Bodi Bill vergraben sich im Proberaum und basteln an einer neuen Platte. Wie Steve Wonder und Michael Jackson da rein passen, erzählt uns Fabian im Interview.

Bodi Bill sind die drei unzertrennlichen Berliner Fabian Fenk (rechts), Alex Amoon (Mitte) und Anton K. Feist (links). Mit ihrem Stilmix aus Electro, Folk und Techno weiß das Trio sowohl live als auch von Platte zu begeistern – die Fangemeinde wächst stetig. 2008 erschien ihr zweiter Langspieler “Next Time”, im Mai wird eine Auswahl aus ihrem bisherigen Schaffen auch im Ausland veröffentlicht. Im Rahmen eines Konzerts im Leipziger Centraltheater sprach motor.de mit Fabian Fenk über die kommende Platte, Klangfrickelei und Urlaub in der Provinz.

motor.de: Da eurem Debüt ja nur ein gutes Jahr später das Album “Next Time” folgte und wir nun bereits Mitte März 2010 haben – wie sieht es denn mit einer neuen Platte aus?

Fabian: Wir sind gerade mittendrin! Dieses Jahr touren wir nicht so viel, sondern sind auf “Platte machen” geeicht. Gerade sortieren wir unter ungefähr 20 Skizzen aus. Bei einigen Sachen kann man schon wirklich was absehen, bei anderen wissen wir noch nicht, ob es was wird. Im Sommer soll die Platte auf jeden Fall fertig sein – wenn sie wahrscheinlich auch erst Anfang des nächsten Jahres erscheinen wird. Die Mühlen mahlen da ja immer sehr langsam. Für uns ist es wichtig, im nächsten Monat zu wissen, wo wir stehen und dem ganzen dann eben noch den Feinschliff zu verpassen. Es ist jetzt eine andere Situation als bei der ersten Platte, denn damals hatten wir sehr viel Vorlauf. Bereits drei Jahre vor Veröffentlichung bastelten wir daran herum – da war es wirklich leicht, in kurzer Zeit eine zweite Platte nachzulegen. Jetzt fangen wir aber quasi bei Null an, da wir letztes Jahr ja auch mehr getourt haben. Deshalb dauert es dieses Mal länger als sonst. (lacht)

motor.de: Recherchiert man die Umstände der Entstehung eures zweiten Albums, liest man etwas von einem alten Haus an der Grenze zu Polen und einem netten einäugigen Nachbarn. Das klingt ja fast filmreif…

Fabian: Wir sind schon immer gern für einen konzentrierten Zeitraum aufs Land gefahren. Rosow (kleines Dorf in Brandenburg – Anm.der Redaktion) war letztes Jahr Sommerurlaub und gleichzeitig effektive Arbeit für uns. Vier Wochen Pampa mit Badesee und Lagerfeuer, aber eben auch viel Musik machen, meist bis in die Nacht hinein. Es war nicht das erste Mal, dass wir so etwas gemacht haben. Auch vorher sind wir schon zweimal ausgebrochen. Der Ursprung unserer Band, unsere ersten drei oder vier Songs, sind bei so einem Ausflug entstanden. Und weil es schon immer super funktioniert hat, wollten wir das vor der zweiten Platte natürlich wieder machen. Das ist dann immer sehr spartanisch. Du sitzt da fünf Tage aufeinander und machst nichts anderes, als an deinen Tracks zu basteln – und das ist geil! Da kommen einfach andere Ideen raus, als wenn man sich nur ab und zu mal trifft und danach wieder nach Hause geht. Das ist halt echt immer bis Oberkante mit Musik, dann gehst du schlafen, stehst wieder auf und der erste spielt schon wieder irgendwas. Super!

motor.de: Und so einen Aufenthalt plant ihr für die kommende Platte jetzt auch wieder?

Fabian: (überlegt) Das ist eine gute Frage. Ich glaube dieses Mal wird es vielleicht nicht nötig sein. Damals brauchten wir das, um etwas anzustoßen, die ersten Ideen und groben Skizzen zu machen. Wir sind jetzt aber schon eher in einer Phase, wo wir mit dem Ausarbeiten beginnen. Ich glaube, was jetzt auf uns zukommt, ist so eine fiese Büro- und Studioarbeit – basteln, feilen und Ausdauer. Also ist so ein Ausflug wohl leider nicht mehr nötig. Schade eigentlich. (lacht)

motor.de: Die Releaseparty zu „Next Time“ gab es ja gleich in dreifacher Ausführung: Dresden, Berlin und in Leipzig. Habt ihr dort die größte Fanbase oder wie kam das zustande? Ist ja schon ein wenig ungewöhnlich..

