Musiker sind im Internet in der Mitte des 18. Jahrhunderts angekommen. Genauso wie damals in den ersten Jahrzehnten der Industrialisierung, geht es denen ganz unten besser als zuvor. Die Landarbeiter flohen vor 250 Jahren um nicht in den Dörfern zu verhungern, sondern unter menschenunwürdigen Bedingungen in Fabriken und Stollen zu arbeiten. Die Newcomer genießen es nicht mehr in den Demokisten der Plattenfirmen zu verenden, sondern ihre Musik im Netz zu verschenken. Genauso, wie der Landarbeiter im Bergbau oder an der Dampfmaschine überlebte, wird der Musiker im Web wenigstens von einigen gehört.

Die echten Gewinner sind die, die es vorher schon waren. Zumindest wenn sie flexibel genug sind, sich anzupassen: der Großgrund- und Gutsbesitzer, der sein Kapital in die neuen Technologien oder den Abbau der dafür benötigten Rohstoffe investierte wurde, genauso wie Künstler a la Radiohead, Madonna und Co, die die neuen Zeiten für sich als etablierte Marken zu nutzen verstehen, reicher denn je zuvor. Sie wurden somit mächtiger als die lokalen Machthaber, nahmen Recht und Ordnung selbst in die Hand und drängten die Fürstenhäuser an die Seite, genauso wie große Künstler heutzutage selbst zum Label werden, wenn sie clever, gut beraten oder beides sind. Immerhin leitete all das die bürgerliche Revolution ein… .

Gekniffen waren all diejenigen in der Mitte. Bauern und Handwerker die Jahrhunderte zuvor ein Auskommen hatten oder gar bescheidenen Reichtum erlangen konnten, wurden von der industriellen Revolution überrollt. Konnte man zuvor durch geschickte Heirat, harte Arbeit und ein wenig Glück sich langsam Generation für Generation den Weg nach oben bahnen, starb man nun zwangsläufig im Stand, in dem man geboren war. Armer Bauer blieb armer Bauer, ein Arbeiterkind wurde Arbeiter.
Ähnlich ergeht es dem musikalischen Mittelstand, der in den Labels alter Prägung mit Verkaufszahlen von 15 bis 50 Tausend seine Daseinsberechtigung hatte.

Diese Mitte dünnt sich gnadenlos aus und hierhin stößt in den geschwächten Labels auch kaum mehr einer vor. Auch wenn man uns immer wieder die gleichen Beispiele aus dem Netz vor die Nase hält von Arctic Monkeys (waren vorher längst eine Livegröße) über Gnarls Barkley (Brian Burton war vorher schon Erfolgsproduzent) bis zu Lily Allen (war vorher schon bei Universal unter Vertrag) bleibt der kommerzielle Erfolg aus dem Netz die absolute Ausnahme und wird nicht zur Regel.
Einige, so auch gestern bei der Diskussion auf der re:publica, scheinen das völlig in Ordnung zu finden. Ein Musiker, also ein Mensch der nichts Handfestes produziert, möge doch wie die Gaukler und Jongleure auf dem Marktplatz froh sein, wenn ihm jemand zuschaut oder zuhört. Wem es gefällt, der wird schon eine Münze springen lassen und manchmal reicht das Almosen dann auch zum Überleben. Vielleicht, dachte ich, war ich mit meinem Vergleich zwischen Musikern und frühem Proletariat noch zu optimistisch…

Am Ende des Tages hat die Industrialisierung zu besseren Lebensumständen für die meisten geführt. Doch der Weg dahin war lang und mit zwei Weltkriegen, Faschismus und Kommunismus gepflastert. Niemals hätte jedoch ein Gruben- oder Fabrikbesitzer geglaubt, dass die Tätigkeit seiner Arbeiter eine Art Hobby sei, welches er nach Gutdünken entlohnen könne. Das war die Grundlage auf der sich Gewerkschaften und Arbeiterrechte entwickeln konnten. Genauso muss endlich begriffen werden, dass derjenige der Dich mit seiner Kunst inspiriert, begeistert oder auch nur unterhält einen Anspruch auf Vergütung hat. Entweder direkt durch Dich oder durch Dritte, die Deine Aufmerksamkeit wollen.

Auf dieser Grundlage muss über Verteilung geredet werden. Verteilung von Gebühren, die für andere Realitäten und Kommunikationswege optimierte Verteilungsorganisationen wie GEMA und GVL erheben, Verteilung die nicht stattfindet wenn Internet Service Provider für ihre Anschlüsse, die für Musikkonsum genutzt werden Gebühren erheben oder bei MySpace die Werbebanner lustig blinken. Ich für meinen Teil bin bereit dafür mit auf die Barrikaden zu gehen. Kommt Ihr mit?

Revolutionäre Grüße
Euer Tim