Mit den Worten „endlich mal raus mit dem Scheiß“ feiert Julius Gale den Start seiner am 18. Juli veröffentlichten ersten EP „Acapulco“. Und ja es war allmählich an der Zeit, dass der talentierte Mannheimer das erste Ausrufezeichen seiner Karriere als Musiker setzt. Nach Auftritten auf dem Berlin Festival, Maifeld Derby, c/o Pop Festival und dem Sound of the Forest in 2014 gibt es endlich auch was für die heimischen Boxen.

Julius könnte sich jetzt locker zurücklehnen, mag man meinen, denn im Interview mit uns verrät er, dass es an der Zeit war, die „Wann-kommt-denn-endlich-was?“-Schreie langsam zu beantworten. Doch nein: „Acapulco“ ist nur der Anfang. Die fünf Songs umfassende EP liefert die Antwort für all die Ungeduldigen da draußen. Und wer steckt hinter diesem Namen, Julius Gale? Es ist ein echter Vollblutmusiker und das ist Fakt: Mit Blockflöte sagt er „fing alles an“ und im Kindesalter kam dann das Klavierspielen dazu, ehe er mit 15 erste Bandprojekte startete und drei Jahre später erste Songs geschrieben und gesungen hat. 

Beeindruckt? Ist doch irgendwie Standart für Musiker, denkt man sich?! Als Julius erzählt, dass er Musik studiert und es tatsächlich auch bis zum Abschluss gebracht hat, verschlägt es uns dann doch die Sprache. Ein Musiker mit einer Basis, die sozusagen das typisch elterliche „warum-machst-du-denn-nichts-Gescheites-aus-deinem-Leben?“ direkt im Keim erstickt. Einer der nicht sagt Musik ist sein Leben, nur weil er ein Projekt am Laufen hat und wenn daraus nichts wird, steht er erstmal da – und nu? Nein, Julius Gale wird wohl sein Leben lang Musik machen. So oder so.

motor.de: Aber was, wenn aus Julius Gale nichts wird?

Julius: „Ich hab Musik studiert und das Studium fertig gemacht, deswegen hoffe ich natürlich, dass meine Karriere trotzdem was wird, obwohl ich Musik fertig gemacht hab.“

motor.de: Warum denn nicht?

Julius: „Na, Pop- und Rockstars brechen ja ganz gern mal ab und werden dann krass erfolgreich.“

motor.de: Ja gut, das stimmt.

Julius: „ Aber das ist das, was ich so mache. Ich unterrichte jetzt auch Gesang und arbeite noch nebenher in ’nem Club. Versuche Musik dann aber schon irgendwann professionell und hauptberuflich zu machen. Aber generell glaube ich, ich werde Musik immer machen, definitiv. Das ist für mich kein Berufsweg. Ich bin Künstler, nicht so wie andere Handwerker, es ist einfach mein Leben und meine Persönlichkeit. Man muss irgendwie gucken, dass Geld reinkommt. Und wenn kein Geld reinkommt mit der Musik, dann muss man nebenher was anderes machen, womit ich kein Problem hätte. Ich hab auch kein Problem damit zu unterrichten, was man als Musiker immer ganz gut machen kann. Aber das Ziel heißt immer weiter machen. Einen anderen Plan hab ich ehrlich gesagt auch nicht. Weiß auch nicht, ob ich noch weiterstudieren würde. Im Moment eher nicht, weil ich es derzeit einfach versuchen und ein Stück weit auch wissen will. Wenn ich also jetzt anfangen würde, etwas anderes zu studieren, wäre das für mich so der sichere Weg und ich hab ein bisschen Angst, dass ich dann so reindrifte, weißte?“

motor.de: Aber klaro.