Fabian: Die Städte sind wie Heimspiele für uns, die Stimmung ist immer super. Wir sind ja nicht DIE große Band, also ist es auch nicht normal, dass immer 800 Zuschauer kommen (wie an dem Abend des Interviews; Anm. d. Red.) – die Gigs dort sind aber immer gut besucht. Wir sind jedoch mittlerweile schon sehr viel getourt und dem entsprechend sind auch noch Städte dazugekommen. Also hat sich das auch ein bisschen geändert. Jetzt müssten wir wahrscheinlich schon in 10 Städten Releasepartys machen. Aber ich glaube, das nennt man dann auch einfach Tour, oder? (lacht)

Bodi Bill – “I Like Holden Caulfield”

motor.de: Ich hörte, dass ihr im Mai eine Art “Best Of” eurer ersten beiden Alben in England, Frankreich, den Benelux-Staaten und der Schweiz veröffentlichen wollt. Wie kam es dazu?

Fabian: Wir haben jetzt zwei LPs und drei EPs draußen. Es kam die Überlegung auf, im Ausland noch ein bisschen nachzuhelfen, bevor wir unsere neue Platte dort rausbringen. Ich finde es schlimm, in so einer frühen Phase der Band schon von einem Best Of zu sprechen, denn wir mussten das einfach irgendwie zusammenfassen. Du kannst ja nicht mit einem Mal fünf Platten veröffentlichen. Ich halte das einfach für eine gute und notwendige Vorbereitung, weil das auch immer alles dauert. Wir wollen ja kein Hype sein! Wir wollen, dass es sich entwickelt und dass man dann im nächsten Jahr schon Leute trifft, die Bock haben auf eine neue Platte.

motor.de: Habt ihr an der “neuen” Platte noch was verändert und generell, was erhaltet ihr für Feedback aus dem Ausland?

Fabian: Wie wir so sind, gab es natürlich gleich noch ein neues Cover für die Platte. Außerdem haben wir alles neu gemischt und wochenlang noch kleine Sachen verändert. Ich meine das ist eine abgefahrene Möglichkeit! Du kannst plötzlich deine Lieblingssongs nochmal so ein bisschen überarbeiten. Da die Unterschiede rauszuhören, das ist vielleicht echt was für Nerds. Und was das Feedback angeht, da arbeiten Label und Management gerade wie wild dran. Wir sagen dazu seit anderthalb Monaten: “Wir wollen nichts hören, wir wollen Platte machen!” Erst im September wollen wir dort auf Tour gehen und vorher gibt es schon ein paar Releasekonzerte. Da kann man das dann schon ein bisschen austesten.

motor.de: Ihr habt mal in einem Interview gesagt, Grenzgebiete seien für euch das Spannendste. Wo unbekanntes Terrain beginnt, ließen sich eurer Meinung nach noch die meisten Entdeckungen machen. In diesem Zusammenhang und aus aktuellem Anlass: Was haltet ihr von den Klangforschern Autechre? Sie haben kürzlich ihr zehntes Album „Oversteps“ veröffentlicht.

Fabian: Das zehnte schon? Krass! Die gehören zu den wenigen elektronischen Bands, die mir damals wirklich eine neue Perspektive eröffnet haben. Ich bin da eher so ein Spätentdecker, genau 2000 ging das bei mir los. Ich war zwar vorher auch schon ein bisschen darauf aus, aber erst da habe ich mir Platten gekauft und mich richtig damit beschäftigt. Die gehören dazu, Aphex Twin gehört dazu und Warp als Label sowieso. Autechre zählen ja echt zu den Pionieren dieser Fricklermucke. (lacht) Nun muss man aber auch sagen, dass die einen ganz anderen Ansatz haben, als wir beispielsweise. Die Kommunikation mit ihren Fans ist bei ihnen ja zweitrangig, bei uns aber nicht. Autechre fahren live ihr Brett ab und man muss es entweder ertragen, genießen, oder sich halt verdrücken. Wir sind da schon anders. Uns ist die Mischung aus so einer Art Songwriter-Idee und diesen modernistischen Klängen wichtig. Das sind die beiden Grenzen. Die eine Seite ist dieses fragile Songwriterding, wo man halt alleine auf der Bühne steht und fünf Leute zusehen. Die andere ist diese Frickelei, die man sich nur am Schreibtisch anhört. Wir wollen mehr so eine Atmosphäre schaffen, die Party, Wohlfühlen und das Miteinander verbindet. Aber wir verdanken solchen Bands extrem viel. Es gibt da viele, aber Autechre gehört auf jeden Fall dazu.

