Wer darf sich schon in Deutschland als „Gangsta-Rap-per“ bezeichnen, ohne rot zu werden? Weiße Mittelstandkids, die mit Hasch dealen? Sicherlich nicht, und Hells Angels-Zuhälter haben mit Rap und Hip Hop nichts am Hut. Klar, Ferris MC oder The Spezializtz mögen keine Bullen, die Massiven sind nach eigener Aussage auch Gangstas, sprechen aber nicht darüber, und die Rödelheimer spielen bereits 1995 zu Karrierebeginn mit jenem umstrittenen Image. Die echte Gangsta Rap-Schnittmenge findet sich jedoch erst im neuen Jahrtausend in Berlin-Schöneberg.
Irgendwo zwischen dem urbanen Untergangsszenarien von Mobb Deep und den prollig harten Attitüden eines 50 Cent lebt Bushido aka Sonny Black in einer Welt aus Goldketten, Lederjacken, Huren, Drogen, Waffen, Party, Spielkasinos und Hip Hop. “Die Leute wollen hören, wie ich den Typen eine aufs Maul haue. Sie wollen wissen, wie ich meine Drogen verkaufen”, tönt Busido in der Novemberausgabe des Juice-Magazins.
Logisch, dass Bushido von den Gangsta Rappern N.W.A. geprägt ist. Doch erst zur Jahrtausendwende greift er ernsthaft zum Mic. Das erste Feature folgt auf dem Frauenarzt-Tape mit Orgasmus für I Luv Money Records. Nach kurzer Zeit und dem Tape “King Of Kingz” wechselt Bushido den Verein. Er will vorankommen und findet beim aufsteigenden Aggroberlin-Label von Chef Specter mit Sido, B-Tight und Fler die richtige Sozialisation: Ghetto.
Die klare Aggro-Ansage lautet “Deutsch Rap will Ghetto werden, doch die Nutte weiß nicht wie”. Nach M.O.R. und Battle Rap prollt 2002 Gangsta bzw. Reality Rap mit “Fuck The World”-Attitude aus den abgefuckten Vierteln Westberlins nach Deutschland. Aggro-Tapes rollen haufenweise nach Hamburg, München und Stuttgart. Selten nennen die Aggroberliner Namen, alle Nicht-Berliner-Ghetto-Bewohner sind scheiße. So einfach ist das. Nur B-Tight s Diss gegen D-Flame sorgt dank Gürtellinienüberquerung für Aufsehen. Aggroberlin asozial. Von den einen geliebt, von den anderen gehasst. Mittelmaß gibt es nicht.
Bushido selbst schwingt sich im Zuge des Hypes zum absoluten Aushängeschild auf. Im Oktober 2002 erscheint unter dem Synonym Sonny Black das Debüt “Carlo Coxxx Nutten” mit Kollege Fler alias Frank White. Titel wie “Drogen, Sex und Gangbang” oder “Wer will Krieg” geben die Richtung vor. Bushidos guter, leicht düsterer Flow und eine tighte, sample-lastige Produktion drängen die sexistischen und prolligen Lyrics in den Hintergrund.
Im Sommer 2003 bricht Bushido endgültig durch die Oberfläche des Rapgames. ” Vom Bordstein Bis Zur Skyline ” erreicht ohne Major und große Videorotationen einen verblüffenden 88. Platz in den Media Control Charts. Das Album ist noch mehr Macho, noch mehr Ghetto und avanciert mit furztrockenen Beats und harten Reimen zum modernen Klassiker des Deutsch Rap.
Doch der Aufstieg Aggroberlins zur festen Institution im deutschen Rapbiz bringt die üblichen Negativerscheinungen mit sich, und Bushido wechselt zum Majorlabel Urban/Universal. Im Nachhinein deklariert er Aggro als Label, das zu schnell gewachsen sei, ohne eine Basis von Vertrauen oder Respekt entwickelt zu haben. Der Streit zwischen beiden Parteien bei der Trennung eskaliert derart, dass Bushido auf seinem Nachfolgealbum mehrmals in deren Richtung schießt und auch mit seinem ehemaligen Crewpartner aus “Carlo, Coxxx, Nutten”-Zeiten, Fler aka. Frank White, nichts mehr zu tun haben will. Aggro mit seinen Konzert-Messerstechereien und dem Kleinkrieg um den Berliner Rapthron stellt für den aufstrebenden Künstler am Ende eher eine Last als eine Unterstützung dar.
Mitte 2004 macht Bushido noch einmal kurz von sich reden, als er im Auftrag der Industrial-Kapelle Rammstein einen Song remixt. Im Oktober folgt dann der Paukenschlag: ” Electro Ghetto “, unter anderem mit zwei Azad -Features, steigt auf Platz drei der Trendcharts ein – noch vor den Ärzten und den fantastischen Vier. Für das Arbeitstier Bushido kein Grund, sich gemütlich zurückzulehnen. Bereits im Oktober 2005 soll das nächste Album erscheinen.
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