(Foto: Rebecca Blissett)
Gerade im Vergleich zu der mit Feinripp-Unterhemd und Cowboyhüten bekleideten Vorband sieht die Bühne plötzlich leer aus. Nur zwei Menschen stehen da oben, nur Drums und Gitarre. Und die klingen, als seien sie mindestens zu viert.
Es sind The Pack, A.D., die zu zweit dazu in der Lage sind, Hallen zu füllen. Nicht nur mit ihren Fans, sondern auch (und vor allem) mit ihrem Sound. Der kommt einmal von Maya Miller an den Drums, die gleichzeitig bei einem großen Teil der Songs auch Vocals beisteuert. Und dann ist da Becky Black an der Gitarre, die außerdem dazu in der Lage ist, unfassbar akkuraten Gesang zu emitieren, der sich auch sehr erfolgreich gegen den Rest behaupten kann. Das war’s, und es scheint so genau richtig zu sein.
Natürlich läuft man in dieser Besetzung schnell Gefahr, in eine Schublade gesteckt zu werden. Aber es handelt sich hier mitnichten um eine Band, die darin bestrebt ist, so wie beispielsweise die White Stripes zu sein. Vielmehr scheinen sich The Pack, A.D. intensiv mit den Themen Ideenfindung und Kreativität auseinandergesetzt zu haben, und nicht mal eben aus einer Laune heraus entstanden zu sein.
Maya: Ich glaube jede Art von kreativem Prozess hat ihre Schwierigkeiten, aber mit anderen Leuten zusammen zu arbeiten ist komplizierter. Ich denke mit weniger Leuten ist es einfacher, etwas hinzubekommen.
Becky: Ich denke, das hängt davon ab. Kollaboration kann etwas wunderbares sein, aber wenn man die falschen Leute erwischt, kann auch nichts dabei heraus kommen, oder aber etwas schreckliches (lacht). Es hängt einfach von den involvierten Leuten ab.
Und jene involvierten Leute scheinen sich hier gefunden zu haben, und zwar in Vancouver. Kennt man, aber gibt es da auch sonst gute Musik?
Maya: Sicher, es gibt schon eine Rock-Szene. In Toronto ist mehr los als in Vancouver, aber es gibt (die Band) Japandroids und … naja, mehr fällt mir gerade gar nicht ein.
Becky: Viele lokale Bands verlassen Vancouver auch gar nicht, denn das ist schon sehr abgelegen. Du kannst eigentlich nur in die USA fahren, aber was Kanada angeht, muss man erstmal zwölf Stunden Auto fahren, um zur nächsten größeren Stadt zu kommen.
Vancouver scheint trotz seiner Größe in gewisser Weise Parallelen mit Provinzmetropolen wie Paderborn aufzuweisen, was den beiden aber sicher nicht geschadet hat. Auf jeden Fall kann man in dieser Stadt auch ziemlich gute Musikvideos produzieren. Äußerst sehenswert ist beispielsweise das zu Sirens: Hier scheint ein Mann die Musik von The Pack, A.D. in seinem Kopf zu hören, was ihn zu einem spastisch-brutalen Amoklauf verleitet. Das könnte vom Plot her auch von einer Schüler-Punkband kommen, ist aber visuell großartig umgesetzt. Im Video zu Positronic rächt sich eine zum Cyborg-Zombie mutierende Frau an dem Mann, der sie überfahren hat. Auch hier wieder Gewalt und Blut, was aber nicht verherrlichend zelebriert wird, sondern Raum zur Interpretation bietet. Ein Thema scheint dabei die Suche nach dem Extrem zu sein, und wie man dieses über die Musik ausleben kann. Das haben The Pack, A.D. auch selbst verinnerlicht.
Vor einigen Jahren ist Becky auf einem Konzert in L.A. von der Bühne gestürzt, hat sich dabei ernsthaft verletzt und musste in die Notaufnahme eingeliefert werden. Der Grund: Becky sprang damals regelmäßig auf dem Instrumentarium herum:
Becky: Ja, ich bin früher immer vom Drum-Kit gesprungen. Aber das war dann auch das letzte Mal, dass ich das gemacht habe. Ich habe eigentlich gar keine Angst, das nochmal zu tun, aber ich glaube, bei Maja ist das anders…
Maya: Ich habe gesehen wie sie gestürzt ist, und das war grässlich. Dabei ist sie eigentlich öfter mal dabei hingefallen, aber das war wirklich schlimm. Allerdings haben unsere Konzerte auch so eine gewisse Energie, ohne dass Becky von der Bühne fällt (lacht). Wir fühlen uns auch so ein wenig gefährlich an.
Willkommen in der Danger Zone. Dass es hier aber nicht nur um die mutwillige Beförderung in gefährliche Situationen geht, zeigt sich auch an den Inspirationsquellen der Band. Auf den langen Fahrten im Van durch Nordamerika liest besonders Becky sehr viel (als Beifahrerin!) und schaut Serien wie David Lynch’s Twin Peaks. All das fließt in die Songs der Band ein. Aktuell hat sich Becky allerdings eine besondere Inspirationsquelle ausgedacht:
Becky: Ich nehme einen kleinen Online-Kurs über Neurologie, als Video-Vorlesungen. Das mache ich gerade so zum Zeitvertreib. Ich denke jetzt mehr darüber nach, woher Ideen kommen, neurologisch betrachtet. Es ist aber auch immer schwer, einzelne Einflüsse herauszufiltern.
Ohoh, Neurologie-Vorlesungen. Das ist doch mal was. Noch mehr Hintergrund mit Hirn offenbart sich auch im geschlechtsspezifischen Selbstverständnis der Band. Zwei Mädels die laute, harte Musik machen, und dabei auch noch gut sind, das beschwört doch schon den sich lautstark beschwerenden prolligen Macho von der Tanke herbei. Sehen sich die zwei denn auch als Vorbilder für weibliche Musiker?
Maya: Das hoffe ich sehr! Es ist unglaublich, dass es im Jahr 2014 noch Leute gibt, die davon ausgehen, dass Frauen bestimmte Instrumente schlechter spielen könnten. Es ist bizarr!
Und schon sind wir inmitten so wichtiger Themen wie Feminismus und Gleichstellung. All diese Einflüsse finden sich auch auf dem aktuellen Album von The Pack, A.D., Do Not Engage. Dieses setzt konsequent die Reise von den Blues-lastigen Anfängen der Band hin zu eher rockigen Songs fort. Wo die Reise danach hingeht, ist noch offen. Vielleicht wird es ja auch mal was ganz anderes? Nur eins scheint sicher zu sein, zumindest für Maya: „Auf jeden Fall kein Blues“. Na dann. Greifen wir in die Floskel-Kiste und stellen fest: Man darf gespannt sein!
Carsten Brück
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