(Foto: Joyful Noise)

Unscheinbar, schüchtern und fast ein wenig introvertiert. So wirkt Ryan Lott im ersten Moment. Dann setzt man sich, bestellt eine Tasse Kaffee und beginnt das Gespräch. Plötzlich sitzt einem der charismatische Multiinstrumentalist Son Lux gegenüber, der mehr von Musik versteht, als viele seiner Zeitgenossen. Bereits als Kind begann seine musikalische Bildung. Klavier und Gitarre, später kamen noch etliche Instrumente hinzu. Er beginnt zu komponieren. Kurz danach nutzt er sein Talent, um für Unternehmen, wie Ikea, Audi und Absolut zu arbeiten. Es folgen Aufträge im Bereich Film und Tanz. Nebenbei erscheint 2008 wie von selbst sein erstes Studioalbum „At War With Walls And Mazes“; „We Are Rising“ folgt drei Jahre später. Nun erscheint sein drittes Werk „Lanterns“ (VÖ: 25.10), in dem er sich gewohnt gesellschaftskritisch als Wegweiser in eine alternative Welt anbietet. Wie auf den Alben zuvor lässt Son Lux’s Musik keine Kategorisierung zu. Pure Absicht, wie wir im Interview mit dem sympathischen und erstaunlich gesprächigen Mastermind erfahren. Erfahren haben wir auch, wie es ist seinen ersten Spielfilm-Soundtrack zu komponieren und wie es gelingt sich sein Leben lang nicht mit den Beatles zu beschäftigen.

motor.de: Als ich den Namen Son Lux zum ersten Mal gehört habe, musste ich sofort an meinen Lateinunterricht in der Schule denken. Hat das damit was zu tun?

Ryan Lott: Ja hat es und es gab mehrere Gründe dafür. Zunächst einmal wollte ich meinen eigenen Namen nicht verwenden, also musste ein Künstlername her. Mir gefiel außerdem die Idee von zwei Wörtern, sodass es sich immer noch wie ein Name anfühlt. „Son“ wählte ich, weil es ein recht universelles Wort ist, das in verschiedenen Sprachen eine ganz andere Bedeutung hat. „Lux“ als extrem sinnträchtiger Begriff, war dann der nötige und für mich logische Kontrast. Dass das ein Wort einer toten Sprache ist, dessen Bedeutung aber jeder kennt, faszinierte mich irgendwie.

Auf deinem neuen Album „Lanterns“ singst du von einer alternativen, maschinenverseuchten Welt und von einem Fluchtplan, den wir schmieden sollen. Das klingt alles nicht gerade positiv. Bist du persönlich ein Pessimist?

Eigentlich sehe ich mich als standhaften Optimisten. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum ich Musik machen kann, die eher gequält, konfliktgeladen und negativ klingt. Musik ist der Bereich in meinem Leben, in dem ich auch diese dunklen Gedanken raus lassen und aufarbeiten kann. Sie dient mir sozusagen als meine persönliche Katharsis. Ich würde meine Texte aber nicht als negativ beschreiben. Viel eher sind sie in beide Richtungen interpretierbar, was ich gut finde. Letztendlich entscheidet also der Zuhörer, was er darin sehen will und genau das war auch mein Ziel. Ich wollte immer Musik machen, die in den Leuten Reaktionen hervorruft, ohne dabei zu spezifisch zu sein bzw. bestimmte Denkmuster vorzugeben. Meine Zuhörer sollen ihre eigenen Geschichten, Erlebnisse und Erfahrungen miteinbringen und nicht von mir in ihrer Wahrnehmung in eine Richtung gedrängt werden. Aber um ehrlich zu sein: Du bist nicht die Erste, die mich das fragt.

Siehst du unserer heutige Welt denn so?

Ohne mich dabei jetzt zu sehr auf meine Texte zu beziehen, existieren für mich zwei unterschiedliche Welten. Da gibt es zum einen die Realität, in der wir beide leben und die wir in diesem Moment zusammen erleben, in der wir Musik hören und die Nachrichten lesen. In alledem gibt es aber noch diese andere, außenstehende Realität, in der unsere Träume, Sehnsüchte, Wünsche und persönliche Erfahrungen zum Tragen kommen.

