Band vs. Solokarriere 2009 – die einen taten es anlässlich des Gedankens an kreative Selbstverwirklichung, die anderen schlichtweg, um der Tristesse zu entrinnen.
Es kommen Tage, da benötigt ein Musiker Platz für sein Ego. Und zwar so viel davon, dass es schlichtweg keinen Raum gibt für die anderen Bandmitglieder. Oder dreht es sich bei Soloprojekten eher um künstlerische Entfaltung? 2009 – das Jahr, welches die Kinderschuhe einiger Solokarrieren in die Mülltonne wandern lies, um größeren Fußstapfen nachzugehen. Oder auch nicht. Ganz scheint es so, als sei der Trend eingekehrt, die musikalischen Gemüter würden vor Ideen übersprudeln und müssten somit im Alleingang weitermachen, statt in die jeweilige Band zu investieren. Beste Beispiele des Sologangs in diesem Jahr sind Julian Casablancas (The Strokes), Julian Plenti (Interpol) und Fever Ray (The Knife). Noch vor kurzem vernahm man ähnliche, jedoch weniger überraschende Meldungen bei den Gallagher-Brüdern. Etwas neues ist diese Art von Entfaltung nicht, Vorreiter wie Robbie Williams oder vor nicht allzu langer Zeit auch Peter Fox haben der Musikbranche bereits gezeigt, wie man sich den Weg ebnet.
Der Sympathisant des jeweiligen Künstlers glaubt nun natürlich an Selbstverwirklichung, den Wunsch des Musikers, unbeeinflusst seinem Streben folgen zu können. Man nehme das Beispiel Julian Plenti. Auch bekannt unter Paul Banks, leiht er seit Jahren Interpol seine markante Stimme. Doch bereits vor der Gründung der amerikanischen Indie-Band zieht Banks in Begleitung seiner Gitarre unter dem Synonym Julian Plenti durch die Bars und Clubs des 1998er New Yorks. Als 2002 der Erfolg mit Interpol einsetzt, stellt er sein Soloprojekt hinten an. Während der Aufnahmen zum dritten Interpol-Album „Our Love To Admire“ entstehen Restschnipsel, die Banks für seine Soloplatte zusammen bastelt. So entsteht 2009 schließlich fast schon still und heimlich „Julian Plenti… Is Skyscraper“. Eine soundtechnisch Interpol-ähnliches Werk, trotz allem experimenteller und rockiger. Sein musikalischer Ursprung ist jedoch klar erkennbar: Bei seinem Album verzichtet er auf unnötige Schnörkel, spart an Pompösität. Eine gelungene Platte.
Julian Plenti
Während Paul Banks sich also in gewisser Weise seinen Wurzeln widmet, arbeitet er zudem mit seinen Bandkollegen von Interpol am neuen Album. Ebenso werkeln ja, so sagt man, auch die Strokes – und das seit 2008. Das letzte Mal, als man die Amerikaner produktiv erlebte, war jenseits dieser Zeit, nämlich im Jahr 2005. Nachdem nun also Albert Hammond Jr., Nickel Eye und Little Joy die kreativen Ergüsse der jeweiligen Strokes-Mitglieder ausschwitzen, zieht Sänger Julian Casablancas nach. Seine Songs sind kein Meisterwerk, das Prädikat „miserabel“ hat die Debüt-Platte „Phrazes For The Young“ indes auch nicht verdient. Casablancas spricht davon, die Stücke seien jedoch nicht aus “was ihr könnt, kann ich schon lange” – Manier sondern aus Langeweile entstanden (motor.de berichtete). Klingt de facto nicht nach purer Motivation – vielleicht ist es das, was man an seinem Debüt vermisst.
So kam also der seit Mitte 2008 geplanten Veröffentlichung der vierten Strokes-Platte, wieder etwas dazwichen. Weitere Meldungen lassen ständig Streit (motor.de berichtete), Verschiebungen und Planungsänderungen verlauten, dabei gab sich Mr. Casablancas doch zuversichtlich, was die Zukunft betrifft: Das vierte Strokes Album wird seiner Aussage nach „pretty damn good“.
The Strokes
Automatisch stellt sich besonders im Rückblick auf 2009 die Frage, an welchen vagen Ufern The Strokes angekommen sind. Vermutlich können es alle im Alleingang, die Zusammenarbeit des Quintetts scheint ungeachtet dessen schier unmöglich. Schade eigentlich, wenn man bedenkt, dass „Is This It“ es beim NME zum Album des Jahrzehnts geschafft hat – der Fundus der Band ist nicht zu bezweifeln. Vielleicht war die „kreative Verwirklichung“ von dem Großteil der Strokes nötig, um sich wieder der Band widmen zu können. Man wartet und hofft nun also gespannt auf Zusammenarbeit und neue Tiraden der Post-Punk-Band oder aber auf den Release eines Solo-Albums von Gitarrist Nick Valensi, sodass sich jeder frei nach Belieben die Songschnipsel der New Yorker zum eigenen Strokes-Viertling zusammen puzzlen möge.
Fever Ray
Im Hinblick auf Karin Dreijer Andersson a.k.a. Fever Ray könnte man beinah von Casablancas-ähnlichen Motiven ausgehen. Eine Pause wollte sie einlegen, stand die beurlaubte Zeit jedoch nicht durch, ohne sich in Arbeit zu stürzen – so gesehen auch eine Form der Langeweile. Das Produkt, ihr selbstbetiteltes Album, kann sich sehen (beziehungsweise hören) lassen: Ein zarter Hauch minimalistischer Musik mit teils verfremdend verzerrter Stimme, ähnlich der Musik von The Knife, nur mit noch weniger Tonschnipseln. Die Dame kokettiert gleichzeitig auch mit dem vorläufigen Fallen-lassen des Projekts. Ins Studio geht es auf jeden Fall, in welcher Form ihr kreatives Oberstübchen zum Rauchen gebracht wird, blieb bisher unklar (motor.de berichtete). Es sei dahin gestellt, welchen der anderen Solo-Erstlingen dieser Gedanke ebenfalls im Dachkasten schwirrt und ob es sich für einige Wankelmütige sogar empfiehlt, etwaige Überlegungen anzustreben.
Wenn man nun den Kausalschluss zieht, dass Robbie Williams ja schon einer der benannten Vorreiter in Sachen Solokarriere war, blühen die buntesten Hoffnungen in Voraussicht auf das Jahr 2010. Denn wenn Take That den gemeinsamen Schritt ins Studio wagen, dann vielleicht auch The Strokes, Interpol, The Knife und all die hier nicht aufgezählten, trotz allem aber nicht weniger nennenswerten Bands.
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