Julius: „Dass man sagt: So und jetzt hab ich da meinen 8-Stunden Tag. Ist zwar irgendwie cool, so regelmäßig die Kohle auf dem Konto zu haben am Monatsanfang aber im Moment keine Option für mich.“

motor.de: Klingt logisch, wo bleibt auch sonst der Spaß…

Julius: „Ja eben. Und das ist mein Traum und dafür lebe ich und werde versuchen alles zu geben. Dass es schwierig ist, weiß ich. Ist ja nicht das einfachste Business und da gibt’s mittlerweile auch mega viele gute Leute, die Sachen machen und Zeug rausbringen, aber ich denke, man muss seinen Scheiß machen und irgendwelchen Leuten wird’s dann schon gefallen.“

motor.de: Also zur EP. Happy damit? Gibt es einen Lieblingstrack?

Julius: „Ähm, lange war’s „Nothing Was Everything“, mittlerweile ist es „Be Alone“. Zumindest wenn ich vom eigenen Hören ausgehe. Ist ja immer ein bisschen schwierig zu sagen, welchen seiner eigenen Songs man jetzt gut findet. Zufrieden bin ich auf jeden Fall schon. Ich mein, man ist nie komplett zufrieden als Künstler. Manche Sachen sind auch schon vor langer Zeit entstanden. „Be Alone“ ist eigentlich auch der neueste Song. Aber man entwickelt sich als Künstler auch weiter, hört andere Sachen und merkt dann irgendwann, dass, wenn ich jetzt neue Sachen machen würde, sie sich anders anhören würden. Nicht, dass ich das jetzt scheiße finden würde, absolut gar nicht. Aber man entwickelt sich halt weiter."

motor.de: Auf ein paar Tracks (So he Stood, No Ghosts, Be Alone) kommen uns immer wieder ein paar 90er Synthies entgegen. Warum? Stehst du auf die 90er?

Julius: Nö, ich hör eigentlich nicht viel 90er. Ich arbeite mit meinem Produzenten zusammen, mit dem Leander Bauer, und da sitzen wir oft vorm Rechner und spielen rum, finden manche Sachen halt einfach witzig und wenn wir was witzig finden, machen wir’s erstmal rein und dann bleibt’s öfter auch mal drin. Also ich höre eigentlich keine 90er, find’s aber irgendwie cool und irgendwie fresh.“

motor.de: Macht dein Produzent dann auch die Beats oder produzierst du selbst?

Julius: „Ich produziere vor. Also ich würde nicht sagen, dass ich Produzent bin. Ich kann schon irgendwie produzieren, aber ich würde jetzt selten sagen, ich kann ein Song so fertigstellen, dass ich das Ding auch veröffentlichen würde und behaupten könnte, damit bin ich jetzt zufrieden und den hau ich jetzt so raus. Dafür fehlen mir die Erfahrung und so ein bisschen die Skills und ich mach’s halt auch nur für mich und nicht für andere Leute.“

motor.de: Wie ist dein Produzent so?

Julius: „Leander ist ein Kumpel von mir, den ich im Studium kennengelernt habe. Wir haben in Mannheim auch zusammen gewohnt und haben dann angefangen zusammen Musik zu machen und der macht jetzt die Sachen fertig für mich, meistens. Oder er macht einen Beat und schickt ihn mir rum und ich mach was drauf – so ’n bisschen dieser Hip-Hop-Ansatz – oder wir machen es gleich zusammen.“

motor.de: Und wo entsteht die Musik letztlich?

Julius: „Leander ist am Bodensee. Der hat da ein megaschönes Studio direkt am Bodensee – irgendwie so 200 Meter vom See entfernt und da gehen wir dann meistens hin.“

motor.de: Nicht schlecht. Brauchst du dann tatsächlich auch so schöne und inspirierende Orte wie den Bodensee, um Musik zu machen oder auch um Songs zu schreiben?

Julius: „Ja, ich bin eher so naturverbunden was das angeht. Auf jeden Fall. Ich glaube Natur inspiriert mich noch viel viel mehr als dieses Urbane. Deswegen vielleicht auch diese zwei Videos, die in der Natur gedreht wurden. Aber definitiv braucht man solche Sachen. Ich merk’s selbst, wenn ich die ganze Zeit nur rumsitze in der Stadt und nicht mehr rauskomme so richtig. Dann geht’s auch mit der Kreativität nicht wirklich voran.“

motor.de: Aber das ist ja dann eher bisschen suboptimal als Stadtkind oder? Woher kommst du denn ursprünglich?

