In der Kategorie "3 Tage Liebe zur Musik" stellen wir euch die Festivals eigentlich noch einmal im Voraus vor. Im Falle des Appletree Garden Festivals haben wir es aus Einfühlsamkeit mit euren zarten Gefühlen nicht über's Herz gebracht. Denn: Das schnuckelige Festival am Rande der Dümmer Seen im idyllischsten Niedersachsen war seit geraumer Zeit ausverkauft. Zu Recht: Das Appletree hat die vielleicht schönste Location, die vielleicht schönsten Besucher – auf jeden Fall die nettesten – und dazu ein sehr sehr gutes Händchen in Sachen Musikauswahl und Booking.

Wir können uns leider nicht zurückhalten und müssen eine Ode auf dieses Fest singen:

5 Gründe, das Appletree Garden Festival zu lieben

1. Die Location

Diepholz, Lüderbusch 2. Nicht so die Szene-Location. Auch kein Rave zwischen verlassenen Schweineställen mit Platz für Skrillex und 100.000 Anhänger. Einfach eine Wiese, zwischen Feldern, Moor und – guess who figured?- Äpfelbäumen. Zwei Bühnen, ein Zeltplatz, ein Parkplatz. Mehr braucht es für ein anständiges Festival nicht, wenn die Stimmung, die Musik und die Menschen stimmen (siehe Punkte 2-5). 

2. Die Menschen

Nordisch-nobel, nordisch-herb – ob Grönemeyer oder Jever, die Unkompliziertheit der Fischköppe steckt an. In Krisensituationen (Schlammchaos, Parkplatz wird zu Atlantis, etc.) geht das Signalfeuer um, alle Bauern der Umgebung werden herbeigerufen, um die Probleme zu lösen. Tiefergelegter Opel, my ass! Ein Trekker sah nie schärfer aus, als wenn er dein Auto vor dem Tod rettet. 

Abgesehen vom Drumherum läuft auf dem Festival genau ein Typ Mensch herum: Der, mit dem du blind deine gesamte Musikmediathek tauschen könntest, ohne Lieblingssongs und Herzstücke einzubüßen, sondern dazugewinnst. 

3. Die Musikauswahl

Im Kreise Appletree-Verehrer weiß man um die Eurosonic Norderslaag-ähnliche Wirkung und darum, dass alles, was letztes Jahr unter dem Apfelbaum spielte, nächstes Jahr in den Playlisten deiner coolen Freunde auftauchen wird. Das komplette nächste Jahr wirst du voller Genugtuung den Satz "Ja, hab' ich schon letztes Jahr auf dem Appletree gesehen" über die Lippen bringen können . Gib' dir selbst High Fives, klopfe auf dein Schülterlein während dein verschmitzes Grinsen heimlich dem Booking dankt. Oracles, ihr könnt euch also auf eine glorreiche Zukunft vorbereiten!

Nur mal so LineupDropping am Zeitstrahl: 2011 waren Bombay Bicycle Club, Future Islands, Johnossi, Junip, Metronomy und When Saints Go Machine auf dem Zeitplan, 2012 die Crystal Fighters, Dillon, Sizarr, Apparat, Abby und Balthazar, 2013 (und es wird immer besser): SOHN, Shout out Louds, Kakkmaddafakka, Efterklang, Mighty Oaks usw. usw. Told 'ya! 

Gerade wenn man dann denkt, es geht nicht mehr, kommt Appletrees Booking daher. Setzt dir Dinger wie Moderat, Mount Kimbie, Son Lux und WhoMadeWho und damit die Möglichkeit für andere Ohrmuschel-Sphären vor, bis , Linkobans Grime, Findlays Liebe für Haake Beck (norddeutschlands bestes Bier), Kate Tempests whitty-wonderful Wortversiertheit und Coely's Beatboxing klar machen, weshalb die Damen den Herren in diesem musikalischen Jahr ordentlich in den Arsch treten. 

4. Die Extras

– Jan Spieker Festival Train: FestivalPartyBus? Im Flieger zum Tomorrowland? Drauf geschissen, sobald du einmal mit Jan Spiekers Bimmelbahn zum Diepholzscher (?) Diepholzer (!) Freibad gefahren bist, siehst du, wie menschliche Menschen aussehen. Dort kann man duschen (auf die Unzulänglichkeit von Körperhygiene auf Festivals wird später noch hingewiesen), Yoga machen, mit Bademeistern flirten. Work-Life-Party-Balance at its best sozusagen. 

– Genug Zeit für Musik und Menschen: Das Appletree Garden ist ein Festival auf dem du mit deinen Freunden sein willst, um mit ihnen Schnaps zu trinken und anschließend rührselige Gespräche über Rührei und Rühmlichkeiten zu führen. Zeit dafür habt ihr, weil die Konzerte erst am Nachmittag anfangen. Die Beste Entscheidung der Welt war, keine Konzerte gleichzeitig, sondern die Bühnen abwechselnd zu bespielen. Nie wieder Entscheidungsschwierigkeiten, whoop!

5. Der Matsch

Ganz ehrlich, dieser ganze Glitzer, Konfetti, Seifenblasen, Haare-vorm-Waschbecken-Glätten Scheiß, der sich auf Festivals in den letzten Jahren etabliert hat, sieht zwar schön aus, passt aber nicht ins Konzept. Festivals sind die einmalige Chance, der Zivilisation und ihren gesellschaftlichen Konventionen für ein kurzes Weilchen den Rücken zu kehren, zu stinken, zu viel zu trinken, zu wild zu tanzen, mit fremden Menschen zu knutschen.
Früher war Trockenshampoo ein Luxus, Duschhygiene wurde als überflüssiges Getue abgetan und Mascara maximal mithilfe des CD-Spiegels aufgetragen. Wir brauchen uns hier auch nichts vormachen – man geht 3 Tage lang auf's Dixi ohne sich die Hände zu waschen. Da kann auch der Hand-Sanitizer eures Einkaufs, der das Set von "Eve und der letzte Gentleman" neidisch macht, nicht helfen. 

Um die Festivalwelt also mal wieder auf den Boden der Tatsachen zu holen, macht Petrus was er will und das ist: Regen! Wasche ihnen ihre Masken ab, zerstöre ihre Haare, schaffe Schlammlawinen und den dazugehörigen Matsch. Zuvor beschriebene niedersäschsische Dorfkinder fühlen sich hier eh wohl, Gummistiefel und Friesennerz sind dort, wo es "kein shiid Wedda, nur shiid Kleidung" gibt nämlich keine Modeerscheinung sondern notwendiges Überlebensutensil.

Auch ein Vorschlag an Bilderbuch, die am Donnerstag auftraten: Wie wär es mit einem Mash-Up aus "Maschin" und "Plansch" zu "Mansch"?

Lange Rede, kurzer Sinn: Kauft euch gefälligst Tickets, vor Weihnachten, sonst müssen wir euch das Ganze nächstes Jahr schon wieder erzählen!

(Text und Fotos: Vera Jakubeit)