Man kann sich das schelmische Grinsen von Christian „Flake“ Lorenz gut vorstellen, als er verstaubte Kisten von früher durchforstete und seine „Jugendsünden“ hervorkramte – kurz vor der Unbrauchbarkeit stehende Tonbänder von Feeling B. Doch von der Wiederentdeckung zur Veröffentlichung dieser Perlen ostdeutschen Punks unter dem Namen „Grün & Blau“ in CD- und Buchform lag ein langer Weg, wie der heutige Rammstein-Keyboarder erfahren musste.
Zunächst einmal galt es, die alten Tonbänder vor dem sicheren Verfall zu retten und zu digitalisieren, wofür sie drei Tage im Heizofen zubringen mussten, ehe man sie ein letztes Mal überspielen konnte. „Irgendjemand hat mir einmal erzählt, dass Tonbänder nach 20 bis 25 Jahren unbrauchbar werden. Das bedeutet, dass ich die Bänder dann hätte digitalisieren müssen, um sie jemals wieder nutzen zu können”, erläutert Flake, wie es überhaupt zur Restauration kam. „Dabei haben wir festgestellt, dass es viele Aufnahmen gibt, die ich ganz vergessen hatte. Als wir uns diese Stücke anhörten, fanden wir einige Sachen so gut, dass wir uns bewogen fühlten, die Lieder aufzubereiten.“ Von langer Hand geplant war der Release von „Grün & Blau“ also keineswegs: „Ich wusste letztendlich gar nicht, was ich wollte und mein Plan war es ursprünglich auch nicht, die Sachen zu veröffentlichen“, zeigt sich der Keyboarder offen. „Das ergab sich einfach so, denn wenn man den ganzen Aufwand schon betreibt, dann kann man es auch veröffentlichen. Daher habe ich eine Plattenfirma gesucht und einfach frei Schnauze die Lieder ausgewählt, die ich am besten fand.“
Feeling B – Video Langeweile
Verglichen mit heutigen Standards verfügen die in den Amiga-Studios der DDR getätigten Aufnahmen von damals eher über Proberaum-Charme und manche der Titel sind sogar klassische Demoaufnahmen, die Flake als Keyboarder und Sänger (!) und Gitarrist Paul Landers im Wohnzimmer mit Kassettenrekorder und Drumcomputer mitschnitten. Doch genau deswegen erwartet uns ein authentisches und musikgeschichtlich wertvolles Dokument des Ost-Punks, welches deutlich macht, dass bei der Band vor allem der Spaß im Mittelpunkt stand. „Bei Feeling B nach einem tieferen Sinn zu suchen ist schwer“, lacht Flake, befragt nach dem Plattentitel „Grün Und Blau“. „Man setzt sich einfach hin und denkt sich etwas aus. Ich fand ‚Black And Blue’ von den Rolling Stones gut, das war immer eine meiner Lieblingsplatten und ‚Grün & Blau’ heißt eben sinngemäß ‚Black And Blue’.“ Ebenso wenig steckt ein tieferer Sinn hinter dem Cover, das bei genauem Hinsehen die drei Feeling B-Protagonisten Flake, Paul Landers und Sänger Aljoscha Rompe ziert. „Der Maler des Covers ist ein Freund von mir“, so Flake. „Er hat dieses Bild nach einem Photo von uns gemalt. Darauf zu sehen ist die eigentliche Band, denn der Rest waren nur Gäste. Die Band bestand aus Paul, Aljoscha und mir. Die anderen haben nur gespielt, was man ihnen auftrug.“
Album vorhören
Entsprechend werden die späten Feeling B-Jahre nach dem Ausstieg von Flake und Paul im Begleitbuch und auf der CD komplett ausgespart. Handelt es sich somit um eine rein persönliche Aufarbeitung dieses Kapitels? „Ja, es ist eine absolut subjektive Erinnerung und Paul sieht diese Dinge grundsätzlich anders als ich. Deswegen möchte ich auch betonen, dass die ganze Sache von mir ausging und er damit nichts zu tun hat,“„Ich habe mich einfach abends an den Computer gesetzt und drauf los geschrieben. Es gab kein Konzept, und ich würde das jetzt auch nicht als Buch hochspielen. Ich will die Sache ja nicht abhandeln, sondern wollte nur die Partikel retten.“ so Flake, der sich auch in Bezug auf das angesprochene Buch in Understatement übt: Partikel einer Zeit, die trotz der widrigen Gegebenheiten im DDR-Regime unbeschwert und sorgenfrei gewesen scheint – zumindest übermittelt das Buch diesen Eindruck. „Na klar, das war die schönste Zeit in meinem Leben. Das ist wohl immer so zwischen 16 und 25. Uns ging es spitze – so schön wird es auch nie wieder“, stimmt der Keyboarder ein bisschen wehmütig zu und beantwortet gleich mit, wie es überhaupt möglich war, als Punk-Band in der DDR zu existieren. „Wir hatten uns richtig einstufen lassen. Dazu haben wir etwas Kasperletheater gespielt und denen ein etwas gemäßigteres Programm dargeboten. Die Leute dort waren eigentlich recht kooperativ und haben uns sogar noch Tipps gegeben, wie man besser mit Mikros arbeitet. Das waren ja keineswegs alles Idioten, am Ende wollten doch alle, dass etwas Gutes aus der DDR kommt. Die Menschen haben selbst unter der Situation gelitten, deswegen hatten wir ganz gute Karten. Letztendlich hat sie auch nicht interessiert, was auf dem Dorf passiert ist, aber eben dort fand das Leben statt. Da gab es Säle, die stets knackevoll waren, wenn es eine Party gab. Ab 15 Uhr wurde geschädelt (gesoffen – Anm. d. Verf.) und wenn die Band anfing, war kaum noch einer wach. Da konnte man natürlich spielen was man wollte…“
Für welche Band wäre dies nicht das Paradies gewesen und wahrscheinlich klingt „Grün & Blau“ gerade deswegen so unbeschwert, unbekümmert und schlichtweg ehrlich?!
Sascha Blach
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