The Drums sind nach drei Jahren endlich zurück – mit einem neuen Album, der Encyclopedia,  inklusive Erklärungen und Kreuzreferenzen zu alten Tracks. Jacob Graham wünschte sich eine majestätische Synthesizer-Platte, sountracky und cineastisch, Jonny Pierce eher eine Garage Platte, die sich anhört, als wär’ sie in einer Mülltonne aufgenommen. Die zwei Ideen wurden ineinandergerammt. Was soundtechnisch anfangs verstört, wächst dir mit der Zeit ans Herz, wie die zwei Brooklyner Nerds hinter den Songs. Aber seitdem sie mit “Let’s Go Surfing” und ihrer Summertime EP 2009 allen OC California-Cracks auf ihre letzten Teenager Tage noch einmal das Gefühl von Salzwasser auf der Haut schenkten, hat sich einiges getan.

Nachdem Adam Kessler die Band 2010 verlies, hat auch Connor Hanwick der Band den Stinkefinger gezeigt. Die zwei Käuze, die seit Kindertagen Freunde sind, weil niemand sonst mit ihnen spielen wollte, sind wieder unter sich. Beim Interview erwartet man Menschen, die sich scheiße fühlen, weil Freunde und Manager ihnen den Rücken gekehrt haben – Tatsächlich wird gestrahlt. Zwei Leute weniger, das sind zwei weniger, an die man Aufgaben und Instrumente delegieren kann – auf der Bühne und im Studio.

Jacob Graham: “Naja, um ehrlich zu sein – und das wird dich vielleicht umhauen – waren wir nie wie eine normale Band, die ins Studio ging. Es waren immer nur ich und Johnny, die Sachen zusammenflickten, schwitzen, zu Gott beteten, dass wir da gerade irgendwas aufnehmen. Connor hat uns im Studio nur ein bisschen beim Portamento Album geholfen. So gesehen, haben sich die Dinge heute nicht viel verändert.”

Ok, man muss die Lorbeeren nicht mehr teilen. War das, was passiert ist, also gut oder schlecht?

Jonny: “Wenn Leute gehen, heißt es nicht immer, dass du unvollständig wirst. Manchmal ist es das Gegenteil und du wirst endlich zu dem, was du die ganze Zeit hättest sein sollen.”

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(instagram.com/thedrumsofficial)

Wieso also hat es drei Jahre gedauert und wieso musste es überhaupt ein neues Album geben?

Jonny Pierce: “Am Ende des ‘Portamento’ Album-Zyklus haben unsere Füße das erste Mal seit der Summertime EP den Boden berührt. Auf Tour haben wir zwei Alben produziert. Drei Jahre lang um sieben aufwachen, ein Tag voll Promo vor sich haben, zum Venue hetzen, eine Show spielen, von der Bühne kommen und drei Interviews danach geben. Diese Promo-Seite hat uns richtig in den Boden gerammt. Anfangs fragt man sich noch ‘Ist das normal oder nicht, wenn uns als erste Band nach den Strokes so ein Hype nachgesagt wird?’ und dann gehst du einfach davon aus, dass es stimmt. Da gab es keine Zeit, klar nachzudenken. Wir brauchten Zeit, um neue Erfahrungen zu machen und herauszufinden, was zur Hölle eigentlich abging.

Drei Jahre “Pause” folgten, in denen sich Johnny und Jacob auf Solo-Projekte konzentrierten. Dann fand man aber doch wieder zusammen, unter diesem “Heureka!”-Moment der Erkenntnis, wieder unter sich, im The Drums-Nukleus zu sein.

In musikalische Dinge, die sie vorher nicht ganz heruntergebrochen bekommen haben, konnte sich jetzt stärker eingesuhlt werden. Sobald sie sich diese Entscheidung und die Erkenntnis eingestanden, dass alles, was die zwei brauchten auch nur sie Zwei waren, ging es leichter von der Hand.

Jacob: “Ein Grund war definitiv die Miete. Wir hatten auch eine Idee, wohin The Drums gehen könnten, aber noch nicht waren. Und wollten unsere Karriere nicht mit ‘Portamento’ beenden.”

Johnny: “Ich habe immer gedacht, professionell in einer Band zu sein, sei die beste schlechteste Idee ever.”

Jacob: “Naja, für ungebildete Leute wie uns, homeschooled – da hat man sehr wenige Optionen.”

The Drums klingen trotzdem nicht wie eine scheiß Idee – Sie klingen gewollt und gekonnt. Eine Truppe aus Freaks, die die einzigen Freunde, die sie jemals hatten, vergrault haben. Jonny sagt dazu ganz passend: „Typen, die es lieben zusammen zu kommen, ein Paar Bier und Instrumente mitnehmen und ‘sehen was passiert’ – das ist unser schlimmster Albtraum!” Normale Band-Maßstäbe treffen auf dieses Duo nicht zu, es handelt sich hier um verkorkste Nerds, die die pubertären Triebe aufs köstlichste überspitzt vertonen. Und das ist für den Hörer das Beste, was passieren konnte.

Apropos schlimmster Albtraum: der Opener vom neuen Album, “Magic Mountain” ist im Gegensatz zu “Let’s Go Surfing” – und damit der Vertonung von dem Gefühl, wie teenage days sein sollten – eine eisige Kühlkammer, bespielt von Stroboskop-Blitzen; die Wärme und Geborgenheit von alten Tagen weicht der unangenehmen Kälte, die der noisige Sound über dir zusammenbrechen lässt.

Jacob: “Der Song funktioniert als Geschmacksneutralisator. Du denkst vielleicht du kennst die Drums, tust du aber nicht. Er zeigt dir am Anfang der Platte, dass irgendwas seltsam ist – und neu. Er lässt dich aber auch die alten Songs in einem neuen Licht sehen, die untersuchst du dann vielleicht ein bisschen genauer, weil du bemerkst, dass wir überall kleine Easter Eggs verteilt haben.“

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(Still aus “Magic Mountain”)

Was uns Jacob damit sagen will, ist: The Drums sind wie Harry Potter. Bist du erst einmal am Ende angekommen, checkst die ganze Geschichte und fängst an, von vorne zu lesen, merkst du: Diese Tiara liegt schon im dritten Buch an genau der Stelle, an der Harry im sechsten Buch wieder 300 Seiten lang suchen muss. Und das ist genau das, was The Drums neues Album zu einem kleinen Meisterwerk macht und sich im Gegensatz zu dem belanglosen Scheiß da draußen positioniert, wo bärtige Brooklyner E-Dur, A-Dur, C-Dur aneinanderklatschen, ihren Drum-Computer rausholen und ‘ne nette Synthlinie übers Gestöhne ihres derzeitigen Fuck-Buddies legen: Hier ist jemand mit Plan am Werk. Verstörte Menschen machen, wie die Geschichte zeigt, die gehaltvollste Kunst.

“Du kannst Encyclopedia hören und denken ‘scheiße, das ist seltsam’, dir dann die alten Sachen anhören und bemerken: da sind doch Parallelen.

Oder … du könntest einfach ein Harry Potter-Buch lesen und ‘ne gute Zeit haben.”, well said, Jacob, well said.

 

Encyclopedia, das dritte Album der Drums erscheint am 26. September 2014 über Minor Records (Rough Trade) und kann z.B. hier oder hier vorbestellt werden.