“How To Be A Happy Band” mit Hot Water Music: Die Hardcore-Helden im motor.de Interview.


Der Post-Hardcore-Prototyp Hot Water Music rollt nach der zweiten Auszeit wieder durch Europa. 1999 kam es erstmalig zum Band-Burnout, kurz nach der Jahrtausendwende vereinten sich die vier Musiker schon wieder. Um sich mehr um seine Familie kümmern zu können, ordnete Sänger und Gitarrist Chuck Ragan 2005 erneut eine Zwangspause an. Seit 2008 sind Hot Water Music wieder gemeinsam auf Tour.
Chuck Ragan und Chirs Wollard, der ebenfalls an Mikrofon und Gitarre agiert, erzählen motor.de wie sie im Laufe ihrer Geschichte Musik mit Freundschaft retteten und warum die Trennung ihr bisher schönstes Banderlebnis war.

motor.de: Ihr spielt heute eine Show mit Muff Potter…


Chuck:
Es ist ihr letztes Konzert mit uns und unser letztes Konzert mit ihnen, aber ich spiele nächste Woche mit meiner anderen Band Ship Thieves noch zwei Konzerte mit den Jungs.

motor.de:
Muff Potter werden sich nach diesen Konzerten auflösen. Auch in eurer Vergangenheit gab es mehrere Brüche und Reunions…

Chuck: Freunde zu bleiben war uns immer wichtiger als in einer Band zusammen zu spielen. Zum Zeitpunkt unserer ersten Trennung befanden wir uns an einem kritischen Punkt, waren müde und ausgebrannt. Wir wussten, wenn wir unseren Weg so weiter gehen würden wie bisher, würden wir alles zerstören. Es hätte nicht nur das kaputt gemacht, was die Band sich über die Jahre erarbeitet hatte, es hätte auch unsere Freundschaften zerstört. Als wir das realisiert hatten, wussten wir, was zu tun war. Unsere Freundschaft stand und steht über der Band.
Letztendlich brauchten wir aber nur eine Pause. Es hat gar nicht lange gedauert, bis wir wieder anfingen gemeinsam abzuhängen und Musik zu machen. Und das wäre so nicht passiert, wenn wir uns die Auszeit nicht genommen hätten. Niemand weiß, was dann gewesen wäre. Auf jeden Fall hätten wir aber aus den falschen Beweggründen weiter gemacht.

Chris: Wir hatten eigentlich keine längerfristigen Pläne, wollten nicht unbedingt auf große Tournee gehen, ließen uns aber zu einem Konzert in Florida überreden. Erst nachdem wir spontan zugesagt hatten, haben wir realisiert, was das eigentlich für ein Big Deal war und beschlossen davor lieber noch so etwas wie eine Secret-Show in unserem Club in Gainsville zu spielen. Nachdem wir dann ein ganzes Wochenende gespielt hatten, dachte ich mir: „Hey, ich will weiter machen! This is fucking fun! Lasst uns mehr Konzerte spielen.“ Und dann haben wir eben weitere Shows gebucht .

Chuck: Mir fällt eine Story ein, die den Kern der Sache gut trifft. Kurz vor unserer ersten Auszeit, wir hatten lange nicht zusammen gespielt, trafen wir uns, um für ein Konzert zu proben – und zwar für unser letztes. Wir endeten aber bei der Probe schließlich dabei, neue Songs zu schreiben. (lacht) Songs schreiben, Musik machen: Das ist, was wir alle tun wollen und irgendwie müssen.

motor.de: Wenn ihr eure erste Europa-Tour 1998 mit der aktuellen vergleicht, was hat sich geändert? Was sind die auffälligsten Unterschiede?

Chris: Alles. Man kann es einfach nicht vergleichen. Auf der ersten Tour habe ich am Rad gedreht. Wirklich, ich bin fast verrückt geworden.
Die Tour jetzt ist einfach ein reines Vergnügen dagegen. Alle sind relaxed und haben Spaß. Damals sind wir auch durch die USA unglaublich viel getourt. Als wir hier drüben in Europa ankamen, waren wir alle fertig. Wir konnten es nicht genießen, weil wir so kaputt waren.

