Nach dem Tod von Elisabeth Volkmann konnte man sie als Synchronsprecherin gewinnen, und so spricht Mama Marge in den „Simpsons“ seit Januar 2007 mit der Stimme von Anke Engelke. Pünktlich zum Start des ersten Kinofilms der gelben Chaos-Familie, über den sie eigentlich nichts verraten durfte, trafen wir Deutschlands beste Komödiantin zu einem erstaunlich ernsthaften und ruhigen Interview.
Hatten Sie vergangenes Jahr Bedenken, das Erbe von Elisabeth Volkmann anzutreten?
Anke: Nein, aber das war mir auch gar nicht so bewusst. So ist das nun mal, denn manche Rollen können nicht durchgängig von ein und demselben Menschen gesprochen werden. Das geht aus biologischen Gründen manchmal einfach nicht. Für mich war das gar nicht so sehr Thema, und ich habe eigentlich vor allem gehofft, dass ich der Show gerecht werde. Ich wollte den „Simpsons“ nicht mein Ego aufdrücken, sondern mich zurücknehmen und der Sache unterordnen. Dafür habe ich mich dann mehr an der amerikanischen Originalversion orientiert als an den alten deutschen Folgen. Die Leute sollten meine Stimme gar nicht so sehr wahrnehmen – und deswegen passiert es heute noch manchmal, dass Leute mich fragen, wann denn die Folgen mit mir endlich mal laufen.
Wie verlief denn Ihr Einstieg?
Anke: Ich bin sehr warm aufgenommen worden, nicht nur von meinem Team, sondern auch von der Fangemeinde, von der ich gar nicht wusste, dass sie so groß – und auch so eloquent – ist. Die haben ja ein richtig enzyklopädisches Wissen, da ist alles abrufbar. Das ist fast nicht mehr normal. Und in erster Linie gibt es richtig gebildete „Simpsons“-Fans, wie ich den Eindruck habe.
Aber gerade bei diesen Fans stehen Sie doch vermutlich unter besonderer Beobachtung, oder? Am Anfang sollen ja nicht alle mit Ihrer Wahl einverstanden gewesen sein…
Anke: Ich habe das erst gar nicht so sehr mitgekriegt. Nur die Leute vom Sender haben mir irgendwann gesagt, dass es da so ein bis zwei Dutzend Leute gäbe, die etwas komisch seien. So genau konnte mir eigentlich niemand sagen, was das für Typen sind, aber die wollen auch immer gleich ProSieben abschaffen, wenn die Sendung mal mit zwei Minuten Verspätung beginnt. Irgendwie drehen die dann durch, aber das sind nicht die eigentlichen Fans. Echte Fans sind die, die mich auf der Straße ansprechen und fragen, ob in der zweiten Szene von Folge 17 Bart eigentlich im Haus gewesen ist. Die wollen Insiderinfos haben! Die freuen sich, dass ich das mache, aber eigentlich ist es ihnen egal, wer genau die Stimmen sind und woher die kommen. Die sind an der Show interessiert, an den Ideen, an den Geschichten und Dialogen. Es ist ja einfach die schlauste Serie, die es gibt.
Gucken Sie selbst die Serie gerne?
Anke: Auch ich entwickle mich langsam zum Fan, habe ich den Eindruck. Ich schaue aber nicht so viel fern, wenn ich ehrlich bin. Ich arbeite beim Fernsehen und das nimmt schon so genug Platz in meinem Leben ein. Dabei finde ich Fernsehen gar nicht so wichtig! Wenn ich schon so viel drin bin, muss ich nicht auch ständig davor sitzen. Da kriegt man ja irgendwann zu viel.
Fühlen Sie sich Marge eigentlich verbunden?
Anke: Letzten Endes nicht mehr oder weniger als mit Homer. Ich bin auch ein totaler Sofa-Hänger und kratze mich sehr unanständig am Hintern. Ich bin auch Bart und habe viele schlechte Manieren. Und ich bin bestimmt auch Lisa und habe ab und zu was Blödes Besserwisserisches.
