ClickClickDecker + Der Tante Renate = Bratze. Die Mini-Supergroup über ihr aktuelles Album „Korrektur Nach Unten“ und ihr stressfreies Tourleben zu zweit.

2007 trafen sich Kevin Hamann aka. ClickClickDecker und Norman Kolodziej aka. Der Tante Renate und fingen an, zusammen Musik zu machen. Die neue Mini-Supergroup Bratze war geboren. Mit „Jean Claude“ von ihrem erstem Album „Kraft“ durfte das Duo seinen ersten großen Hit feiern. Seitdem sind die Beiden, neben Frittenbude, Egotronic und Co. bei ihrem Label Audiolith nicht mehr wegzudenken. Mit „Korrektur Nach Unten“ schoben sie ein beachtliches Zweitwerk hinterher. Überzeugend durch „bratzige“ Beats und anstößige Texte, brachten sie auch vergangenen Freitag das Leipziger Absturz zum Beben. Im Voraus traf motor.de die beiden sympathischen Jungs in einem Hinterhof, um über ihr aktuelles Album und dessen Inhalt zu quatschen. Hier das Interview:

motor.de: Ihr seid eine recht unkomplizierte Gruppe und fahrt immer selbst mit dem Auto von Ort zu Ort. Habt ihr euch nie überlegt, mal einen gemütlicheren Bus zu nehmen oder so?

Kevin: Nein, warum sollten wir denn? Wir sind ja nur zu zweit und haben kein großes Equipment. Außerdem ist es ja die billigste Variante.
Norman: Richtig. Bands, mit ihren ganzen Racks, Schlagzeug, Gitarre und so weiter müssen natürlich mir irgendwas Größerem fahren. Der Zug wäre natürlich noch eine Alternative, aber das ist auch wieder zu teuer.

motor.de: Kevin du bist als ClickClickDecker, Norman du als Der Tante Renate immer wieder solo unterwegs. Was ist denn das besondere daran, wenn ihr dann als Bratze unterwegs seid?

Norman: Naja, wir haben einfach zu zweit einen ganz anderen, speziellen Humor. Außerdem ist es einfach netter zu zweit auf der Bühne. Ich meine, ich stehe normalerweise ja als Der Tante Renate allein auf der Bühne. Kevin hat mit ClickClickDecker immer noch seine Band dabei. Wir zwei kommen immer auf ganz andere Ideen.
Kevin: Richtig. Es hat einfach was. Ich freue mich jedes Mal mit Norman unterwegs zu sein. Es ist ein gutes Gefühl mit ihm auf der Bühne zu stehen. Es ist viel stressfreier als mit einer ganzen Band. Da will der eine immer noch ein Bier trinken und noch eins. Der eine will das, der andere wieder das und so weiter. Man muss da viel mehr Leute unter einen Hut bringen. Zu zweit, v.a. weil wir ungefähr vom gleichen Schlag sind, ist es viel stressfreier, als mit einer ganzen Band.

motor.de: Ihr trefft euch also gern miteinander, um Spaß zu haben. Ist denn Bratze immer noch ein Spaßprojekt?

Kevin: Nein! Ein Spaßprojekt ist das schon lange nicht mehr. Das möchte ich jetzt wirklich einmal von mir weisen. So fing zwar alles an – das ist richtig – aber mittlerweile sind wir wirklich ein festes Duo, das miteinander ernsthaft Musik macht. Aber brutal viel Spaß macht es natürlich trotzdem noch.

motor.de: Euer Bandname Bratze, sagt ihr, beschreibt euren Sound. Wie kommt man denn von Bratze auf den Sound oder vom Sound auf Bratze?

Norman: Naja, hör‘ dir doch mal unseren Sound an. ‘Brrrzzzt!’, macht der Bass. Es ist schlichtweg lautmalerisch. Onomatopoetisch oder wie das heißt. Der Name ist eigentlich nichts Besonderes.

motor.de: Nun zur neuen Platte. Ich hatte den Eindruck, dass dort viel mehr zwischen den Zeilen steht, als tatsächlich geschrieben steht. Wie schreibst du denn deine Texte, Kevin?

Kevin: Naja, wie schreibe ich sie. Ich nehme einen Stift und ein Papier und dann geht’s los. Nein! Natürlich schreibe ich in irgendwelchen Rätseln. Ich will nur etwas umschreiben und nicht direkt die Sache ansprechen, damit auch noch Raum dafür bleibt und die Leute etwas hineininterpretieren können. Man muss sich tatsächlich einen großen Teil dazudenken. Es ist schon alles sehr schön umschrieben und lässt viel Platz zur Interpretation.

motor.de: Interpretation ist ein gutes Thema. Fast alle Songs beinhalten eine Art Kritik an der Gesellschaft. Was ist denn dein Hauptkritikpunkt?

Kevin: Den gibt es eigentlich nicht. Nicht nur die Gesellschaft wird in dem Album kritisiert, sondern auch jeder Einzelne. Man sollte erst mal vor seiner eigenen Haustür kehren, das weiß jeder von uns am besten, bevor man das große Ganze irgendwie in Frage stellt. Was ich so alles kritisiere, kann sich dann jeder selbst denken.

motor.de: Meiner Interpretation nach nimmst du die ganze Web 2.0-Sache ins Fadenkreuz. Liege ich da richtig?