Visuelle Schmankerl – Bodi Bill im Leipziger Centraltheater

motor.de: Wie weit geht denn eure Bereitschaft, euch als Band in unbekanntes Terrain vorzuwagen – beispielsweise in die Richtung “Frickelei”.

Fabian: Also wird sind jetzt gerade wieder relativ entspannt und offen für sowas wie “suchen und sich mal wieder ein bisschen neu zu entdecken. Aber die ganz natürliche Grenze ist immer dieser Konsens aus uns dreien und da gibt es tatsächlich Grenzen. Also wenn es zu so einer super nerdigen Frickelei wird, bei der man sich fragt, was das da gerade für ein Diplom ist, was man hört (macht mit dem Mund lustige Geräusche) – da würde wahrscheinlich irgendeiner sagen: “Das kannste mal solo machen oder da mal hochladen, aber für die Platte muss das nicht unbedingt sein.” Ein Element da heraus zu nehmen und das dann in einen Track einzubauen, das ist jedoch durchaus die Idee. Ich glaube wir sind gerade mal wieder auf der Suche nach einer Art von Fluss in der Musik, nach dem Flow halt. Das ist wie beim Techno: Wenn da ein DJ auflegt, dann muss er versuchen, über viele Stunden einen Fluss zu schaffen. Wir sind hingegen eine Band und kein Technoact. Wir wollen nicht über irgendwelche Technorillen singen, aber wir wollen unserer Musik noch ein ganzes Stück mehr Fluss verpassen. Und ganz ehrlich ist es das, was wir schon immer versuchen, aber nicht so einfach schaffen. Ständig gibt es bei uns Brüche und sowas, aber man muss ja Ziele haben, man muss es ja irgendwie formulieren. Und am Ende ist es auch nicht schlimm, wenn wir es nicht schaffen. Es ist diese Bereitschaft danach zu suchen – die gibt uns immer sehr viel.

Bodi Bill – “Very Small”

motor.de: Welche Herangehensweise habt ihr beim Songwriting? Seid ihr mehr eine Jamband oder legt ihr viel wert auf Konzepte?

Fabian: Als konzeptionell würde ich uns nicht bezeichnen. Wir arbeiten sehr intuitiv und verlassen uns auf die Summe aus uns Dreien. Klar kann es sein, dass mal einer vorprescht und was allein ausarbeitet. In diesem Fall müssen die anderen halt hinterherhasten. Aber häufig gibt es Momente, in denen du zu dritt wirklich Sachen entwickelst. Wir können nicht jammen wie eine Jazzband oder so. Aber wir sind bereit, immer auf einen Zufall zu schielen, wie halt beim Jammen: Du hoffst auf etwas, einen Fehler oder so, der dich zu einer neuen Idee führt. Und das wollen wir! Wir sind auf der Suche danach, uns selbst auszutricksen. (lacht)

motor.de: Gibt es Künstler oder Bands, die ihr besonders bewundert und die euch beeinflusst haben? Am besten ohne lange nachzudenken, oder ist das schwer zu sagen?

Fabian:
(erstaunt, nach kurzem Überlegen) Ja, ey das ist gerade echt total schwierig. Ich hätte dir wahrscheinlich vor drei Monaten wie aus der Pistole geschossen antworten können. Nur dadurch, dass wir gerade in unserem eigenen komischen Universum laborieren, sind da gerade die eigenartigsten Musiken in meinem Kopf. Also nicht, dass ich es hören würde: aber beispielsweise läuft in meinem Kopf gerade total viel Steve Wonder, was eigentlich total absurd ist. Ich meine, ich habe das in der siebten Klasse gehört und mit unserer Musik hat Steve Wonder ja eigentlich gar nichts zu tun. Anton (Violine, Synths und Gesang bei Bodi Bill – Anm. der Redaktion) redet im Gegenzug sehr oft von Depeche Mode oder so. Wenn du an deiner eigenen Sache arbeitest, dann hast du an Musik nur noch eines in deinem Hinterkopf – die fudamentalen Kindheitsprägungen. Ohne intollerant sein zu wollen, habe ich für die neue Musik gerade keinen Platz. Ich möchte nicht, dass sich alles zu sehr vermischt, sondern dass wir genau das finden, was zu uns passt. Man kopiert eh schon viel zu viel, weil es einfach so passiert. Und wenn dann oben drauf noch die hippsten und krassesten Mucken kommen, dann hast du in deinem Kopf meiner Meinung nach einen ziemlichen Einheitsbrei. In intensiven Phasen wie jetzt ist es daher schön, fast nur die eigene Musik zu hören. Aber weißt du, ich freue mich schon total darauf, wieder alles andere zu entdecken – nur jetzt gerade sind wir voll in unserem eigenen Senf. (lacht)

