Über Umwege zum Songwriter-Olymp: Christopher Owens war längst abgeschrieben, doch nach Jahren der Irrungen und Wirrungen kämpft er sich zurück zum Glück.
Im persönlichen Gespräch zwischen dem Girls-Sänger und motor.de geht es um Vergangenheitsbewältigung, Aufarbeitung und das Debüt “Album”.
motor.de: Um deine Musik, deine Band und euer erstes Album zu verstehen, muss man ganz weit in die Geschichte des Christopher Owens zurückreisen.
Christopher Owens: Es fängt in meiner Kindheit an. Ich wuchs in einer religiösen Sekte namens Chirldren Of God auf, die eine zeitlang in ganz Amerika als Auffangbecken für Alt-Hippies fungierten. Meine Mutter gehörte auch zu ihnen und war der Überzeugung, dass es nichts Besseres für einen Menschen gibt, als mit deren Normen aufzuwachsen.
motor.de: Vielmehr waren es Verbote, die dein Leben bis zur Volljährigkeit bestimmten: Du durftest keine moderne Musik hören, Kontakt mit “Ungläubigen” wurde teilweise sanktioniert und mehr als Beten und Kirche gab es nicht.
Christopher Owens: Das ist richtig. Es war vor allem als Teenager die Hölle mit diesen Leuten abzuhängen. Immer wieder hatte ich Angst, etwas zu verpassen, das wirkliche Leben nicht erleben zu können. Mit 16 Jahren folgte die Flucht nach Europa, meine Mutter kam mit – wir hatten genug von dieser Pseudoreligion.
Es überrascht, dass ihr dann freiwillig als Volontäre im Bosnienkrieg tätig ward. Ein krasser Gegensatz!
Christopher Owens: Einige Verwandte von uns waren von diesem schrecklichen Ereignis betroffen und für mich stellte das die einzige Möglichkeit dar, etwas zurückzugeben nachdem ich jahrelang in einer Parallelwelt vegetierte. Ich arbeitete in einem Zivilkrankenhaus und war dort in der Verwaltung tätig.
Zur Jahrtausendwende ging es für dich zurück nach Amerika. Du bist ziemlich viel rumgereist und hast im Zuge dessen mit deiner damaligen Freundin die Band Curls gegründet.
Christopher Owens: Heute sehe ich diese Zeit als schwarzes Kapitel an. Ich war bis über beide Ohren verliebt als ich sie vor drei Jahren kennen lernte und selbst musikalisch funktionierte es ebenfalls hervorragend. Nur stand ihr irgendwann der Sinn nach mehr und sie verließ mich von heute auf morgen.
Stimmt es, dass mehrere Songs auf deinem Erstling “Album” von ihr mitgeschrieben wurden?
Christopher Owens: Ja, sie sollten nie veröffentlicht werden. Doch plötzlich stand in einem Club der Produzent JP White vor mir und meinte: ‚Bist du nicht der Typ von den Curls? Ich mag euch. Wir sollten uns mal treffen.’ Als er die ganze Geschichte erfuhr, konnte JR nicht glauben, dass ich nur wegen einer Trennung alles hinschmeißen wollte und forderte mich auf, weiterzumachen. Also suchte ich einen geeigneten Namen und fand Girls ziemlich cool – er klingt ähnlich wie Curls, bedeutet aber etwas völlig anderes.
Deine Songs sind durchsetzt mit den verschiedensten Sounds: Angefangen bei Indierock über Alternative-Folk bis hin zu klassischem Singer/Songerwriter.
Christopher Owens: Beeinflusst von all den Bands, die ich in den vergangenen Jahren gehört habe, sollte die Platte all das wiedergeben: Sixties Surfpop Marke Beach Boys, Siebziger-Psychedelica Richtung Pink Floyd und Folk, der ganz klar bei Neil Young seinen Ursprung hat. Wenn jemand meint, dass klinge wie eine Compilation – von mir aus gern.
Fühlst du dich jetzt “angekommen”?
Christopher Owens: Definitiv. Ich habe – ganz im Gegensatz zu vielen Menschen innerhalb der “Children Of God” – meine Bestimmung gefunden: Musiker sein und Musik machen.
So schließt sich ein Kreis und selbst wenn “Album” als Titel einer Platte ziemlich seltsam wirkt, verbergen sich dahinter Songs, die schon im Vorfeld für allerhand Furore sorgten. Auch wenn die Geburt der Girls steinig und schwer war, nun sorgen sie spielend leicht für eines der besten Newcomer-Alben des Jahres. Keep on going, Chris!
Marcus Willfroth
Vö: 13.11.2009
Label: Fantasytrashcan/Turnstile/Pias
Tracklist:
1. Lust For Life
2. Laura
3. Ghost Mouth
4. God Damned
5. Big Bad Mean Motherfucker
6. Hellhole Ratrace
7. Headache
8. Summertime
9. Lauren Marie
10. Morning Light
11. Curls
12. Darling
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