Was halten Sie denn generell von den weiblichen Figuren in der Serie? Erfüllen die nicht recht konventionelle Frauenbilder?
Anke: Aber denken Sie doch an Lisa! Die ist intelligent und extrem innovativ. Ich habe gerade neulich die nächste Staffel synchronisiert und muss wirklich sagen: Lisa ist der Sache immer noch einen Schritt voraus. Man denkt manchmal, Marge habe einen recht guten Überblick. Aber Lisa hat wieder ein paar Dinger gebracht in den neuen Folgen, die erstaunlich erwachsen sind, ohne altklug zu sein. Ich will nicht sagen, dass alle Kinder so sein sollen, aber sie ist doch diejenige, die am ehesten eine Vorbildfunktion hat. Marge lässt sich ja de facto zu viel gefallen. Homer behandelt sie nicht gut, den Rest der Familie auch nicht, er geht mit seinem Körper nicht gut um und nimmt seinen Job nicht ernst. In erster Linie ist er ein schlechter Ehemann, so sieht es doch aus. Und auch wenn ich über den Kinofilm hier noch nichts sagen darf, aber nach 20 Jahren fällt nun auch mal Marge Simpson auf, dass ihr Ehemann eventuell mal etwas an dieser Ehe arbeiten sollte.
Geht Marges Krächzen eigentlich auf die Stimme?
Anke: Nein, zumindest bei mir nicht. Sprechen ist das, was ich eigentlich gelernt habe, denn ursprünglich komme ich ja vom Hörfunk. Mit zwölf Jahren habe ich angefangen, Radio zu machen, außerdem viele Hörspiele und Synchronisationen. Ich weiß also, wie man welche Stimmen herstellt und welche Techniken man anwenden muss, deswegen kann nicht viel passieren. Außerdem habe ich natürlich meine Tricks: ich trinke extrem viel während der Arbeit, denn man muss ja die Stimmbänder geschmeidig halten. Außerdem singe ich mich jedes Mal vorher ein.
Was ist denn eigentlich das Erfolgsrezept der „Simpsons“?
Anke: Das Geheimnis ist, dass die Jüngeren davor sitzen und sich wegschmeißen wegen der Zeichnungen und auch wegen der aufmüpfigen Kinder natürlich. Ein Junge und ein Mädchen, die den Eltern ständig widersprechen und daneben benehmen – das will man als Kind doch im Fernsehen sehen. Auf der anderen Seite unterhält aber auch die Erwachsenenwelt auf einem enorm hohen Niveau und ist so gesellschaftskritisch, politisch, böse und fein beobachtet, dass man sich als erwachsener Zuschauer einfach freut. Da möchte ich wirklich mal die genaue Formel für haben, denn dann könnten wir ja auch in Deutschland nur noch gutes Fernsehen machen.
Sie sind ja aber auch sonst für gutes Fernsehen zuständig. Wie geht es mit Ihrer Sketch-Comedy auf SAT1 weiter?
Anke: Schön geht es weiter, die nächste Staffel kommt im nächsten Jahr. Das ist wirklich die Sache, wo ich mich zu Hause fühle, mit meinem eingeschworenen Team. Die „Simpsons“ oder auch zwei Folgen der Krimiserie „Kommissarin Lukas“, die demnächst im ZDF laufen und wo ich ganz ernsthaft gespielt habe, empfinde ich dann immer als Ausflug. Aber meine eigentliche Tankstelle ist die Comedy, die wir in Köln machen, und da kommt auch meine Energie her. Die Leute, mit denen ich da seit Jahren arbeite, wissen offensichtlich ganz genau, was ich kann und – das ist vielleicht noch wichtiger – was ich nicht kann. Die schreiben Sachen, die ich nicht mehr verändern muss und an denen es nichts auszusetzen gibt.
Interview: Patrick Heidmann
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