Motor.de: Was bei euch auffällt, ist die Einbettung von handgemachter Musik in elektronische Klanglandschaften. Hat jemand von euch eigentlich ein Instrument richtig gelernt, oder seid ihr Autodidakten?

Fabian: Also Anton und Alex (Synths und Programmierung  bei Bodi Bill – Anm. der Redaktion) wurden an ihren Instrumenten richtig ausgebildet. Anton hat seine ganze Kindheit über Klavier gespielt und Alex seit Beginn an Geige. Wir sind zwar keine Orchestermusiker, aber die beiden sind sehr musikalisch und auch theoretisch fundiert. Ich selbst hingegen hab es nich so ganz hinbekommen, mir fehlt einfach der Fleiß. Als Kind hatte ich zum Beispiel Gitarrenunterricht und bin nicht hingegangen. Umso witziger ist, dass ich dann trotzdem irgendwann angefangen habe Gitarre zu spielen – nur eben zehn Jahre später. Von uns dreien bin ich wohl so der Rookie, aber am Ende reicht es, um sich auszudrücken. Wir müssen schließlich keine Oper aufführen. Für uns ist immer die große Aufgabe, uns so live wie möglich rüberzubringen. Manchmal besteht schon der Wunsch nach mehr Leuten, aber dann muss man halt überlegen: “Fuck, wie funktioniert das jetzt live?

motor.de: Was würdest du sagen, warum hat sich Bodi Bill zu einer elektronischen Band entwickelt?

Fabian: Ganz einfach: Wir leben vom Sound und suchen nach total vielen Klängen. Wir samplen leidenschaftlich gern irgendwelchen Quatsch ab und machen daraus Bässe. Zum Beispiel machen wir einen Lampenschirm zur Bassdrum oder ähnliches. Wie sind nicht so auf Preset-Sounds aus nem Supermarktsynthie. Deshalb sind wir eine Band! Wir wollen spielen und das nicht nur einfach irgendwie abfeuern. Ich finde es total schön, wenn man eingreifen kann. Sich darüber Gedanken machen, wie man Sachen inszeniert und Strukturen aufbricht und wieder zusammenführt, das ist total wichtig für mich. (lehnt sich zufrieden zurück)

Bodi Bill – Leipzig Centraltheater

Motor.de: Im Folgenden möchte ich dich um drei Entscheidungen bitten, mit jeweils einer kurzen Begründung. Was ziehst du vor?

Frage Nummer 1: Mate oder Kaffee?

Fabian: Mate, voll! Ich bin abhängig von dem Zeug und will eigentlich ein Endorsement von denen! Wenn du unseren Proberaum sehen könntest, der sieht scheiße aus mit den ganzen Mateflaschen. (lacht)

Frage Nummer 2: Analog oder Digital?

Fabian: Digital. Ich bin dem Digitalen total viel schuldig. Wir sind in der digitalen Welt groß geworden. Ohne die, wäre nicht das gegangen, was jetzt geht.

Frage Nummer 3: Exile on Main Street oder Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band?

Fabian:
Was war das erste?

Motor.de: Exile On Main Street.

Fabian: Was ist das?

Motor.de: Das sind die Rolling Stones, also quasi eines DER Alben der Stones
.

Fabian: Oh, da bin ich total raus. Ich habe beide Bands nie wirklich gehört. Die Beatles kenne ich ein bisschen, denn die hörte ein Kumpel von mir in meiner Kindheit. Wie gesagt – ich hab Steve Wonder gehört. Ich würde nicht fragen Beatles oder Stones. Bei mir heißt das Steve Wonder oder Queen. Bei mir gab es anstelle der Beatles eher Michael Jackson. Also wahrscheinlich eher die, aber fuck, ich meine die sind beide ok! Das sind beides coole Bands. Die hatten es echt gut! Denn sie gehören zu den Ersten, vor ihnen gab es ja noch nicht so viel. Das sind die ersten Popbausteinchen, auf denen ganz viel fußt. Aber meine Baustelle ist halt eine andere.


Interview: Alex Beyer