Schummerig, urban, elegisch, rabiat, emotional, träumerisch, durchdringend – ein Interview mit einer Band, deren Musik all das beinhaltet.
Eine Hypothese wäre es, zu sagen, sie seien Genies. Aber (nicht nur) im Musikbusiness muss man mit diesem Begriff vorsichtig umgehen. Ihr Zusammenspiel von Urbanbeats, Organic- und Electrosounds mit dem Gesang über Einsamkeit und Isolation ist zumindest eine geniale und spezielle Mischung. Doch damit ist das Phänomen Phantogram bei weitem noch nicht erschöpfend beschrieben.
Josh Carter und Sarah Barthel selbst umreißen ihr Schaffen als “Streetmusic” mit Einflüssen aus dem Shoegaze, Pop und HipHop. Im motor.de Interview verraten sie, was eine Ratte mit ihrem Album zu tun hat und dass Downloads nicht destruktiv für die Existenz eines Künstler sein muss.
motor.de: Ihr habt euch in der Junior Highschool kennen gelernt. Wann habt ihr entschieden, gemeinsam Musik zu machen?
Josh Carter: Ungefähr vor anderthalb – zwei Jahren. Wir haben beide in unterschiedlichen Städten studiert, sind dann aber wieder nach Saratoga Springs zurückgekehrt. Ich hatte schon vorher Musik gemacht und wollte es weiterhin tun, als ich dann auf Sarah stieß, war es zu Anfang mehr eine Freizeitbeschäftigung, wenige Zeit später merkten wir aber, dass wir als Team gut zusammenpassen und beschlossen, so viel Zeit wie möglich in unsere Tracks zu investieren.
Sarah Barthel: Wir versuchen, so gut wie möglich Songs zu machen, die du sonst nicht so hörst.
motor.de: Auf eurem Debüt “Eyelid Movies” schwengt ihr von Liebe zu Textzeilen, wie “I’d rather die than to be with you” (“When I’m Small”). Primär prägen es außerdem Isolation (“You are the Ocean”) und Einsamkeit. Wie kommt ihr auf diese emotionalen, teils ausgefallenen Texte.
Barthel: Unser Aufnahmeraum ist in einem kleinem Ort in der Nähe von Saratoga Springs, wir nennen ihn “Harmony Lodge”. Dort fahren wir immer hin, schreiben größtenteils unsere Songs und nehmen sie auf. Dadurch, dass sich vieles von unserer Arbeit nachts entwickelt, entstehen auch ein bisschen krassere und skurrile Texte. Es wirkt dieser Raum auf uns – der so abgeschieden ist.
Carter: Ja, der Raum ist ja echt abgeschattet von der Stadt. Es ist meist düster und ruhig, wir sind in der Zeit in einer Quasi-Isolation – das ist eine gute Inspirationsquelle für uns.
motor.de: Und das, obwohl eure Songs so einen urbanen Stil haben.
Barthel: Ich glaube, wir können das ganz gut verbinden. Dieses Ländliche mit Citysounds. Wir haben in unserem Studio dort ja auch eine gute Musikausstattung, zu der Drums, ein Synthesizer, Records und perkussive Instrumente gehören.
motor.de: Ich habe gehört, ihr gebt auch eure Träume auf “Eyelid Movies” wieder.
Carter: Ja, das stimmt. Wir träumen Verrücktes. Manche Traumfrequenzen bauen wir dann in unsere Tracks ein. Es sind Tagträume, die während du kurz die Augen schließt, vorbeihuschen.
motor.de: Ist “When I’m Small” auch aus einem Traum heraus entstanden?
Barthel: Haha, nein, nicht wirklich. Ich kann mich gut an diesen Moment erinnern, wir saßen nämlich mal wieder in unserem Proberaum, als wir eine Ratte sahen. Sie war recht klein und lief die ganze Zeit herum. So nannten wir diese Ratte Lucy und stellten uns vor, sie würde durch viele Schächte laufen und müsste sich sowie ihre Kinder versorgen.
motor.de: Klingt für mich genial und verrückt zugleich – ist die Ratte jetzt tot?
Carter: Oh, ich hoffe nicht.
Barthel: She’s underground.
motor.de: Kommen wir auf ein anderes Thema zu sprechen: Lily Allen hat vor kurzem auf ihrer MySpace-Seite dazu aufgerufen, die Leute sollen den illegalen Download stoppen, weil es der Musikindustrie schadet.
Carter: Ach, diese Popsängerin aus Großbritannien?
motor.de: Ja. Wie steht ihr zum Thema “illegale Downloads” und der Existenz als Künstler?
Carter: Das ist schwierig zu sagen. Wir sind natürlich über MySpace bekannt geworden, für viele Musiker ist das ein wichtiges Netzwerk, um populär zu werden. Ich persönlich habe mir früher sehr gerne und oft CDs gekauft, weil ich es mochte, das Booklet anzuschauen, mitzusingen und einfach dieses Gefühl, eine CD in der Hand zu halten. Aber ich lade auch Sachen bei iTunes.
Barthel: Da herrscht so eine Ambivalenz. Sicher ist es nicht gut, illegal Tracks zu downloaden, aber wenn einem unsere Musik wirklich gefällt, und derjenige das dann noch zehn Leuten verrät, und die unsere Konzerte besuchen, ist das für uns doch auch gut.
motor.de: Die Preise sind ja auch nicht gerade human. Würde ich mir jeden Monat die Alben kaufen, die ich haben mag, ginge mein ganzes Geld drauf, glaube ich.
Barthel: Ja. Auf der anderen Seite, wenn ich eine Band wirklich mag, investiere ich auch den ein oder anderen Dollar. Früher habe ich das zumindest getan.
motor.de: Dadurch lernt man von der Band auch noch viel mehr Songs kennen, als wenn man sich nur die drei, die man eh schon kennt, runterlädt...
Carter: Ich glaube, gerade das ist wieder etwas Positives. Aber ich glaube auch, dass es jetzt einfach diese Download-Äre/Generation gibt und man als Künstler einfach weiter Musik machen sollte. Gestern hatten wir zum Beispiel ein super Publikum, es waren viele Leute anwesend – man sollte das auch als wichtig und besonders ansehen.
Interview: Franzi Finkenstein
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