Ist diese außenstehende Realität deiner Ansicht nach ein besserer Ort?

Ich denke, dass sie das sein kann. Das ist ja ein Ort, den wir selbst ganz stark durch unsere Gedanken und Gefühle beeinflussen. Im Grunde ist es so, dass diese ideale Welt, die sich jeder einzelne von uns natürlich anders vorstellt, von unserer Gegenwart und vermutlich noch viel mehr von unserer Vergangenheit bestimmt ist.

Klingt zwar kitschig, aber denkst du, dass du mit deiner Musik etwas verändern kannst?

(lacht) Ja, Natürlich! Wofür ist Musik denn sonst gut? Ha, das macht mich wohl zu einem eindeutigen Optimisten, oder? Aber mal im Ernst. Ich glaube fest daran, dass Musik Dinge verändern und vor allem besser machen kann. Wenn ich das nicht so sehen würde, sollte ich vermutlich auch keine Musik machen. Es wäre ja mehr als absurd, sein ganzes Leben einer Sache zu widmen, an die man selbst gar nicht glaubt. Auch wenn da natürlich sehr viel Egoismus mitschwingt, weil ich ja etwas mache, was ich gerne tue, ist es doch gut nach etwas zu Streben, was man mit seinem ganzen Herzen liebt. Nur dann kann etwas gut sein und die Welt auch zum Positiven verändern. Ich denke, dass das aber nur gelingt – und das klingt jetzt echt etwas kitschig – wenn man nach einem bessern Ich strebt. Nur so, kann man herausfinden, was man wirklich will, was man gut kann und wo sein Platz in diesem Universum ist. Wenn man diesen Platz für sich gefunden hat, kann man mit seiner Umwelt interagieren und sie auch, im besten Fall positiv beeinflussen.

Zurück zu deinem neuen Album. Als ich es das erste Mal hörte, hatte ich das Gefühl, dass da alles von Anfang bis Ende zusammenpasst. War das deine Intention? Steckt da ein Konzept dahinter?

Das Ergebnis war definitiv meine Intention. Aber es war nicht so, dass ich das von Anfang an in meinem Kopf so geplant hatte. Ich habe viel mehr Songs geschrieben, als jetzt auf dem Album gelandet sind. Das ist wahrscheinlich eine langweilige Antwort, aber wenn man so viel Material hat, passiert das irgendwie von ganz alleine. Zumindest war es in meinem Fall so, dass sich das Album mit der Zeit zu einem stimmigen Ganzen zusammengefügt hat. Das Einzige worauf ich wirklich geachtet habe, war die gegenseitige Resonanz der Songs zueinander. Damit meine ich, dass für mich jeder Song eine bestimmte Resonanz hatte, die ich versucht habe aufeinander abzustimmen. Das war etwas sehr Subjektives, auf das ich aber wirklich geachtet habe.

Du hast für einige große Konzerne, wie Audi, Absolut und Ikea Musik zu deren Werbespots beigesteuert. Wie war das so, mit solchen Leuten zu arbeiten? Bist du da manchmal in Konflikt mit dir selbst geraten?

Wenn du mit solchen Konzernen zusammenarbeitest, bist du das Ende einer langen kreativen Kette sehr vieler und komplexer Arbeitsschritte. Musik für Werbespots zu machen ist eine echte Herausforderung und alles andere als einfach. Es ist eine andere Art der Kreativität, die eigentlich mehr mit Wissenschaft zu tun hat, als mit reinem künstlerischen Schaffen. Um die Musik zu komponieren stehen dir außerdem ganz andere und meist viel bessere Werkzeuge zur Verfügung. Wenn ich für diese Leute gearbeitet habe, sah ich das nie als Kompromiss. Vielmehr stellten die mich an, damit ich meine Fähigkeiten einsetze, um deren Ziele zu erreichen. Es war aber nie so, dass ich mich mit diesen Konzernen bzw. mit dieser Musik identifiziert habe. So simpel das auch klingen mag, aber dadurch, dass ich mit dieser Musik nie eins war, fühlte es sich auch in Ordnung an, sie für diese Leute zu schreiben. Wenn das anders gewesen wäre, hätte ich wohl schon Probleme damit gehabt. Die Musik, die ich für mich mache und jene, die ich für einen Auftraggeber kreiere sind zwei komplett getrennte und unterschiedliche Dinge für mich. Die haben nichts miteinander zu tun.  Außerdem kann ich jetzt, da ich selbständig bin auch besser selektieren, was ich mache und was nicht. Ich habe zum Beispiel noch nie für einen Ölkonzern gearbeitet, weil ich das einfach für falsch halte. Im Endeffekt muss man es aber auch ein wenig pragmatisch sehen. Denen ist es egal, wer für sie die Musik macht. Wenn ich es nicht tue, macht es eben ein anderer und man muss ja schließlich von irgendwas leben. Ich versuche aber schon, dass ich bei allem, was ich mache auch etwas lernen und besser werden kann. Das kann man dabei definitiv. Das ist verdammt viel und richtig anstrengende Arbeit.

