Momentan hege ich Zweifel an der Trinkwasserqualität der Briten – Hormone oder übernatürlicher Barbarella-Urin müssen verantwortlich sein. Die Insel avanciert sich langsam aber stetig vom Homecountry der Stereotypen: rote Haare, schiefe Zähne, Goldkettchen zum Dreh- und Angelpunkt der Musik, die es schafft sexy zu sein. Und das alles ohne dabei auf das Niveau von Werbung mittelständischer Autowaschanlagen zu sinken. AlunaGeorge, Disclosure, George Ezra, Jungle, selbst King Krule, der optisch eher nicht so Material für feuchte Träume bietet, groovt das Publikum mit seinem Stimm-Timbre und tiefen Basslinien ein. Verantwortlich dafür ist eine offensichtliche Öffnung der britischen Musik zum Soul und R’n’B, also der Art körperbetonter Musik, die für das Reiben zweier Körper aneinander quasi geschaffen wurde.
Einreihen in diese Riege können sich ganz unbeschämt die Glass Animals, die nach eigenen Angaben echt nicht sexy klingen wollten. Naja, scheiße für euch, tut ihr trotzdem. Und wir sind damit absolut d’accord. Die vier Jungs (Dave Bayley, Drew MacFarlane, Edmund Irwin-Singer und Joe Seaward) aus Oxford kennen sich seit sie 13 sind, gingen zusammen zur Schule, anschließend auf die Uni. Nachdem Sänger Dave Bayley sich zurück in sein Heimatland die Staaten aufmachte, um als DJ und Kellerproducer ein bisschen Erfahrung zu sammeln, kommt er eines Weihnachtens mit der Ansage zurück „Ich hab diese Songs fertig gemacht – Lasst uns mal eine Band gründen.“
Sie sind das erste Signing beim Wolf Tone-Label von Paul Edworth, der als Produzent bei den wichtigsten britischen Exporten des letzten Jahrzehnts involviert war: Bloc Party, Maximo Park, Kate Nash, Florence and The Machine, Adele und und und man könnte noch laufend weitermachen. Hohe Erwartungen sind garantiert, der Platz auf unser Watchlist auch. Nach den zahlreichen EPs wird Anfang Juli ihr Debütalbum "Zaba" folgen. Wir haben’s schon gehört (lucky us!), live gesehen und wollen euch deshalb, die 5 Gründe weshalb die Glass Animals eure Musikwelt zu einem besseren Fleck machen, nicht vorenthalten:
1. Kindheit und Shit
Erwachsenwerden sucks ass. Statt ständig Sturmfrei und Parties à la Project X, bekommt man Post von der GEZ. Buh. Dave Bayley, der für die Texte der Glass Animals verantwortlich ist, weiß „wenn du ein Kind bist, bist du einfach so neugierig und dein Kopf so offen. Du glaubst nicht, dass irgendetwas dich verletzen kann. Also wanderst du umher und probierst alles aus. Dann kommt die Welt und macht dich ein bisschen zögerlicher und zweifelnder.“ Auch um sich an diesen Safe-Place zurück zu versetzen stand Daves Lieblingsbuch aus Kindertagen „The Zababjaba Jungle“ von William Steig Namenspate für das Debüt „Zaba“. Kindliche Lyrics verbinden sich auf jeden Fall mit dem Dschungel-Gefühl. Wobei wir schon bei Punkt zwei wären.
2. Videos I
Stop-Motion aus Knete, düstere Farben, bisschen ekelhaftes Kriechzeug, dass Dave in seltsamen Wissenschaftsbüchern entdeckt hat – im Gesamtpaket als würde Tim Burton das Dschungelbuch mit einem darken Twist neudrehen. `Nuff said, mögen wir!
3. Zähflüssige Songtitel
Songtitel wie Gooey, Woozy, Exxus und Cocoa Hooves, die bereits auf den seit 2012 veröffentlichten EPs zu hören waren, lassen mich erst einmal mit dem dämlichen Gefühl zurück, weder zu wissen, was sie eigentlich bedeuten sollen, noch wie die korrekte Aussprache ist, um im Interview mal nachzufragen. Hört man sich die Songs dann an, sind sie aber selbsterklärend und klingen eben eben genau so, wie sie heißen. Die Songs sind Spielwiese für bestimmte Emotionen, die in adoleszenten R'n'B gepackt, eine Widerspiegelung der musikalischen Einflüsse der Band darstellen. Den Lyrics kommt die einfache Aufgabe zu, dem gefügigmachenden Sound zu schmeicheln. „Häufig sollen alle Lyrics zur Musik passen und die Art der Wörter sich der Sound-Landschaft anpassen. Gooey z.B. ist ein ziemlich putziger Song, verträumt kindlich – also hab ich viele kindliche Wörter benutzt und jetzt hört er sich einfach … gooey an.“
„Snake eye with the slightest smile, we can hold you and shake you jive." – Black Mambo
Auch das Wortspiel bei „Black Mambo“ könnte passender nicht sein und ich bin krass begeistert von entweder meinen musikalischen Assoziationsfähigkeiten oder der der Glass Animals, Bilder in den Kopf zu pflanzen. Imaginär bin ich im Dschungelbuch und Dave‘s Stimme hypnotisiert mich einer säuselnden Ka gleich zum Tanz der schwarzen Mamba.
4. Die Körperwelle
Wenn man nach Berlin kommt (und das tun sie ja letztendlich doch alle) und einen Blick auf die hiesige Tanzkultur wirft, wird eines erschreckend schnell klar. Es gibt nicht nur den Berlin Sound, diese synthiestarken upbeat dance meets techno pop im darkroom Melodien, auf die das verschallerte Publikum so steht, sondern den passenden charakteristischen Dance-Move, den ich in seiner Lächerlichkeit zu meinem persönlichen Feind und der Un-Bewegung der 2010er Jahre erklärt habe: Den Berliner Clap. Von einem Bein auf’s andere, dazu den Claps des Songs folgend klatschen. Ohoh.
R’n’B’s Einfluss auf den elektronischen Pop und auch dem Sound der Glass Animals gilt der Dank für den Move, der den furchtbaren Clap in den Clubs endlich erlösen zu scheint: Die Körperwelle.
Das ist vermutlich auch, wo ich den sexy-Vibe herbekomme.
Sänger Dave hat den ziemlich perfektioniert, live seinem Beispiel folgend fängt das Publikum auch endlich mal wieder an, sich aneinander zu reiben. Ouh yeah.
5. Videos II
Um den folgenden Text zu verstehen, einmal das Video anschauen:
Glass Animals – Gooey on MUZU.TV.
Aus "Zaba" bereits veröffentlicht ist der instant-Ohrwurm „Gooey“. Das Video dazu pendelt sich irgendwo zwischen ziemlich widerlich und ziemlich sexy ein. Hier werden ordentlich Körperflüssigkeiten ausgetauscht, zwei Wrestler rollen sich auf dem Boden und als Zuschauer fühlt man sich als Psycho erwischt, der das Ganze eigentlich nicht mit anschauen dürfte. „Ja, es ist ein verdorbenes Video. Auch wenn ich bei dem Song echt nicht auf sexy aus war, denken das viele Leute. Die Typen, die das Video gemacht haben auf jeden Fall auch.“
Das Album der Glass Animals Zaba erscheint am 06. Juni über Wolf Tone/Caroline International.
( Text: Vera Jakubeit / Fotos: Liam Cushing)
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