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Thomas Hitzlsperger ist also schwul. In den letzten 72 Stunden gab es kaum noch etwas anderes zu lesen. Die Gehässigen unter uns würden sagen, sie hätten es ja schon immer gewusst. An Stammtischen werden schon die nächsten Coming-Outs diskustiert – dieser Torwart, der immer so verschmitzt guckt. Dieser Abwehrspieler, der immer noch nicht verheiratet ist und den Sky-Reporter bei jedem Field-Interview anhimmelt. Plötzlich gibt es Experten eines Themenfeldes, das keiner Experten bedarf. Die Moralprediger unter uns, allen voran Politiker und die sogenannten Society-Experten, sind beeindruckt und überhäufen den ehemaligen Nationalspieler mit Lobhudeleien zu seiner „mutigen Entscheidung“. Eine Gesellschaft atmet auf, denn noch nie hat ein so bekannter Fußballspieler so offen seine Homosexualität zugegeben. Ein kleiner Schritt für Thomas Hitzlsperger, ein großer Schritt für die Öffentlichkeit – so scheint es. Jetzt sind wir weltoffen, jetzt sind wir modern. Wir leben in einer Gesellschaft, in der jeder jeden lieben darf und alle anderen das wissen dürfen. Der Umstand, dass Hitzlsperger seine sexuelle Einstellung schon während seiner aktiven Zeit öffentlich machen wollte, ihm jedoch Kollegen, Weggefährten und Berater davon abgeraten haben, scheint in der Diskussion nicht von Belang. Erschreckend ist also der Umstand, dass homosexuelle Sportler um ihre aktive Karriere bangen müssen, wenn sie ihre Homosexualität offen zeigen. Der Weg zu diesem Coming-Out, über das Wort an sich lässt sich vortrefflich streiten, führte also auch für Hitzlsperger nur über den sicheren Hafen der abgeschlossenen Profikarriere. Eine Auseinandersetzung mit dem Fußballspieler Hitzlsperger bleibt somit aus.
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So löblich und richtig dieser Schritt in all seinen Facetten ist, bezweifle ich, dass er für aktive Sportler die Tür zu einer Bekenntnis ihrer Homosexualität auch nur einen Zentimeter weit aufgestoßen hat. Das ist zwar schade, aber doch auch nicht zwingend notwendig. Zumindest dann nicht, wenn Homosexualität endlich nicht nur auf unseren Zungen das „völlig Normale“ ist, das es eben ist – sondern auch in unseren Köpfen. Keinen sollte es interessieren, ob ein Spieler wie Thomas Hitzlsperger nun ein Frau oder einen Mann neben sich bettet. Er steht als Fußballspieler in der Öffentlichkeit – hier zählen, wie bei anderen Sportlern auch, die sportlichen Leistungen und bis zu einem gewissen Grad seine Vorbildfunktion gegenüber der Gesellschaft. Diese „Bewertungsanforderungen“ sind völlig unabhängig von der sexuellen Ausrichtung eines Menschen und können auch ohne das Wissen um Hetero- oder Homosexualität getroffen werden. Legt man dieser Ansicht eine einfach Schablone zu Grunde, steht ganz klar fest: Leistung hat nichts mit Sex zu tun.
Hat die Penny-Kassiererin nun einen Freund oder eine Freundin in der Wohnung? Mir egal. Küsst unser Außenminister lieber Männer als Frauen? Wen interessiert es? Setzt sich mein Taxifahrer nach Feierabend eine Perücke auf und schminkt sich? Kann er machen. Die öffentliche Wahrnehmung einer Person sollte auf den Leistungen beruhen, die für die von ihr ausgeübte Tätigkeit ausschlaggebend sind. Wenn ich an der Supermarktkasse stehe, die Außenpolitik verfluche oder nach acht Bier von der Bar nach Hause gefahren werde, schert es mich doch nicht um die persönlichen Vorlieben meiner Gegenüber. Genauso bei Hitzlsperger. Genauso bei allen heterosexuellen Sportlern. Genauso bei allen Menschen, die ich tagein tagaus in der Bahn, auf der Straße und im Fernsehen sehe. Ich stelle mich auch nicht an die Kinokasse und sage: „Hallo. Zwei Mal „Der Hobbit“ im Parkett, bitte. Ich stehe übrigens auf Frauen!“ Was in erster Linie nach Ignoranz klingen könnte ist, bei genauerem Hinsehen, die einfache Überflüssigkeit des Wissens um die sexuellen Vorlieben meines Gegenübers. Mir ist egal ob ein Fußballspieler Homo-, Hetero,- Metro-, Inter-, oder Transsexuell ist – er ist Fußballspieler und soll Fußball spielen. Fußballverbände sehen das nicht so.
Die ganze Lobhudelei und das Bäuchepinseln von Leuten, die mit dieser Sache nicht im Entferntesten zu tun haben, zeigt die ganze hinterfotzige Wonne mit der sich am Thema Hitzlsperger gelabt wird. Jetzt hat man wieder was, um sich glitzernd und post-emanzipiert zu präsentieren: schaut her, nun haben wir auch schwule Fußballspieler! Macht die Augen auf, die hatten wir schon immer! Allein die Tatsache, dass sie um ihre Karrieren fürchten müssen, wenn „es raus kommt“, zeigt den moralischen Zustand der Sportlandschaft, speziell des internationalen Fußballs. Thomas Hitzlspergers Schritt ist ohne Frage einer in die richtige Richtung. Er ist bewundernswert. Er ist leider selbst 2014 noch notwendig – und die Wellen die er schlägt müssten wahrhaftig enorm sein. Homosexuelle Fans der Weltmeisterschaft 2022 in Katar sollten, sogar auf Empfehlung von FIFA-Boss Blatter, aus Rücksicht gegenüber dem Gastgeberland auf die Ausübung ihrer Sexualität verzichten. Andernfalls drohen harte Repressalien im Austragungsland des größten Sportpokals der Welt: fünf Jahre Haft oder Peitschenhiebe. Sexuelle Enthaltsamkeit als Preis des Fan-Seins. Dann lieber 'Ficken gegen FIFA'.
Unsere moderne Weltanschauung, unsere Offenheit gegenüber allen Formen der Liebe, unsere Toleranz und unsere ach so moderne Selbstwahrnehmung geben wir zusammen mit Dosenbier und Bengalos am Stadioneingang ab. In Katar dann auch an den Zollschranken. Wie kann man es hassen, wenn Menschen sich lieben? Und warum sind wir im 21. Jahrhundert immer noch nicht weiter, als die alten Griechen?
Julian Weicht
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