“Ich denke nicht, dass wir in nächster Zeit viel frei haben werden”, grinst John Conway verschmitzt. Wirklich zu stören scheint es ihn aber nicht. Warum auch, er bedient die Keyboards in einer der derzeit gefragtesten Bands, so richtig erklären kann er sich all die Aufmerksamkeit allerdings nicht. Wie viele Bands haben sich auch die fünf New Yorker von The Bravery an einem Neuaufgusses einer bereits erfolgreich erprobten Mischung aus Achtziger-Jahre-Allerlei versucht und mit ihrem ersten Album ‘The Bravery’ einen besonders munteren Retro-Dance-Hybriden losgelassenen – allerdings haben sie sich damit nicht nur Freunde gemacht.

Findige Musikfreunde dürften sich bereits seit einigen Monaten im Besitz des The Bravery-Debüts befinden, denn während die offizielle Veröffentlichung erst dieser Tage ansteht, fand das Album seinen Weg über verschlungene Importwege in die Plattenläden. Die gleiche Taktik verwenden die Herren Endicott (Gesang), Zakatin (Gitarre), H (Bass), Burulcich (Schlagzeug) übrigens auch, um sich in das Bewusstsein ihrer Mitmenschen zu schleichen. “Von außen wirkt es natürlich so, als ob wir ziemlich schnell auf der Bildfläche erscheinen sind, was so nicht stimmt. Wir waren eben schon ready to go, als wir unseren Plattenvertrag unterschrieben. Das Album haben wir bereits aufgenommen und selbst produziert, bevor wir von irgendwem Unterstützung bekamen. Als die Leute begannen, sich für uns zu interessieren, Songs runterluden und sie in den Clubs und Radios spielten, waren das die Aufnahmen aus unseren Schlafzimmern. Plattenfirmen investieren normalerweise Millionen von Dollar, um Bands ins Studio zu schicken und anschließend ins Radio zu bekommen, bei uns hat es wie von selbst funktioniert.”

Da waren sie also schon vor dem Startschuss im Ziel. So viel Eifer bleibt natürlich nicht lange unentdeckt, und so wird ihr Album bereits Anfang des Jahres von der BBC zum ‘Sound Of 2005’ gekürt, was sich bei näherem Hinhören natürlich als Scherz entpuppt. Die erste Single ‘An Honest Mistake’ ist eine astreine Kopie von New Orders ‘Blue Monday’, doch anstatt sich für die Dreistigkeit zu schämen, geht die Referenzsuche munter weiter. ‘Tyrant’ ruft einem nicht nur die Frisurenverbrechen von Alphaville ins Gedächtnis, sondern auch ihre sanften Synthie-Pop-Klänge. Und sollte Robert Smith einen unehelichen Sohn haben, Sänger Sam Endicott würde dafür unbedingt in Frage kommen, denn so wehmütig und so ausgiebig wir er hat seit The Cure kaum jemand mehr sein (Liebes-) Leid geklagt. Alles in allem servieren sie eingängigen Retro-Mix mit fetzigen Beats im Hintergrund, und nein – neu ist das natürlich nicht. Doch anders als manche Musikerkollegen haben The Bravery den Sprung ins Rampenlicht geschafft. “Als wir die Band gründeten, war es unser erklärtes Ziel, es so weit wie möglich zu bringen; wir wollten vom ersten Tag an reisen. Manche Bands sind ewig in ihrer lokalen Szene gefangen und schaffen es nie nach draußen.” Es reicht eben nicht, im Untergrund als “Teil einer der besten Musik Szene der Welt” zu versauern.

Warum grade Bands aus seiner direkten Nachbarschaft für Furore sorgen, dafür hat Monsieur Conway seine eigene Erklärung: Der 11. September. “Diese Ereignis hat unsere Perspektive verändert und war mit Sicherheit für viele Bands Wendepunkt. Es hat die Leute dazu gebracht, rauszugehen und ihr Ding durchzuziehen.” Das Ergebnis rotiert inzwischen in den Stereoanlagen landauf, landab, auch wenn sich The Bravery seit ihrem Bestehen nicht nur Freunde gemacht haben. Ihre wohl bekanntesten, sagen wir mal Nicht-Gönner sind die Killers, mit deren Fontmann Brandon Flowers Sänger Sam Endicott die ein oder andere schöne Anschuldigung ausgetauscht hat und seitdem im gleichen Atemzug mit der Truppe aus Las Vegas genannt wird. “Ich denke nicht, dass das noch lange anhält”, hofft John Conway. “Vielleicht wird in zwei Jahren eine neue Band mit The Bravery verglichen und denn ist das ausgleichende Gerechtigkeit.” Bis dahin muss sich seine Band sicherlich noch mit einigen Dutzend Miesmachern rumplagen, und könnte auf Grund deren Vielzahl vielleicht eines Tages sogar “eine Kollektion unserer schlechtesten Rezensionen veröffentlichen”.

Vorerst darf aber weiter getanzt werden, denn mal abgesehen davon, dass sich das Quintett zwar in Sachen Originalität nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert, haben es The Bravery geschafft, ein respektables und immens tanzbares Stück Musik zu kreieren, über das man nicht allzu viel nachdenken, sondern an dem man sich einfach erfreuen sollte.

Text: Ina Göritz