Auf seinem Debütalbum setzt Broadcast 2000-Kopf Joe Steer auf eine Überdosis Niedlichkeit. Dabei ist er aus dem Hello Kitty-Alter längst raus.
“Ganz ehrlich, wenn wir als Band unterwegs sind, fühle ich mich oft wie der langweilige Onkel meiner Kollegen”, gesteht Joe Steer. Verwunderlich ist das nicht. Der hagere Londoner ist fast zehn Jahre älter als seine Mitstreiter und doch ist die von Steer unter dem Decknamen Broadcast 2000 produzierte Musik alles andere als langweilig. Kommende Touren werden für Steer wohl musikalische Klassenreisen – mit ihm als Lehrer. Broadcast 2000 wachsen als Live-Projekt stetig, zur Veröffentlichung des selbstbetitelten Erstlings wird Joe Steer mit mehreren Percussionisten, Sängern und einem Streichquartett eine kleine Armee von Mitmusikern auf die Bühne führen, um seine orchestralen Folk-Pop-Miniaturen in all ihrer Vielschichtigkeit umsetzen zu können.
Ausgedacht hat sich Steer diese Kleinode allein in seinem Schlafzimmer, das angesichts der instrumentalen Vielfalt auf ‘Broadcast 2000’ einer musikalischen Rumpelkammer gleichen sollte. Für die Arbeit am Album begab sich der schluffige Bandleader in die Untiefen des Home-Recordings und bastelte aus einzelnen Gitarrenakkorden, Celli, Ukulelen, Streichern, Klicker-Beats und Glockenspielen ein Sounduniversum, das nicht nur filigran, sondern irgendwie auch besonders niedlich wirkt. Broadcast 2000 klingen deshalb nicht selten, wie die britische Version von Sufjan Stevens. Steer hat das große Talent, aus ziemlich unrockigen Attributen wie klassischer Musikausbildung und Kammermusik zeitgemäßen Indie zu basteln. “Klassische Musiker sind seltsame Typen, das bestreite ich gar nicht. Ich habe Cello studiert und sowas wirkt im Pop-Betrieb immer noch irgendwie anrüchig. Und wenn sich meine Bandkollegen haltlos besaufen, sage ich am nächsten Morgen: ‘Ich hab es euch doch gesagt’.” Joe Steer kann sich ein Grinsen über die eigene Verschrobenheit nicht verkneifen. “Aber die Niedlichkeit kennt natürlich Grenzen. Ich habe mir ein Klavier gekauft und werde darauf die nächste Platte schreiben. Zumindest werde ich nicht mehr so viel Glockenspiel einsetzen, das wäre irgendwann nervenzerfetzend – auch für die Nachbarn.”
Von den klassischen Wurzeln hat sich Steer für Broadcast trotz aller kammersynphonischen Aspekte seiner Musik weitgehend gelöst. Trotzdem hat die Konservatoriums-Erfahrung auch im popkulturellen Kontext einiges für sich. Steer zumindest findet im Gespräch immer wieder Schnittstellen, die man so nicht vermutet hätte: “Aus dem Orchester bin ich es zumindest gewohnt, mit unglaublich vielen Musikern unterwegs zu sein. Das hilft auch im Fall von Broadcast 2000.”
Timo Richard
VÖ: 15.02.2010
Label: Feraltone
Tracklist:
1.Rouse Your Bones
2.Your Own Worst Enemy
3.That Sinking Feeling
4.Get Up And Go
5.I Hold My Breath
6.Gonna Build A Mountain
7.All Is Said And Done
8.Don’t Weigh Me Down
9.The Outsider Steps Inside
10.Take The Props Away
11.Changing Moves
Broadcast 2000 sind außerdem in Deutschland auf Tour:
05.05. Hamburg – Molotow Club
06.05. Frankfurt – Das Bett
07.05. Duisburg – Steinbruch
08.05. Saarbrücken – Sparte 4
09.05. Köln – Motoki
11.05. Osnabrück – Kleine Freiheit
14.05. Ludwigshafen – Das Haus
15.05. Berlin – Magnet (Unclesallys Party)
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