Komm zur Ruhr, hier gibts Kultur, und zwar nicht mal von Pur. Dafür aber eine Hymne von Grönemeyer. Und die ist schlimm genug.


Zumindest einem scheints zu gefallen

Eine Hymne sollte es also sein, ein „feierlicher Preis- und Lobgesang“ (da können wir Wikipedia mal vertrauen). Der geplante Höhepunkt einer auf maximale Denkwürdigkeit angelegten Eröffnung der „Ruhr.2010“, die indes vor allem durch die Wettertrotzigkeit der 1.200 geladenen Gäste beeindruckte. „Wetterfest“ sei die Ruhr heißt es dann zumindest treffend – was so ziemlich das einzige bleibt, was von der bräsigen Feier und dem noch bräsigeren Lied in Erinnerung bleiben dürfte.

Einem geschenkten Gaul guckt man bekanntlich nicht ins Maul und wenn ein Herbert Grönemeyer eine Hymne springen lässt, sagt man eben nicht so leicht Nein. Denn der ist ja wohl der erfolgreichste deutsche Popsänger überhaupt und auch noch „von hier“ und hat doch damals – vor 25 Jahren – diese andere Hymne geschrieben, „tief im Westen, wo die Sonne verstaubt“. Die nennt man allerdings erst aus heutiger Sicht Hymne, damals war das einfach nur ein Popsong, nicht mal ein schlechter, zumindest nach Ruhrpottmaßstäben. Begründet hat er jedenfalls den Mythos Grönemeyer, der sich spätestens 2003, bei seinen „Mensch“-Konzerten auf Schalke ins Übermenschliche manifestierte. Und jetzt also „Komm zur Ruhr“.

Eigentlich hätte man gewarnt sein müssen. Oder bezeichnenderweise eben gerade nicht, weil man sie eigentlich schon wieder vergessen hat, die letzte Grönemeyer-Hymne. Vor knapp vier Jahren war das gerade mal, zur Fußball-WM, „Zeit, dass sich was dreht“. Die seltsam unfassliche Nummer irgendwo zwischen Multikulti-Kitsch und verquaster Erweckungs-Lyrik war zwar „offiziell“, interessiert hat sie dann aber doch keinen. Denn da gab es – neben einigen anderen zu Recht vergessenen WM-Songs – die Sportfreunde Stiller, deren Song sich dann doch sehr viel besser mitgröhlen ließ. Außerdem ging es irgendwie um Deutschland und den Sieg und ein munter eingestandenes „wir haben nicht die höchste Spielkultur, sind nicht gerade filigran“. Das war zumindest ehrlich.

Der vorletzte offizielle Versuch, so etwas wie deutsches Popkulturgut in ein deutsches Weltereignis zu pressen, ging übrigens auch ziemlich nach hinten los. Zumindest für den Auftraggeber, die „Expo 2000“, und nach Meinung des Bundes der Steuerzahler oder des (allerdings auch sonst meist ahnungslosen) Deutschen Rock- und Popmusikerverbands. 400.000 Mark hatten Kraftwerk kassiert, um die Expo akustisch zu begleiten. Abgeliefert wurden drei Sekunden Sound, immerhin in sechs Sprachversionen. Ein netter kleiner Skandal, der zumindest für ordentlich Aufmerksamkeit und weltweites Amüsement sorgte. So funktioniert Popkultur ja auch.

„Komm zur Ruhr“ hingegen wird hoffentlich nicht allzu weit über die Grenzen dringen, zu peinlich ist, was die europäische Kulturhauptstadt des Jahres sich da andrehen lassen hat. Denn mal ehrlich: Diese „Ruhr Hymne“ ist ein grauenhafter Song voller erschreckend dürftiger Schüttelreim-Poesie, die kein noch so dämliches Ruhr-Klischee auslässt, obendrein zugekleistert mit bombastischem Orchesterarrangement und ohne den Hauch von Erinnerbarkeit über das sattsam bekannte Genäsele hinaus. Weder hör- noch lesbar, zumindest nicht, wenn man bei klarem Verstand ist und nicht gerade die NRW-Lokalpresse. 60 Millionen Euro kosten die ganzen Festspiele, da wäre es vielleicht eine gute Idee gewesen, irgendwas vernünftiges zu kaufen, für das man sich nicht ein ganzes Jahr lang europaweit schämen muss. (Das Video vom Auftritt hat Grönemeyers Plattenfirma, die EMI, immerhin schon mal sensationell schnell von allen einschlägigen Videoportalen entfernen lassen. Da hat das mit dem knallharten „Copyright“ ja auch mal sein Gutes.)

Augsburg