Kevin: Das ist richtig! Da muss ich, glaube ich, nicht viel dazu sagen. Das weiß wahrscheinlich jeder selbst, der in einem Netzwerk, wie StudiVZ oder Facebook angemeldet ist, was einen daran nervt. Jeder gibt seine persönlichen Dinge preis, die dann missbraucht werden. Freunde sind nur noch online da und so weiter.



motor.de: Die Zeile „Welcome to the jungle“ aus eurer ersten Single “Ohne Das Ist Es Nur Noch Laut” – Ist das eine Kritik an dem Pluralismus der heutigen Zeit?

Kevin: Nein. Das ist lediglich eine Hommage an Axl Rose. Mehr wollten wir da eigentlich gar nicht sagen. Aber siehst du, du hast schon wieder etwas hineininterpretiert. Das ist doch das Schöne daran.

motor.de: Inwieweit versuchst du, Norman, denn die Texte von Kevin mit deiner Musik zu verstärken? Ist die Musik irgendwie auf die Texte abgestimmt?

Norman: Eigentlich überhaupt nicht. Ich mische die Beats – Kevin macht übrigens auch mit bei der Musik, das wollen wir hier mal erwähnen, weil jeder immer denkt, dass nur ich die Musik mache, das ist aber gar nicht so. Klar produzieren wir das Ganze ein bisschen breiter und nicht so dicht, damit noch gut darüber gesungen werden kann. Aber wie es immer so ist, kommt erst die Musik und dann der Text darüber. Es liegt nicht erst der Text vor und dann machen wir die Musik passend zu den Lyrics.

motor.de: Eure Musik ist zum Tanzen, regt aber auch zugleich zum Nachdenken an. Was ist euch persönlich denn wichtiger? Dass die Leute auf der Tanzfläche dazu abgehen oder dass sie sich darüber den Kopf zerbrechen?

Kevin und Norman: Beides.
Kevin: Ganz klar. Unser Anliegen ist es natürlich, die Leute zum Tanzen zu bringen. Wer aber will, der kann sich auch voll und ganz auf die Texte konzentrieren, ruhig an der Seite stehen und sich mit ihnen beschäftigen.

motor.de: „Korrektur Nach Unten“: der Titel des neuen Albums. Was wollt ihr damit sagen?

Norman: Naja, dass irgendwas nach unten korrigiert wird. Von mir kam eigentlich nur das Wort Übersetzung. Wir wollten einfach mal einen längeren Albumtitel haben, der auch was aussagt. Der Rest kam eigentlich von Kevin, was er damit meinte, weiß ich auch nicht.
Kevin: Der Titel steht eigentlich für nichts. Das Ding hat einfach einen Namen gebraucht! (lacht)

motor.de: Auf eurem letzten Album „Kraft“ gab es beispielsweise in „Jean Claude“ sehr viel poppigere Hooks. Mit der neuen Scheibe seid ihr ein wenig bratziger und nicht mehr ganz so poppig. War das beabsichtigt?

Norman: Nein, eigentlich überhaupt nicht. Wir haben einfach das gemacht, auf das wir gerade Bock hatten und letztendlich kam dann das eben heraus. Gedanken haben wir uns darüber überhaupt keine gemacht.
Kevin: Wir hatten die Gitarren zwar schon bei fast allen Liedern voll aufgedreht und auf vollster Verzerrung, damit es ordentlich kracht. Aber weniger poppig wollten wir das eigentlich nicht mit Absicht gestalten. Es passierte einfach.

motor.de: Apropos „krachende Gitarren“ – Ursprünglich hätte es ja ein Metal-Album werden sollen.

Norman: Ja. Wir hatten das wirklich vor, entschieden uns aber dann dagegen, nachdem wir einen Track aufgenommen hatten und der so schrecklich klang, dass er es nicht aufs Album schaffte.

motor.de: Habt ihr selbst denn eine Metalvergangenheit?

Kevin: Ja, Norman!
Norman: Naja, vorhin im Auto lief ne Runde Metal, aber auf so großen Metal-Festivals war ich nie.

motor.de: Was läuft denn sonst so bei euch im Auto, wenn ihr durch die Gegend fahrt?

Kevin:
Eigentlich meistens Radio mit viel Sprechen. Manchmal hat irgendjemand ne CD dabei, dann wird die reingeschmissen, aber meistens wirklich nur Gerede. Das ist auch viel interessanter und wichtiger! Verkehrsfunk und so.

motor.de: Reden wir mal noch ein bisschen über eure Zukunft? Kommt wieder was von Der Tante Renate, von ClickClickDecker oder geht es ausschließlich mit Bratze weiter?

Norman: Dieses Jahr ist auf jeden Fall alles Bratze und danach mal schau‘n. Weiter haben wir uns noch keine Gedanken gemacht.

Interview: Florian Kroha