Chuck: Erst vorhin haben wir darüber gesprochen, dass wir mehr als zwanzig Mal durch Europa getourt sind. Mit Hot Water Music, aber auch mit anderen Bands. Und während dieser Tourneen sind so viele großartige Freundschaften und Beziehungen entstanden. Wenn du uns vor 15 Jahren erzählt hättest, dass wir heute mit all den Dingen, die wir erreicht haben, vor dir sitzen würden, hätten wir dich für komplett verrückt erklärt. Wir sind alle sehr glücklich über die Gelegenheiten, hier spielen zu können. Wir fühlen uns geradezu gesegnet. Aber nur weil sich Menschen für uns interessieren, haben wir diese Möglichkeit überhaupt. Und da schließt sich der Kreis, denn nur das ist es ja, was auch uns dazu bringt, immer wieder nach Europa zurückzukehren. Die Freundschaften mit Bands, Fans, Promotern und Veranstaltern in allen möglichen Städten, Kommunen und Dörfern. Das ist das Schönste daran!
Oberflächlich haben sich natürlich noch eine ganze Menge anderer Sachen geändert. Hauptsächlich ist alles größer geworden: Die Bühnen, die Crowd vor der Bühne und die Clubs.
Etwas hat sich allerdings nicht geändert: Es ist immer noch das selbe großartige Gefühl, dass wir mit auf Tour nehmen und das selbe Gefühl, dass unser Publikum mit zu den Shows bringt. Das war schon immer so, egal ob wir in einem winzigen, besetzten Haus vor 25 Leuten gespielt haben oder eben wie heute im Schlachthof vor über tausend. Das ist ziemlich cool.

motor.de: Was ist für euch der bsiherige Höhepunkt der Hot-Water Music-Chronik?

Chuck:
Das Beste war für mich tatsächlich unsere Trennung. Das war das Smarteste, was wir als Freunde und als Band jemals geleistet haben. Wir haben damit all das in die Tat umgesetzt, worüber wir immer gesungen hatten, was wir versucht hatten zu leben und zu atmen. Als wir uns alle einig waren, einfach alles weg zu werfen und die Band der Freundschaft zu opfern, war das für mich ein großartiger Moment. Meiner Meinung nach, hat uns das erst wirklich zu Hot Water Music gemacht. Keep it true and real.

Chris: Ja, das war eine außergewöhnlich intensive Erfahrung,

motor.de: Und was war der Tiefpunkt?

Chuck: Vermutlich war das der gleiche Tag! (lacht)

Chris:
Die Momente, die uns zu dieser Entscheidung geführt haben.

Chuck: Richtig. Die Zeit war für uns alle beschissen. Es war hart, jeden Abend auf die Bühne zu gehen und die beschlossene Trennung immer wieder vor sich selbst rechtfertigen, die Entscheidung neu abschätzen zu müssen. Dann hat man aber auch schnell gemerkt, dass man nicht für sich selbst, sondern für das Publikum weiter machen würde.

motor.de: Ihr lebt immer noch in Gainsville. Gibt es Bands aus eurer Heimatstadt, die ihr empfehlen würdet?

Chris:
Eine ganze Menge. Der Bassist meiner anderen Band spielt zum Beispiel bei Everxiou. Die sind großartig, auch wenn’s ein bisschen komisch geschrieben wird. Toll ist auch The Company Band. Gitarre, Stand-Up-Bass, eine Geige, aber kein Schlagzeug. Und alle singen.

motor.de: Welche Musik hört ihr momentan? Was ist heute die Hot-Water-Music-Inspiration?

Chuck: Immer total viel von allem möglichen. (lacht) Von Classic-Rock bis zu kubanischer Musik, von alten Punkrock-Sachen bis zu Jazz. Wir leben alle in unseren eigenen musikalischen Welten. Jeder hat eine eigene Musiksammlung und seinen eigenen Geschmack. Meistens treffen wir uns irgendwo in der Mitte. Ich wüsste jetzt nicht, wie ich das konkretisieren sollte.

motor.de:
Was ist euer liebster Hot-Water-Music-Song?

Chuck: Schwierige Frage. Sie sind alle stark, jeder auf seine eigene Art und Weise, aus verschiedenen Gründen. Die Songs drücken alle etwas unterschiedliches aus, jeder Song hat seine eigene Geschichte. Deswegen kann man sich da nicht festlegen.

Chris: Manche von ihnen sind wirklich cool auf Platte, aber es macht keinen großen Spaß sie live zu spielen. Und bei manchen habe ich das Gefühl, dass wir die Aufnahmen total vermasselt haben, dafür fetzen sie aber live richtig!

Chuck:
Das wäre wie wenn ich dich fragen würde, was deine Lieblingsstunde der vergangenen fünfzehn Jahre war. (lacht) In unserem Fall hieße das dann: Was waren deine Lieblings-Dreieinhalb-Minuten ?

motor.de: Wie sehen eure Zukunftspläne aus? Wird es eine neue Hot-Water-Music-Platte geben oder konzentriert ihr euch mehr auf andere Projekte?

Chris:
Beides. In naher Zukunft wird es aber kein neues Album geben. Das steht noch in den Sternen. Aber wir versuchen, neue Songs zu schreiben.

Chuck: Wir schreiben alle, allein, individuell. Später treffen wir uns und arbeiten an den Ideen.
Momentan sind wir in mehrere Projekte eingespannt und sozusagen überall unter Volldampf unterwegs. Wir werden auf jeden Fall ein neues Album aufnehmen, es ist nur eine Frage der Zeit.

Interview: Mark Lomenick
Foto: Flo Kresse