Man soll sowas ja eigentlich nicht fragen. Aber Tokyo Police Club ist jetzt doch mal ein Bandname, wo man ins Grübeln kommt: wie jetzt, japanische Bullen mit Gitarren? Ist aber natürlich – wie meistens – in Wahrheit alles nur halb so aufregend:
“Wir waren verzweifelt auf der Suche nach einem Namen. Und in unserem Song ‘Cheer It On’, den wir damals gerade schrieben, kommen die Worte Tokyo Police Club vor. Wir dachten, das ist so gut wie jeder andere Name. Das war’s, keine große Geschichte.” Alles andere wäre auch komisch gewesen, weil: In Japan war Graham Wright noch nie. Und auch sonst ist der Keyboarder bis letztes Jahr nicht allzu häufig über kanadische Landesgrenzen hinausgekommen. Was ja für einen 19-Jährigen, der gerade mal vor zwei Jahren die Schule abgeschlossen hat, auch ziemlich normal ist. Ebenso alt sind im Übrigen seine allesamt noch bei den Eltern wohnenden Bandmates David Monks (Gesang, Bass), Josh Hook (Gitarre) und Schlagzeuger Greg Alsop. Indes: Zumindest die Zahl der Auslandsaufenthalte ist seit vergangenem Jahr sprunghaft angestiegen. Und auch sonst wird das Leben der jungen Band gerade gehörig durcheinander gewirbelt.
Angefangen hat alles mit dem Auftritt beim ‘Pop Festival Montreal’ im September 2005. “Wir hatten schon ein paar kleinere Konzerte in Toronto gespielt, aber das war unser erster richtiger Gig”, erklärt Graham. “Dave ist zu der Zeit noch zur Schule gegangen. Und gleich dieses erste Konzert hat alles für uns verändert.” Was vor allem daran liegt, dass Tokyo Police Club bereits wenige Tage nach dem denkwürdigen Abend mit einem Plattenvertrag ausgestattet waren: “Damals kamen die Leute unserer jetzigen Plattenfirma ‘Paper Bag’ zum Konzert. Wir waren total überrascht, da wir zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Versuche in dieser Richtung unternommen hatten.” Die Labelvertreter verließen das Konzert zwar vor dessen Ende. Jedoch nicht, wie die Band mutmaßte, weil sie kein Interesse hatten, sondern schlicht und ergreifend da sie nach wenigen Songs genug gesehen hatten und gar nicht schnell genug den Vertrag aufsetzen konnten. Kurze Zeit später spielten Tokyo Police Club in einer dreitägigen, fiebrigen Session bereits ihre aktuelle EP ‘A Lesson In Crime‘ ein.
Nicht schlecht soweit für ein paar Schulfreunde, die vorher bereits zusammen in einer “konventionelle Pop-Band” spielten. Bis sie das erste Mal die Strokes hörten und den Tokyo Police Club ins Leben riefen: “Die Strokes, aber auch Bloc Party und Arcade Fire waren sehr wichtige Einflüsse für uns. Danach hatten wir keine Lust mehr auf Standard-Pop.” Einflüsse, die man hört, denen die Band jedoch eine sehr eigene, quirlige Note hinzufügt.
Seit die EP vor einigen Monaten in Kanada und den USA veröffentlicht wurde, ist die Band nahezu ununterbrochen auf Tour, erzeugt euphorische Reaktionen wo immer sie auftritt. Freilich nicht ganz ohne Eigenbeteiligung: Das im Netz kursierende angebliche Zitat aus dem US-Rolling-Stone, Tokyo Police Club seien “das beste Neo-Punk-Anti-Rock-Outfit seit der Wiederveröffentlichung des Pavement-Albums ‘Wowee Zowee'” haben die Schlitzohren kurzerhand selbst verbreitet! “Wir wurden zwar tatsächlich bereits im Rolling Stone erwähnt, aber dieses Zitat hat Dave ins Netz gestellt, um sich einen kleinen Spaß zu machen”. Wäre ja auch reichlich gaga – schließlich ist besagtes Pavement-Reissue erst seit wenigen Monaten auf dem Markt.
Weitere gefakte Promo-Aktionen in eigener Sache wird die Band aber wohl nicht nötig haben. Die USA und Kanada stehen bereits Kopf, im Herbst erscheint das erste richtige Album. Für das in diesen Tagen werden bereits eifrig Songs geschrieben werden. Vorher wird sich der Tokyo Police Club aber noch auf eine kleine, feine Deutschland-Tour begeben. Vielleicht die letzte Gelegenheit, die Band vor dem großen Durchbruch zu erleben.
Torsten Groß
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