Julius: „Ich bin in Stuttgart geboren und in der Nähe aufgewachsen und zur Schule gegangen. Wohne jetzt aber eben in Mannheim.“

motor.de: Und wie ist Mannheim so für und als Musiker?

Julius: „Mannheim ist cool. Ich kenn da einige Musiker, was super ist. Die Stadt ist jetzt keine wirklich schöne Stadt, aber schon auch irgendwie inspirierend. Halt eher so Industrie- aber da wird zurzeit auch kulturell ziemlich viel gemacht. Und das ist schon geil.“

motor.de: Wenn Mannheim dich wieder inspiriert hat und du aus der Kreativität heraus einen Song geschrieben hast, wer ist der/die Glückliche, der ihn zuerst hören darf? Irgendwelche Rituale?

Julius: Nee, Rituale gibt’s nicht. Es gibt unterschiedliche Leute, denen ich das immer wieder zeige und versuche, dadurch Feedback reinzuholen. Ich bin da tatsächlich auch sehr empfindlich, weil es einfach auch ein Prozess ist, wo man sein Herz reinsteckt und man selber sagt, okay das ist ein Teil von mir. Weil für mich ist das keine Fließbandarbeit oder sowas, bei der ich sage: okay, ich mache jetzt einen Song, der hört sich an wie das und das und deswegen mach ich das, sondern es ist einfach etwas, was aus mir rauskommt und dann ist es sehr schwierig wenn man Kommentare von anderen bekommt, die dann vielleicht nicht so positiv sind. Man versucht dann damit umzugehen und das Beste davon rauszuziehen. Aber ich glaube man kommt einfach in Teufelsküche, wenn man nur immer auf andere hören würde, denn man kann es nie allen recht machen und man muss da einfach sich selbst gegenüber ehrlich bleiben und das dann durchziehen.“

motor.de: Nach der EP ist vor dem Album, oder was?

Julius: „Im Moment bin ich dabei Songs für ein Album zu schreiben. Ich habe jetzt Anfang Juli angefangen ein bisschen rumzutüffteln, so dass es Ende bzw. Anfang nächstes Jahr fertig ist. Und wie und wann es dann rauskommt, muss man dann natürlich sehen. Das hat man ja nicht immer so direkt in der Hand.“

motor.de: Ist das Album davon abhängig wie gut dei EP und alles, was bisher von dir zu sehen und hören ist, ankommt?

Julius: „Nö, nö. Ich mach es auf jeden Fall. Ich habe ja Output und die Sachen will man ja dann auch rausbringen. Also wenn’s jetzt wirklich kein Schwein interessieren würde, dann würd ich vielleicht sagen, ich mache was anderes. Aber so ist es ja absolut nicht und ich glaube, man braucht da auch bisschen Leidenschaft, bisschen Geduld dranzubleiben. Ich meine, bei manchen Leuten ist es heutzutage schnell so, dass man schnell gehypt wird – aber andere sind einfach schon zehn Jahre dabei. Zum Beispiel SOHN: Da hat mir immer ein Kumpel früher gesagt ich soll Trouble Over Tokyo hören und der hat dann auch irgendwie ein bisschen genervt damit, aber trotzdem habe ich es mir nie so richtig angehört – bis eben SOHN rauskam und ich’s irgendwie geil fand und dachte, das erinnert mich voll daran. Tja und das ist einfach mal der gleiche Typ. Der macht halt auch schon seit was weiß ich wie vielen Jahren Musik und hat ein Album rausgebracht, spielt bei großen Festivals. Solche Sachen zeigen einem einfach immer weiter machen und irgendwann wird man den Zahn der Zeit treffen.

(Foto: Simon Schaller)