Ist es denn einfacher für einen Auftraggeber zu arbeiten, der dir Vorgaben und auch einen gewissen zeitlichen Druck macht?

Natürlich hast du bei solchen Aufträgen sofort Druck in jeglicher Hinsicht. Du hast eine zeitliche Deadline, ein bestimmtes Budget und die kreativen Vorstellungen des Auftraggebers, die du zu erfüllen hast. Das ist hart und herausfordernd, aber ich habe davon wirklich profitiert. Ich meine, ich habe gelernt jeden Tag zwei bis sechs Musikstücke unterschiedlichster Art zu komponieren. Natürlich könnte man jetzt sagen, dass das total frustrierend ist und man im Grunde ein Fließbandarbeiter ist. Ich persönlich sah das nie so. Ich habe immer versucht, das Beste rauszuholen und etwas Neues zu lernen und mit der Zeit wurde ich schneller, professioneller und konnte meine Fähigkeiten optimieren. Um aber auf deine Frage zurückzukommen, ja ich denke, dass es auf eine gewisse Art und Weise einfacher ist, wenn du einen gewissen Druck hast, Dinge zu kreieren.

 

Du hast schon bei sehr vielen Soundtracks für verschiedene Filme mitgearbeitet. Jetzt hast du gerade deinen ersten Soundtrack für einen ganzen Spielfilm („The Disappearance Of Eleanor Rigby“) beendet. Wie war das so?

Ja, der Film kommt 2014 in die Kinos. Das war echt eine tolle Erfahrung und eine große Ehre Teil dieses großartigen Films zu sein. Meine Inspiration für den Soundtrack kam hauptsächlich von der Geschichte selbst. Ich habe versucht, die Story in eine musikalische Welt zu tauchen und den Film abzurunden. Es ist ein sehr ruhiger, herzzerreißender Film, der noch dazu in New York – meinem derzeitigen Wohnort – spielt.

Hat der Film etwas mit dem Beatle’s Song zu tun?

Das möchte ich eigentlich noch nicht verraten. Das müsst ihr dann schon selbst herausfinden. Irgendwie ist es aber schon ironisch, dass ich bei diesem Film mitarbeite…ich habe nie – und da bin ich wohl der einzige Mensch auf dieser Welt – aktiv die Beatles gehört. Als professioneller Musiker ist das eigentlich schon komisch (lacht). Also den Song kenne ich schon, aber…keine Ahnung. Es ist nicht einmal so, dass ich die nicht mag, aber aus irgendeinem Grund, kam ich nie wirklich mit ihnen in Berührung und irgendwann war es dann zu spät und jetzt finde ich das auch irgendwie cool. Der Tag wird aber kommen, an dem ich das bestimmt noch nachholen werde.

Was hörst du persönlich für Musik?

Ich bin eigentlich offen für alles, aber wenn ich ein Genre nennen müsste, das ich am liebsten höre, dann wäre das wohl afrikanischer Soul der sechziger und siebziger Jahre. Ich liebe diese Musik einfach. Keine Ahnung warum, aber diese Musik fasziniert mich einfach. Vielleicht auch, weil ich als Musiker hauptsächlich in Rhythmus denke und diese Musik auf starken und eingängigen Rhythmen aufbaut.

Mariella Gittler