Vorfeld hatte die GEMA reagiert und eine Überarbeitung ihrer Richtlinien angekündigt. So richtig glauben, dass es in Zukunft fairer zugehen soll, mag allerdings kaum jemand. Und sogar der – sonst eher zurückhaltend und hyperseriös agierenden – “Neuen Musikzeitung” ging die Hutschnur hoch angesichts des “moralisch offensichtlich maroden Laden”, als zum Jahreswechsel in einem Münchner Luxus-Hotel “bei Krustentier und Schampus” die Auflösung von Regionalbüros bekannt gegeben wurde, die am ehesten noch kompetente Beratung und Nähe zur Zielgruppe zu bieten hatten. Beliebter macht man sich so natürlich nicht.
Augsburg
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